32. Geflüster und Schnürsenkelsalat

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Ich schließe meine Augen und konzentriere mich auf meine Atmung. Ich weiß, dass ich es die letzten beiden Male über meinen Gesang geschafft habe, meine Umgebung zu erkunden, doch wenn ich jetzt anfangen würde zu singen, würde Kuno es vielleicht hören.

Außerdem war ich die letzten Male immer auf der Eiche. Vielleicht klappt es ja nur bei ihr? Andererseits hatten Tyrians Worte etwas anderes vermuten lassen.

Dennoch flitze ich so schnell und leise ich kann durch den Wald, in der Hoffnung, dass Kuno mich weder hört noch sieht. Er läuft schnell, doch ich bin schneller. Zumindest jetzt, wo er es nicht darauf anlegt mich zu überholen, da er ja noch nicht einmal weiß, dass ich hier bin.

Ich bezweifle jedoch, dass ich ihn von der Eiche aus mit dem Wind erhaschen könnte. Bis jetzt bin ich zwar von dem Baum mit der Luft bis zu dem Weg gelangt, doch das war nur ein kleiner Bereich und wer weiß, ob es mir gelingen würde ihn genau dann an der richtigen Stelle zu erwischen.

Meine Neugierde brennt sich in meine Adern und flattert aufgeregt in meinem Bauch. Ich muss es also von hier aus probieren.

Der Weg befindet sich nur einige Meter parallel von mir und sind durch die schützenden Bäume versteckt. Wenn ich jetzt leise singen würde, dann...

Nein, vielleicht reicht es ja schon, wenn ich flüstere? Das wäre auf jeden Fall besser. Er darf mich nämlich auf keinen Fall hören! 

Ich lasse mich auf die Erde gleiten und lehne mich mit dem Rücken an einen Baum, während ich meine Finger in die Erde grabe.

Das feuchte weiche Moos schmiegt sich wie Wolken um meine Finger und ich fühle ihre zarten Arme, welche mich in eine samtene Umarmung schließen und mich über ihre Wurzeln und Verbindungen zu den Bäumen mit sich in das Erdenreich nehmen wollen.

Ich spüre die Luft durch mich fließen, wie in einem Strom voll geballter Energie, während ich meine Augen schließe und dem sachten Geflüster meiner Umgebung lausche.

Ein leises Rauschen nimmt von mir Besitz ein und ich fühle, wie sich die Melodien um mich herum sammeln und durch mich sprechen wollen.


Vorsichtig öffne ich meine Lippen und achte darauf nur ein leises Flüstern von mir zu geben. Es sind Worte, welche ich nicht verstehe. Eine Sprache die mir fremd und doch vertraut ist und nun hinaus in die milde Waldluft entgleitet.

Sie tastet sich flüsternd vorwärts, nimmt den Wald in sich auf und scheint sich gleichzeitig mit ihm auszutauschen.

Ich spüre die Bäume, die langen Farne auf dem Boden, Steine und Laub, derweil ich mich immer weiter vorwärts Richtung Weg taste. Es dauert nicht lange, bis ich diesen auch erreicht habe und mich konzentriert mit ihm verbinde, um auf feine Erschütterungen zu achten.

Zuerst bemerke ich nur das unterirdische Rauschen der etlichen Wasseradern, welche sich geheimnisvoll durch die Erde ziehen und alles Umliegende mit Leben beschenken. Doch dann dringt eine leise rhythmische Vibration von Laufschritten in den Vordergrund, welche immer mehr an Intensität zunimmt.

Ich brauche nicht lange, um zu erkennen, dass es Kuno ist. Es ist derselbe Takt, in welchem er eben unwissend an mir vorbeigelaufen ist. Mein Puls fließt adrenalingeladen durch meine Adern.

Aufgeregt nähere ich mich wispernd seinen Schritten. Tatsächlich wird der Klang, durch welchen ich mich bewege, bald sachte herumgewirbelt, als ich seine Beine streife, welche sich rhythmisch vorwärts bewegen.

Es ist komisch ihn durch die Luft hindurch wahrzunehmen und ihm auf diese Weise zu begegnen. Ich unsichtbar und eigentlich auch mit meinem Körper gar nicht anwesend und dennoch kann ich das, was ich mit meinem Gesang und meinen Worten streife fühlen.

Das, was ich jedoch wahrnehme stimmt mich etwas betrübt. Die Schuhe... 

Tanz der Dämmerung - Zwischen den Welten ~Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt