7 - Kaffee

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Noah

Zwei Tage sind vergangen, seit ich Ellie das letzte Mal gesehen habe. Vielleicht liegt es daran, dass ich das Haus der Sichelmans – und David auch, wenn wir schon dabei sind– meide, seitdem ich sie und Ina erwischt habe, oder vielleicht tut Ellie auch das gleiche und wir laufen uns deshalb nicht über den Weg. Was es auch ist, ich bin froh darüber.

Langsam fühlen sich die Tage wieder an wie Alltag – wie die Zeit vor nur einer Woche, bevor Ellies und meine Wege sich zum ersten Mal auf Davids Geburtstagsparty gekreuzt haben. Ich sitze mit Sofia in der Cafeteria an unserem Stammplatz und sie erzählt mir von dem neusten Typen, den sie im Blick hat. "Er ist an der Uni und so heiß." Sie zieht die Augenbrauen dramatisch hoch und ich verdrehe die Augen. Jede Woche hat Sofia jemanden neuen, den sie so heiß findet. Ich bin vielleicht hetero, aber so sehr dann auch nicht. Wenn Ellie jetzt hier wäre, würde sie ihr sonst was erzählen. Bei dem Gedanken muss ich fast schon lachen.

"Sof, wann ist deine Obsession mit einem Typen je weiter gegangen als ihn super heiß zu finden?", frage ich sie und streiche mir meine Haare hinter die Ohren. Sie sind gerade in dieser Phase, wo sie zu kurz sind, um sie zusammenzubinden und zu lang, um nicht nervig zu sein.

"Ich weiß", Sofia seufzt, "Irgendwann, Noah. Vielleicht klappt es ja mit Jona. Ich hab ihn schon auf Instagram angefragt."

"Oh wow!" Ich lache. "Aber bitte nicht zu viel auf einmal!"

Sie streckt mir die Zunge raus. "Irgendwann schlepp ich einen Gott ans Land und dann bist du ganz still."

Ich komme nicht dazu, ihr zu antworten, denn wir werden von der Schulglocke unterbrochen. "Was hast du?", frage ich sie.

"Chemie, du?" Ich verziehe das Gesicht: "Bio. Später hier?"

"Klar." Sie lächelt mich an.

***

Drei Stunden später treffen wir uns wieder in der Cafeteria und machen uns gemeinsam auf den Weg zum Vogelnest. Sofia schafft es immer, es so einzufädeln, dass wir die Schicht zusammen verbringen können – das ist der Vorteil, wenn die eigene Mutter Ladeninhaberin ist.

Als wir ankommen, ist der Laden noch leer – bis auf Ollie, der hinter dem Tresen steht und nur von seinem Handy aufschaut, als er hört, wie sich die Tür öffnet. "Hey Sof, hey Noah", begrüßt er uns beiläufig und wendet sich dann wieder seinem Handy zu.

Wir kichern und ziehen uns unsere Schürzen über. Ollie arbeitet hier, so lange ich das Vogelnest schon kenne, und so oft wir auch versucht haben, ihn auszuquetschen, wissen wir immer noch kaum etwas über ihn. Ollie ist Student – sagt er zumindest –, aber wir haben keine Ahnung, was genau er studiert. Ehrlich gesagt sieht er fast zu alt aus, um ein glaubwürdiger Student zu sein, zumindest schätzen wir ihn auf Ende zwanzig oder Anfang dreißig. Es ist schwer zu sagen, weil seine komische Frisur von seinem jugendlichen Gesicht ablenkt. Ollie ist groß und schlaksig mit blonden Haaren, die mehr gelb als blond sind und ihm in einem schief geschnittenen Pony ins Gesicht fallen. Meistens trägt er große, ausgewaschene Shirts mit Löchern und einmal habe ich ihn dabei erwischt, wie er seine blasse Haut darunter mit Edding angemalt hat, damit die Löcher nicht mehr zu sehen sind.

"Dann kann ich ja jetzt Schluss machen", sagt Ollie, als wir uns zu ihm an den Tresen stellen. Er bindet seine Schürze auf, wirft sie in die Ecke und setzt sich dann auf einen Barhocker vor dem Tresen. "Also Ladies, was gibt's Neues?" Das ist eine andere von Ollies Eigenheiten. Selbst wenn seine Schicht vorbei ist, ist er eigentlich immer da – entweder chillt er in einer Ecke des Cafés oder hängt im Hinterzimmer ab, um mit Conny zu quatschen.

"Bei uns?" Für einen kurzen Moment überlege ich, ihm von Ellie zu erzählen, aber auf der anderen Seite erzählt er mir auch nie etwas, also wäre das nicht fair. "Ach, eigentlich nichts."

Noah &Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt