4 - Mein Rabe

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In der griechischen Mythologie war Narziss ein schöner Jüngling, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte, jedoch wegen unerfüllter Liebe starb...

Ich starrte mein Spiegelbild zwar schon seit ein paar Minuten an, doch bestimmt nicht wegen Selbstverliebtheit, sondern weil ich mich selbst daran erinnern musste, wer ich war- um mich selbst zu finden. Und manchmal dauerte es ein wenig.

Ich erinnerte mich an meine Kindheit, als mein Vater laut mit mir wurde und ich weinend ins Zimmer rannte, um mich vor dem Spiegel zu setzen und mir selbst zuzuschauen, wie ich eine Träne nach der anderen vergoss. Ich wollte meiner Wut und Trauer bewusst werden. Ich wollte sehen, wie ich etwas fühlte - wollte mich dabei beobachten, wie ich fiel und wieder aufstand. Es war die Zeit, als ich anfing Backsteine um mein Herz zu stapeln.

Meine Hände krallten sich in die Kanten des Waschbeckens, damit ich meinen schwachen Körper stützen konnte. Hier war ich also, starrte emotionslos in den Spiegel, immer noch von Wasser durchnässt. Die nassen Haare schimmerten fasst schon blutrot und klebten in meinem Gesicht. Ich zitterte immer noch. Meine Lippen waren blau. Über meiner linken Schläfe befand sich ein großer Bluterguss. Noch nie war ich so hart gestürzt, als Luca den Glaskasten aufsperrte und ich mit einer Wucht auf dem harten Boden knallte - und eine Welle von eiskaltem Wasser, dass mich umso mehr zu erdrücken schien, hinterher.

Ich wagte es für eine Sekunde die Augen zu schließen, doch wieder gelangten diese schmerzvollen Bilder in den Vordergrund.
Das Wasser war so kalt. Meinem Körper durchfuhren tausend Messerstiche. Mein Lunge brannte wie Feuer, obwohl sich das Wasser darin sammelte, breitete sich die Hölle in mir aus.
Doch bevor ich ertrinken konnte, öffnete er wieder die Tür. Danach schickten sie mich einfach wieder in das Zimmer indem ich aufgewacht war. Ich konnte kaum die Treppe hochlaufen, spuckte immer mal wieder das Wasser aus mir raus. Aber wenigstens hatten sie mich nicht mehr angekettet. So konnte ich endlich das Badezimmer benutzen. Ich mochte gar nicht darüber nachdenken, wie lange ich schon nicht mehr auf Toilette war, oder wann ich das letzte mal geduscht hatte (obwohl sich das durch den Glaskasten auch wieder erledigt hatte).

Plötzlich riss mich ein Knall aus der Schockstarre. Mein suchender Blick blieb bei dem schmalen Fenster hängen, als ich etwas auf der äußeren Fensterbank zucken sah. Vorsichtig öffnete ich das Fenster und sah einen pechschwarzen Raben, der womöglich gegen die Scheibe geflogen war. Super, ist das nicht ein schlechtes Omen? Zum Glück lebte der Vogel aber noch, rappelte sich wieder auf und flog weiter. Nur ein paar schwarze Federn ließ er mir übrig.

„Signorina Florakis." ich zuckte kurz zusammen, als ich eine weibliche Stimme hörte und schloss das Fenster wieder schnell. Eine dunkelhaarige Frau in einem schicken Kleid und High Heels stand plötzlich hinter mir. „Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken. Mein Name ist Valencia. Ich bin Ihre Stylistin." Valencia reichte mit die Hand, die ich sofort schüttelte. Sie erkannte wohl meine Emotionslosigkeit, denn sie lächelte mich unentwegt an, um meine innere Mauer zu durchbrechen. Doch das war zu schwierig. Vor allem wenn man so oft verletzt wurde wie ich. Trotzdem wirkte sie nett. Ihre braunen Augen erwärmten mich irgendwie.

„Es de España?" (Kommst du aus Spanien?), fragte ich sie schließlich. Sie nickte und lächelte erneut.
„Du sprichst also spanisch?" Wenn sie wüsste wie viele Sprachen ich sprach. Ich nickte als Antwort zurück. Valencia ergriff sanft meine Hand und zog mich zum Schminktisch. „Setzt Euch, bitte."
Ohne ein Wort folgte ich ihre Anweisungen und setzte mich auf den gepolsterten Hocker hin. Sie fing an meine Haare zu trocknen und sie mit einem Lockenstab zu locken. Danach schminkte sie mein Gesicht. Vor allem versuchte sie den blauen Fleck über meiner Schläfe mit Make-Up  zu verdecken. Zuerst wollte ich nichts sagen - wollte sie nicht stören, denn mir gefielen ihre sanften Berührungen in meinen Haaren oder auf meinem Gesicht. Sie erinnerten mich an meine Mutter, die mir als Kind oft die Haare bürstete. Manchmal sogar stundenlang. Was wohl meine Eltern gerade machen?

MIA DEA - Göttin der MafiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt