Kurz darauf verwandeln sich die Schreie des Waldkauzes in ein schrilles, aufdringliches Geräusch, welches in meinen Ohren brennt und mich unsanft aus meinem Traum in die Gegenwart katapultiert.
Ich brauche einen Moment, um mich, aus der eben noch existierenden Realität, in der jetzigen Situation wiederzufinden.
Plötzlich befinde ich mich nicht mehr auf dem Dach, sondern in meinem Bett. Keine Ahnung, wann und wie ich hier runtergegangen bin. Meine Erinnerung ist nur noch der Hauch einer Böe, welche versucht den Nebel der Nacht wegzupusten.
Ich fühle mich, als hätte ich nur zehn Minuten geschlafen. Vollkommen schlaftrunken, stolpere ich in die andere Ecke meines Zimmers, um diese Nervensäge endlich abzustellen.
Kurz wird mir schwarz vor Augen, sodass ich einen Moment innehalten muss, um mich am Regal abzustützen. Ich lege mein Handy aus Absicht immer so weit weg, um es im Halbschlaf nicht versehentlich abzustellen.
Aus Erfahrung lernt man eben. Zumindest manchmal und außerdem bekomme ich von diesen Dingern extreme Kopfschmerzen, weshalb ich, wenn möglich, immer etwas Sicherheitsabstand zu ihnen bewahre.
Minze ist inzwischen auch aufgewacht und blickt erwartungsvoll zu mir hinauf, wobei ihr Blick abwechselnd von der Tür zu mir und wieder zurück wechselt. Ein Lächeln huscht über meine Lippen. Wie einfach es doch sein kann, die Sprache der Katzen zu identifizieren.
Ich öffne ihr die Tür, woraufhin sie jedoch einfach sitzen bleibt und ihr Köpfchen schnurrend gegen die Türkante reibt. Ich blinzele irritiert. Die Tür ist doch offen? Minze streicht sachte um meine Beine, ehe sie ihren Rücken in Form eines leichten Katzenbuckels genüsslich gegen eines dieser stemmt und... -meine Beine!
Ich höre regelrecht das Klacken in meinem trägen Bewusstsein, als mir die Erkenntnis durchsickert. Diese sollen natürlich mitkommen und ich weiß auch schon genau, wohin sie mich, laut Minze tragen sollen.
Angewidert rümpfe ich die Nase, als mir kurz darauf der stinkige Geruch von muffigem Fleisch in die Atemwege steigt. Wie kann sie sich da nur so draufstürzen, geschweige denn es überhaupt essen?
„Anella, da bist du ja!" Erschrocken zucke ich zusammen, da ich die feste Frauenstimme hinter mir nicht erwartet habe. Normalerweise steht sie frühestens in einer halben Stunde auf.
Meine Mutter sitzt an unserem kleinen Esstisch am Fenster und blättert in einer Zeitschrift über idyllische Urlaubsziele, von denen sie einen ganzen Stapel im Regal über unserem Tisch liegen hat.
Sich ihren Traum je wahrgemacht und einen dieser Orte bereist, hat sie jedoch nie. Zum einen, weil uns dafür das Geld fehlt und zum anderen, weil sie nicht alleine gehen will.
Steve meint, er hätte ganz andere Orte im Visier, die er gerne besuchen würde, wenn er das nötige Kapital und die Zeit dazu hätte.
Sie blättert oft in diesen, wenn sie auf etwas wartet. Und jetzt macht sich das mulmige Gefühl in mir breit, dass genau ich dieser Grund bin.
„Guten Morgen", versuche ich es mit einem neutralen Thema, jedoch erfolglos. Sie blättert schweigend eine Seite weiter, ehe sie ihre Aufmerksamkeit nun vollkommen mir widmet.
„Wann bist du gestern nach Hause gekommen?" Ihre Stimme ist scharf. Schon von den vielen Malen, in denen sie diese Tonlage verwendete, geschliffen.
„Ich war bis elf wach und habe auf dein Heimkommen gewartet!"
Für meine Mutter ist das schon ziemlich spät, da sie eher zu den Morgenmenschen gehört. Wenn sie wüsste, wie viel Uhr es war, als ich nach Hause gekommen, geschweige denn eingeschlafen bin...
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Tanz der Dämmerung - Zwischen den Welten ~Band 1
Fantasy~ Band 1 ~ Anella hatte schon immer Schwierigkeiten dazuzugehören. Normal? Was soll das überhaupt sein? Sie jedenfalls konnte sich nie damit identifizieren. Das zeigt allein schon ihr sonderbares Sehnen, in die Dämmerung hinauszugehen und zu tanzen...