Noah
Ich liebe dich auch. Es liegt mir auf der Zunge, aber trotzdem kann ich es nicht aussprechen, als der Moment gekommen ist. Das auch kommt mir so... hingeworfen vor, als wäre das Ich liebe dich nicht ernst gemeint. Als wäre es nur ein Nachgedanke: "Oh, du liebst mich? Ja, ich dich auch, wo wir schon dabei sind."
Wir schlafen nackt ein, ich als kleiner Löffel, und ich bin erstaunt über mich selber, dass es mir nichts ausmacht, dass Ellies Hand auf meinem Bauch liegt. Am nächsten Morgen muss ich wieder früh los – mein Studium finanziert sich nicht von allein, und ich brauche definitiv einen Plan B, falls das mit dem Stipendium nicht klappt –, also verabschiedet sich Ellie von mir, bevor ich zum Vogelnest fahre.
"Viel Spaß", haucht sie in mein Ohr, als wir uns vor der Haustür umarmen, und gibt mir einen Abschiedskuss. Sie hat es nicht nochmal gesagt, Ich liebe dich. Es verunsichert mich ein bisschen, weil ich mir nicht sicher bin, ob sie es bereut, es gestern gesagt zu haben oder ob sie mir einfach nur Zeit geben will, es zu erwidern. Ich versuche, nicht allzu sehr darüber nachzudenken. "Dir auch", entgegne ich ihr und erwidere ihren Kuss nur flüchtig, weil ich aus den Augenwinkeln sehe, dass Dad die Treppe herunter kommt.
Dann ist sie auch schon weg; mit langen Schritten läuft sie die Straße entlang, bis sie zu einer immer kleineren Ellie wird und schließlich an der nächsten Ecke aus meinem Sichtfeld verschwindet.
"Ich bin dann weg, ja?", rufe ich ins Haus und ziehe die Tür hinter mir zu, ohne auf eine Antwort meines Vaters zu warten. Ich bin – mal wieder – spät dran. Ich schnappe mir das Fahrrad, das von gestern noch an der Hauswand lehnt und will schon losradeln, als sich ein vertrautes Paar Schuhe plötzlich in meinen Weg stellt.
Ich sehe hoch zu seinem Besitzer. "Was machst du hier?", frage ich David. Er sieht besser aus als das letzte Mal, als ich ihn gesehen habe – weniger blass und seine Haare sind ordentlicher, wenn auch ziemlich lang. Er umgreift mit der Hand den Lenker meines Fahrrads und hält mich damit davon ab, loszufahren.
"Ich glaube, wir sollten reden", sagt er schließlich.
Ellie
Wir treffen uns in Iris und Nellys Wohnung. Die beiden sind erst vor ein paar Monaten zusammengezogen und trotzdem ist ihr 2-Zimmer Apartment jetzt schon so vollgestellt, dass man ernsthaften Anlass dazu hätte, TV-Entrümplungsprofis zu Werke zu rufen. Überall verteilt liegen Schuhe – Irenes Schuhe, wie an den obligatorischen Plateauabsätzen unschwer zu erkennen ist –, an jeder freien Stelle stehen Hocker mit Pflanzen, die teilweise dem Verdursten sehr nah sind, und jede Wand hat eine andere Farbe. "Minimalismus ist was für Feiglinge", ist einer von Iris Lieblingssätzen und genau dieses Credo spiegelt sich auch in der Einrichtung ihrer und Nellys Wohnung wider.
Bär und Mo haben es sich schon bequem gemacht und sitzen auf dem Boden – eine Couch gibt es nicht, lediglich eine Sammlung aus dicken, bunten Kissen – und sind eifrig ins Gespräch vertieft. Iri hat mich reingelassen und als ich nach ihr den Raum betrete, sieht Bär auf, pfeift laut und deutet eine Verbeugung an. "Ey, El, du lebst ja noch!"
"Seid nicht gemein", schalt Iri, aber grinst mit.
"Ist schon okay", entgegne ich und lasse mich zwischen ihn und Mo auf ein Kissen fallen, "Er hat ja Recht." Wann haben wir uns das letzte Mal gesehen? Das muss irgendwann im Oktober gewesen sein. Noch weit, bevor es mit Noah ernst wurde. Das fühlt sich an, als wäre es ewig her. Ich fühle mich ein bisschen schuldig, weil immer ich es bin, die sie vernachlässigt und nie andersrum. Ehrlich gesagt grenzt es an ein Wunder, dass sie überhaupt noch mit mir befreundet sein wollen. Aber das liegt vielleicht auch einfach daran, dass man seine Gruppe – die ersten Leute, die man in einer neuen Stadt kennenlernt – nicht so einfach vernachlässigt. Am Anfang waren es nur Nelly und ich, dann haben wir Mo aufgelesen, dann Bär, und schließlich hat Nelly Irene kennengelernt und ich Ina.
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Noah &
RomanceAls Noah ihren Freund zu dessen Geburtstagsparty begleitet, rechnet sie mit vielem - nur nicht mit Ellie, Davids älterer Schwester, die nicht nur lesbisch, sondern auch wahnsinnig einschüchternd ist. Als die beiden sich beim Flaschendrehen näher kom...