15 - Freundin

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Noah

Für einen Moment ist David sprachlos. Keiner von uns hat bemerkt, dass sich die Tür geöffnet hat, zugegebenermaßen wahrscheinlich wegen Davids Geschrei.

"Wow, das ist absolut fantastisch", sagt er jetzt. Seine Stimme trieft vor Sarkasmus. "Soll ich die Frage nochmal stellen, oder hast du alles mitbekommen?"

Mein Gesicht glüht. Ellie wirkt erstaunlich gelassen. "Zwischen mir und Noah ist rein gar nichts vorgefallen, David", sagt sie kühl, aber bestimmt. Wäre ich nicht selbst dabei gewesen, hätte ich es ihr sogar abgekauft. Zu meiner Verwunderung sieht auch David augenblicklich entspannter aus. Er atmet in tiefen, langen Zügen ein und wieder aus. "Ich glaube, ich... muss mal kurz raus", sagt er, mehr zu sich selber als zu uns und drängt sich an mir vorbei aus dem Zimmer.

Ich schließe meine Augen. Wow.

"Hey, bist du okay?", ich fühle Ellies kühle Hand auf meiner Schulter und öffne die Augen. "Sorry, ich wollte euch nicht- Ich habe David schreien gehört und-"

"Ist schon okay", seufze ich, "jetzt sind wir quitt."

Sie lacht. "Noah, ich wusste nicht, dass du heute hier bist. Sonst wäre ich nicht..." Natürlich hat sie mich gemieden. Ich suche ihren Blick.

"Ellie, hab ich irgendwas falsch gemacht?" Außer das Offensichtliche, natürlich. Ich will ihr noch soviel mehr sagen, all das, was ich in den letzten zwei Wochen für mich behalten musste. Ellie lächelt matt. "Ich hoffe, du weißt, dass es nie meine Intention war, zwischen dich und David zu kommen."

"Das bist du nicht!", protestiere ich.

"Ach ja? Das sah aber eben ganz anders aus." Ich schaue verlegen zur Seite. Okay, vielleicht ist es mir ein bisschen peinlich, dass sie unseren Streit mitbekommen hat, aber trotzdem bin ich froh, dass sie jetzt da ist.

"Das war nicht deine- Ich habe dich geküsst!", sage ich. "Du hast damit gar nichts zu tun. Und ich weiß, es sollte mir leid tun, aber das tut es höchstens, weil du mir seitdem aus dem Weg gehst!"

"Ich dachte, das wolltest du."

"Ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr, was ich will." Es ist die Wahrheit und sobald ich die Worte ausspreche, fühle ich eine Woge von Erleichterung über mich schwappen. Es fühlt sich so befreiend an, mit jemandem darüber zureden. Mit Ellie darüber zu reden. "Ich mag David, er ist so fürsorglich und lieb und wirklich anständig und er liebt mich wirklich, aber..." Meine Worte verlaufen im Sand. "Ich weiß, ich sollte genauso für ihn empfinden. Und ich dachte, das würde ich. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher."

Ellies Blick ist sanft. "Wenn das wirklich so ist, N, musst du mit David darüber reden."

Ich seufze. "Ich weiß." Aber was ist mit unserem Kuss? Muss ich ihm das auch erzählen? Ellie scheint meine Gedanken lesen zu können, denn im nächsten Moment beruhigt sie mich: "Den Kuss musst du nicht erwähnen. Wir können so tun, als sei er nie passiert."

Ich nicke, aber eigentlich will ich sie anschreien. Was meinst du damit, so tun, als sei er nie passiert? Ein Vibrieren lässt mich aufschrecken. Ellie zieht ihr Handy aus der Hosentasche und nickt mir zu, "Ina. Ich fahre sie zur Kunsthochschule."

Ina? Soll das heißen, sie und Ellie sind wieder... das hätte ich mir ja denken können. Kein Wunder, dass sie sich nicht bei mir gemeldet hat – ihre Freundin ist nicht mein größter Fan. "Das ist nett von dir", kommentiere ich mit buttriger Stimme.

"Ist bei uns alles wieder okay?", fragt mich Ellie jetzt und hält mir die Hand hin. Ich greife sie. Es war so dämlich von mir, zu denken, dass ihr der Kuss etwas bedeutet hat. Ich greife ihre Hand. "Freunde", antworte ich und höre in Gedanken das Echo meiner Stimme, das mich verhöhnt. Freunde. Das war ja klar.

Noah &Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt