5 - Sturmfrei

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Ellie

Als ich mich zu Ina ins Auto setze, gebe ich mir alle Mühe, mir nichts anmerken zu lassen. Ich will gar nicht wissen, wie lange Noah uns beobachtet hat. Ich will mich nicht so fühlen, als hätte ich ihr eine Show geboten, zu keinem Zeitpunkt.

"Was magst du machen?", frage ich Ina, meinen Blick immer noch auf die Straße gerichtet. "Zu dir nach Hause?"

"Nee", sagt Ina, mit ihrem Handy beschäftigt. "Meine Eltern sind da. Magst du vielleicht ins Zentrum? Da ist heute Poetry Slam und Happy Hour."

"Du darfst gar nicht trinken", sage ich und runzle die Stirn.

"Als ob mich das je abgehalten hat", schießt Ina zurück und wendet sich wieder ihrem Handy zu. Ich denke ans Zentrum und an die Art Klientel, die zu einer Poetry Slam-Veranstaltung gehen würde, und schüttele den Kopf. "Ne, hab da irgendwie keinen Bock drauf. Wollen wir einfach zu mir gehen?"

"Zu dir zu dir oder zu deinen Eltern?" Auch wenn ich mich auf die Straße konzentrieren muss, bemerke ich trotzdem aus den Augenwinkeln Inas skeptischen Blick.

"Zu meinen Eltern", antworte ich ihr und seufze. "Sorry, ich weiß, im Moment ist nicht so viel los. Aber ich bin...die Leute irgendwie leid."

Eigentlich mag ich es, alleine zu wohnen. Aber im Studentenwohnheim ist man nie wirklich alleine, selbst wenn man es gerne wäre. Und der letzte Ort, an dem ich jetzt im Moment sein möchte, ist umgeben von Wänden so dünn wie Pappe und mit Teenagern, die zu jeder Uhrzeit vögeln.

"Ist okay." Ina erwidert mein Seufzen. Sie ist genervt, das merke ich ihr an. Aber nicht mehr lange. Ich grinse. "Wir haben sturmfrei", sage ich dann.

***

Sobald ich die Tür geöffnet habe, überfällt mich Ina schon. Sie zerrt mich ins Innere des Hauses und ich lasse die Tür hinter mir ins Schloss fallen.

Ich kichere, als sie mir mein Top vom Körper reißt, im wahrsten Sinne des Wortes an mir zerrt. "Nicht so wild." Aber das scheint Ina nur noch anzustacheln. "Jetzt erst Recht", grinst sie und wirft das Top in weitem Bogen über das Sofa.

Ich ziehe ihr ihr Tanktop über den Kopf und sehe, dass sie keinen BH trägt. Ich vergrabe meine Hände in ihren Haaren und lasse sie dann ihren Nacken hinunterwandern, über ihre Schultern und ihren Rücken und dann zurück über ihren Bauch hin zu ihren Brüsten. Sie sind warm und weich, als hätten sie nur auf meine Berührung gewartet.

Ina erschaudert und grinst. "Kalte Hände", flüstert sie und lässt dann ihre eigenen Hände unter meinen BH gleiten. Mit zwei Fingern greift sie meine Nippel und dreht sie sanft in ihren Händen. Ein Schauer fährt über meinen Körper und die kleinen Härchen auf meinen Oberarmen stellen sich auf.

"Lass uns...rübergehen. In mein Zimmer." Ich muss an Noah denken und daran, wie sie uns beobachtet hat, und sofort habe ich das Gefühl, dass tausend Augen auf mich gerichtet sind.

"Aber wir haben doch sturmfrei", schmollt Ina und lässt ihre Jeans auf den Boden fallen. "Sturmfrei", wiederholt sie und zupft am Saum ihres Spitzenhöschens, schlüpft dann erst mit einem Bein, dann mit dem anderen Bein hinaus, bis sie völlig entblößt vor mir steht.

"Ina." Ich will vorwurfsvoll klingen, aber das einzige, was aus meiner Stimme rauszuhören ist, ist meine Erregung. Ich lasse meinen Blick über ihren Körper wandern, über ihre langen Beine und die schmalen Hüften bis hin zu ihrem süßen Gesicht.

"Wir haben sturmfrei", wiederholt sie erneut und ihre Hand folgt meinem Blick, bis sie zwischen ihren Beinen angelangt ist. Für einen Moment sehe ich ihr dabei zu, wie sie sich anfasst, dann gebe ich mich ihr hin.

"Ist okay, wir bleiben hier", sage ich ergeben und ziehe sie an mich heran, um sie zu küssen. Sie stöhnt leise. Alles an Ina ist weich und zart, trotz ihrer kantigen Statur. Mein Kuss teilt ihre Lippen, dann arbeite ich mich an ihrem Hals entlang weiter nach unten.

Ich liebe sie, glaube ich. Was will ich mehr? Manchmal ist es schwierig mit uns, aber jetzt gerade – Samstagnacht – ist es perfekt. Unsere Körper schmiegen sich perfekt aneinander, warm und weich. Ich werfe meine Jeans von mir und drücke Ina auf den Boden.

Dann küsse ich mich weiter ihren Bauchnabel entlang nach unten.

klirr. Ich schaue erschrocken auf und mein Blick sucht nach dem Ursprung des Lärms.

"Oh." Es ist Noah. Sie steht wie versteinert vor uns, die Hand noch das Glas greifend, das jetzt in tausend Scherben zersplittert auf dem Boden liegt. 


Noah

"Hast du das gehört?" Ich stoße David an und er schrickt zusammen.

"Was?", murmelt er, noch im Halbschlaf. Das ist typisch. Er sucht einen Film aus, den ich nicht einmal schauen möchte und schläft dann ein. Ich frag mich, wofür das eine Metapher sein kann.

"Da ist jemand im Haus." Ich stoße ihn erneut an und seine Lider flattern.

"Ich dich auch", antwortet er und ich seufze.

"David!" Er hat die Augen wieder geschlossen. Auch wenn er es nicht gehört hat, ich habe es schon. Und wenn es Davids Eltern sind, die von der Arbeit gekommen sind, möchte ich nicht, dass sie mich so sehen – oberkörperfrei und mit zerzaustem Haar. Ich ziehe Davids Arm von meinem BH und hebe dann mein Shirt vom Boden auf. Natürlich hat David keine Bürste in seinem Zimmer.

Als ich mich angezogen habe, glätte ich meine Haare mit meinen Händen. Die Luft ist so stickig, dass ich husten muss. Ich werfe einen Blick auf David, der schon wieder eingeschlafen ist und alle Gliedmaße von sich gestreckt hat.

Dann greife ich das leere Glas von Davids Nachtschrank. Wenn ich seinen Eltern schon begegnen muss, dann zu meinen Bedingungen. Das wär's noch, denke ich. Wenn sie hier einfach reingeplatzt wären. So sehe ich wenigstens einigermaßen präsentabel aus.

In Gedanken überlege ich schon, wie ich sie begrüße. "Oh, hi, Dr. Sichelman, schön, Sie wiederzusehen!" oder doch lieber "Oh, Dr. Sichelman! Wie schön, dass wir uns wiedersehen!" Irgendwie muss ich die richtige Intonation noch hinbekommen. Locker, aber nicht zu locker. Ernsthaft, aber trotzdem erfreut.

Ich bin auf dem Weg zur Küche, als ich ein weiteres Geräusch bemerke. Ein Stöhnen.

Oh nein. Oh Gott, nein. Bitte nicht. Ich erstarre, als ich einen Hinterkopf mit langem, braunen Haar sehe. Ellie ist über Ina gebeugt, deren stachliger Kopf in Ekstase nach hinten geworfen ist. Ich sehe, wie sie Inas Bauchnabel küsst, dann ihr Becken, dann...

klirr. Bevor ich weiß, wie mir geschieht, ist mir das Glas aus der Hand entglitten. Ellies Kopf schnellt nach oben und für einen Moment wandert ihr Blick verwirrt umher, bevor er den meinen trifft.

"Oh", entfährt es mir. Ellie sieht aus, als wolle sie mir den Kopf abreißen.

"Oh?"

Noah &Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt