43. Gedankenverloren

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Ich renne nach draußen und höre noch meine Mutter hinter mir, um mich aufzuhalten, doch ich bin schneller, sodass ich es schaffe Fiona zu entwischen und wieder in den Wald zu laufen.

Es tut mir weh sie jetzt zurückzulassen, doch ich kann einfach nicht länger da drinnen bleiben. Ich muss diese neu erfahrenen Informationen erst einmal mit mir selber vereinen.

Die Sonne ist zwar noch nicht aufgegangen, doch der Himmel verfärbt sich ganz langsam nicht mehr ganz so schwarz, sondern geht immer weiter ins grau und dann ins Farbigere über, bis auch noch der Ton von Gold hinzukommt, als die ersten Strahlen der Sonne den Erdboden erwecken.

Tränen laufen mir über die Wange, sodass sich deren lieblich süßer Geschmack in meinen Mundwinkeln ausbreitet und mich erzittern lässt.

Meine Sicht ist verschleiert und der brennende Kloß in meinem Hals scheint ins Unermessliche zu gehen.

Plötzlich fühle ich mich so alleine, dass es mir vorkommt, als würde mir der Boden unter den Füßen weggerissen. All das, wo ich dachte, dass es sich niemals ändern wird. Meine Familie.

Mein Vater...

Als ich an Steve denke, entfährt mir ein weiterer Schluchzer, welcher dann jedoch abrupt verstummt.

Ich bin nicht einmal so traurig, weil er nicht mein leiblicher Vater ist, denn das spielt eigentlich gar nicht mal so eine große Rolle. Er wird immer mein Vater sein!

Irgendwo tief in mir habe ich es vielleicht sogar schon die ganze Zeit gewusst. Doch es ist eben auch so, dass ich dann gezwungenermaßen auch nicht mehr seine leibliche Tochter bin und die Vorstellung, dass er mich nicht mehr als diese sehen könnte, ist so viel schlimmer.

Ich habe keine Ahnung, wie Steve das aufnehmen wird. Ob Fiona es ihm jetzt sagt? Wird unsere Familie daran zerbrechen? Werde ich die Familie dazu bringen, dass wir uns noch weiter auseinander spalten?

Wie wird es dann weitergehen? Und wer ist der Mann, welcher laut Fiona mein Erzeuger sein soll?

Ein Zittern durchfährt mich und ich merke, dass mir die Kraft fehlt weiterzulaufen, weshalb ich mich einfach an die Wurzeln eines großgewachsenen Baumes kauere und meinen wimmernden Ängsten verfalle.

Erst als die Sonne schon hoch am Himmel steht, fällt mir ein, dass ja heute erst Donnerstag ist und ich eigentlich noch Schule hätte.

Ich sehe an mir herunter und mir fällt auf, dass ich weder mein Handy, noch die Schulsachen dabei habe. Außerdem trage ich immer noch mein bequemes Schlafshirt und eine einfache Jogginghose dazu.

So kann ich unmöglich in die Schule. Zudem sehe ich bestimmt total verweint aus und habe eh nicht das Gefühl, dass ich jetzt irgendwas aufnehmen könnte, geschweige denn mit irgendjemandem sprechen will.

Ich sollte zurückgehen. Sollte mit Steve reden, oder ist es besser, wenn ich warte, dass Fiona es ihm selber erzählt?

Gegen Mittag entscheide ich mich schließlich zurückzugehen. Als ich jedoch zu Hause ankomme, ist niemand dort. Natürlich arbeiten sie.

Ich gehe mich zuerst nochmals duschen, ziehe mich um und überlege dann, ob ich meinen Vater in der Werkstatt besuchen soll.

Doch ich weiß nicht, wie er reagieren wird, wenn er mich sieht. Hat meine Mutter es ihm schon erzählt? Was, wenn nicht? Soll ich es ihm dann doch sagen? Könnte ich das überhaupt?

Panik macht sich in mir breit und ich entscheide schnell, dass es besser ist, wenn Fiona es selber tut.

Doch was ist, wenn sie es ihm schon gesagt hat? Was, wenn er.... wenn er gar nicht will, dass ich komme? Ich schlucke und rede mir ein, dass es nicht so sein wird. Ich werde einfach hier warten.

Tanz der Dämmerung - Zwischen den Welten ~Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt