47. Süße Geheimnisse

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„Hey" Ich halte den Atem an, ehe ich mich zu der Richtung umdrehe, aus welcher seine Stimme erklungen ist.

Er steht hinter mir im leeren Gang. Die Hände in den Hosentaschen, seine dunklen Haare wie immer lockig in der Stirn und der Blick wachsam auf mich gerichtet.

Ich merke wie ich unter dieser Intensität wieder dezent unruhig werde. In etwa wie eine treibende Flamme auf unruhigem Gewässer.

„Hi", antworte ich und weiß nicht so recht, was ich sagen soll. Die Erinnerung an den letzten Samstag schlägt wieder über mich zusammen. Diese Begegnung bei ihm war einfach so merkwürdig.

Er war so nett und dann bin ich einfach abgehauen. Und jetzt... jetzt hat er mich schon wieder angesprochen.

„Sieht so aus als hättest du dich wieder mit deinem Stiefvater vertragen?" Er mustert mich neugierig, während er auf eine Antwort von mir wartet.

Es ist irgendwie komisch, das Wort Stiefvater von jemandem ausgesprochen zu hören. „Äh... ja!" Ich fummele an dem Rock meines Kleides herum.

Da sein Blick so eruierend auf mir liegt, weiß ich gar nicht, wo ich hinsehen soll. „Woher weißt du das?" Schließlich sehe ich ihm doch wieder in sein imponierendes Gesicht und treffe auf leuchtendes Braun.

„Na ja ich nehme das mal an, wenn er dich zur Schule fährt! Das war er doch schließlich, oder?" Ich bin etwas perplex. Ich hatte gar nicht gedacht, dass Kuno das aufgefallen ist.

„Äh, ja schon." Kuno betrachtet mich unverwandt. In seinen Augen liegt etwas Unausgesprochenes. Eine Unklarheit, die ihn zu beschäftigen scheint und er die Antwort wie es aussieht irgendwie bei mir herauszufinden versucht.

Gerade will ich fragen, was los ist, da öffnet er schon seine Lippen und spricht in einer plötzlich gedämpfteren, dunklen Tonlage, welche sich wie ein flüsternder Schauder durch meinen Venen windet und sich in meinem Bauchraum zentriert.

Da, wo sich normalerweise meine Panik sammelt. „Was verheimlichst du, Waldmädchen?"

Ich reiße meine Augen auf. Was? Wie kommt er darauf? Ich meine... woher weiß er...? Ich schlucke. „Was?"

Kuno runzelt wachsam seine Stirn und schweift mit seinem Blick über meine Wange, zu dem Auge wo er letztens die Träne aufgefangen hatte.

Ich weiß sofort, dass er an diesen Augenblick zurückdenkt, denn dasselbe irritiert hinterfragende Stirnrunzeln macht sich wieder bei ihm sichtbar.

Mich überzieht eine Gänsehaut. Wieso hatte er denn auch eigentlich meine Träne gekostet? Wieso tut er so etwas Seltsames überhaupt? Aber vor allem, was ist ihm daran so merkwürdiges aufgefallen, was ihn so verwundert?

Er betrachtet mich, als inspiziere er ein leeres Blatt Papier, welches er versucht zu lesen. „Ich dachte schon ich werde verrückt, aber nach deiner Reaktion jetzt bin ich mir eigentlich ziemlich sicher, dass ich mich nicht geirrt habe!"

Er kommt einen Schritt auf mich zu und ich taumele mit geweiteten Augen rückwärts. Was meint er? Meine Reaktion? Mist... Ich darf mir natürlich nichts anmerken lassen!

Schnell atme ich durch und versuche eine möglichst unwissende Miene aufzusetzen. Dabei weiß ich ja noch nicht einmal selber so genau, was los ist. Es ist nur so eine Ahnung, dass etwas nicht stimmt und ich mir nichts anmerken lassen darf.

Verdammt, im Lügen war ich schon immer miserabel. Vor allem, wenn mich jemand dabei so tiefdringend beobachtet wie er im Moment.

Dennoch muss ich es probieren! Ich habe schließlich gar keine andere Wahl. „Ich habe keine Ahnung, was du meinst!" Ich hoffe inständig, dass er das leichte Zittern in meiner Stimme nicht heraushören kann.

Tanz der Dämmerung - Zwischen den Welten ~Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt