33. Das Konzert

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Erschöpft öffne ich die Tür zu unserer Wohnung. Eben hatte ich extra noch eine Stunde auf der Lichtung getanzt, in der Hoffnung, dass dann nachher der Drang, wenn die Sonne untergeht, nicht ganz so stark werden wird.

Das Traumamulett habe ich mit einem etwas unwohlen Gefühl in der Esche zurückgelassen, damit es sich aufladen kann und Tyrian und ich uns so wieder im Traum begegnen können.

Ich bin mir sicher, dass er darauf aufpassen wird. Dennoch ist es ein komisches Gefühl, es nicht bei mir zu haben.

„Hey Hase." Mein Vater kommt um die Ecke gelaufen und wirkt etwas gestresst. Wahrscheinlich, weil er und Mum sich wieder gestritten haben.

Zum Glück sind sie deshalb so abgelenkt, dass sie bis jetzt noch nicht wieder mit mir ein Gespräch, wegen der nächtlichen Ausflüge gesucht haben!

„Hi", erwidere ich. Seine dunkelblonden Haare sind an den Seiten schon ein wenig ergraut und um seinen Augen macht er einen etwas müden Eindruck.

„Ich komme heute Abend wieder etwas später, wegen der Aufführung meiner Freunde im Chapelet!" Sage ich, während ich mich in Richtung Zimmer begebe. Ich habe immer noch keine Ahnung, wie ich das durchstehen soll, ohne zu tanzen.

„Ach stimmt. Wegen der späten Ausflüge müssen wir sowieso nochmal reden!" Wirft er mir hinterher, ist aber kurz darauf auch schon aus der Tür verschwunden, weshalb ich es einfach darauf beruhen lasse.

Vielleicht vergisst er es dann wieder! Hoffentlich! In meinem Zimmer angekommen, setze ich mich erst einmal auf mein Bett und schließe für einen Moment die Augen.

Als ich sie wieder öffne, sehe ich direkt vor mir einen schwarzen Schlund, welcher mich erschrocken zusammenzucken lässt.

Besser gesagt, ist es nicht direkt vor mir, sondern der schwarze Stein des Rings, welcher immer noch auf dem Tisch liegt und mich anschmachtet. Um genau zu sein, schmachtet er nach etwas, was ich besitze.

Sofort muss ich daran denken, wie es war, als er mir all meine Energie entzogen hatte. Meine Kraft. Mein Leben.

Mir kommen die Worte von Tyrian wieder in den Sinn. Er meinte, es gäbe auch noch andere, so wie ich auf dieser Erde, welche sich geschickt im Verborgenen halten.

Er hatte irgendwas davon erzählt, dass sie sich mit einem Stein versteckt halten. Sozusagen unsichtbar machen.

Also zumindest ihre wahre Natur. Dass der Stein ihr magisches Wesen verbirgt, sodass sie von außen nur noch als normale Menschen wahrgenommen werden.

Ja, er meinte, dass der Stein ihnen regelrecht ihre Zauberkräfte raubt... Ich starre auf den Ring vor mir und mich erfasst schlagartig ein tiefes Schaudern.

Ich springe erschrocken von meinem Bett, um zu der Stelle zu stürzen, an welcher ich den Ring deponiert habe.

Kann es sein, dass dies einer der Steine ist, welchen Tyrian erwähnt hat?

Als ich ihn das eine mal angezogen habe, hat er mir eindeutig meine Magie entzogen. Ich erinnere mich nur ungern an das Gefühl, wie es war, als ich plötzlich die singenden Klänge nicht mehr wahrnehmen konnte und meine ganzen Sinne vollkommen abgestumpft waren.

Ich hatte keinen Zugang mehr zu dem Leben, zu der Kraft, welche in der Natur normalerweise auf mich einströmt.

Alles war wie betäubt. Dieser Stein hatte mir aber nicht nur meine Magie geraubt, sondern mit ihr auch meine Lebenskraft. Ich hatte gespürt, wie es sich anfühlte, als bekäme ich nicht genug Nahrung und würde früher oder später dadurch verhungern.

Als ich den Ring anhatte, war ich da etwa so wie ein Mensch sein würde?

Ich weiß nur, dass mein Gehör schwächer war, mein Geruchssinn konnte nicht mehr diese feinen Aromen und Informationen aufnehmen. Es war nur noch eine leise Ahnung, was zum Beispiel eine Pflanze uns mitteilen möchte, doch ich konnte sie nicht mehr fühlen.

Tanz der Dämmerung - Zwischen den Welten ~Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt