Noah &

31 - Jubiläum

Noah

Die letzten Wochen sind so schnell vergangen, als seien es Tage. Vielleicht liegt es daran, dass Ellie und ich so viel Zeit miteinander verbringen, dass die Abende miteinander verschwimmen. Und obwohl unsere Routine, in die wir uns eingefunden haben, sich nur selten verändert – Ellie holt mich von der Schule oder vom Vogelnest ab und wir verbringen den Abend zusammen, bevor sie sich am Morgen von mir verabschiedet – ist jeder Tag mit ihr neu aufregend. Mit dem Dezember ist auch die Kälte gekommen. Vor ein paar Tagen hat es tatsächlich geschneit, als hätten die Weihnachtstage eine Ankündigung über das Wetter gesendet. Der flauschig-weiße Schnee ist zwar innerhalb weniger Tage zu grauer Schneematsche geworden, aber immerhin. Es sind die kleinen Dinge des Lebens.

Ich schlinge mir meinen Schal doppelt um den Hals und stopfe die Enden oben in meine Jacke, ziehe den Reißverschluss noch ein bisschen höher, damit ich bestmöglich gegen die klirrende Winterkälte gewappnet bin. Draußen sind die matschigen Klumpen, die vom Schnee der letzten Tage übrig geblieben sind, am Rand der Straße zu crunchy Klumpen festgefroren, und ich muss behutsam einen Schritt vor den anderen setzen, um nicht auf dem vereisten Gehweg auszurutschen. 

"Hey, kleiner Pinguin", höre ich Ellies Stimme und als ich zu ihr hochschaue, verliere ich beinahe den Halt unter den Füßen. Ich rudere wild mit den Armen und kann mich gerade noch fangen, bevor ich ihr in die Arme stürze. Ellie lacht und drückt mich an sich. 

"Happy Einmonatiges", sagt sie in mein Haar und küsst meine Mütze, bevor ihre Lippen meine Lippen finden. Ich streiche mir mit meinen behandschuhten Händen wenig grazil die Haare aus dem Gesicht. "Happy Einmonatiges", hauche ich zurück. Nachdem wir die Wochen gezählt und zelebriert haben, die wir jetzt "offiziell" Freundin und Freundin sind, ist das der erste Monat. 

"Sucht euch ein Zimmer!", schreit Sofia und ich höre sie hinter uns lachen. Ich entziehe mich Ellie und drehe mich um. Sof versucht, auf uns zuzurennen, was ihr aber nur mit mäßigem Erfolg gelingt, da sie ihre Schritte ebenso zügeln muss wie ich, um nicht ebenfalls auf dem vereisten Boden auszurutschen. Sie bewegt sich wie ein Astronaut bei der Mondlandung und ich muss lachen, als ich ihren frustrierten Gesichtsausdruck sehe. 

"Was ist eigentlich mit deinem Herzblatt?", fragt Ellie sie, als sie uns endlich erreicht hat und sich neben uns an den Zaun vor dem Schulgebäude lehnt. 

"Ollie arbeitet heute", antwortet Sof und wirft mir einen vielsagenden Blick zu. Das heißt wohl, Conny und Ollie haben sich wieder vertragen. Gut zu wissen. "Kann ja nicht jeder so viel Freizeit haben wie du, Ellie", fügt sie dann leicht stichelnd hinzu. Aus den Augenwinkeln kann ich sehen, wie Ellie das Gesicht verzieht. Wir sollten darüber reden, denke ich, aber schiebe den Gedanken wieder in meinen Hinterkopf für später. Auch wenn wir schon viel über meine Zukunft geredet haben, haben wir nie richtig ausgesprochen, was mit Ellie passieren wird. "Wir werden uns schon was überlegen", ist das, was Ellie immer sagt, wenn ich das Thema anreiße. Aber Wir werden uns schon was überlegen klingt viel zu schwammig, als dass ich es einfach ewig so dastehen lassen könnte. 

"Also, gehen wir?", fragt mich Ellie jetzt und hakt sich an meinem Arm ein. Die Jacke, die sie trägt, ist eigentlich viel zu dünn für dieses Wetter und ich frage mich ehrlich, wie sie nicht frieren kann. Ich nicke. Zu dritt schlendern wir durch den Ausgang in Richtung Ellies Auto; Sofia gleitet auf den Rücksitz und ich setze mich vorne zu Ellie. Sie setzt Sof am Vogelnest ab und ich schaue sie verwirrt an, als sie den Motor nicht wieder startet, nachdem Sofia ausgestiegen ist.

"Was ist los?", frage ich sie. Sag jetzt bitte nicht, dass wir liegengeblieben sind. Es ist einer von zwei freien Tagen, die ich in der Woche habe, und den würde ich lieber mit ihr verbringen als mich mit einem kaputten Auto rumzuschlagen. Zu meiner Erleichterung sieht Ellie kein bisschen besorgt aus.