18. PS: Keine rote Rosen mehr!

203 26 601
                                    


Am nächsten Morgen fühle ich mich vollkommen ausgelaugt. Der Gewittertanz hatte ziemlich an meinen Kräften gezerrt und danach konnte ich Ewigkeiten nicht schlafen, weil meine Gedanken die ganze Zeit an den Baum, das Blitzgewitter und das Feuer denken mussten.

Ich habe keine Ahnung, wann ich eingeschlafen bin, doch danach hatte ich ziemlich unruhige Träume, an welche ich mich allerdings nicht mehr erinnern kann.

Als ich nachhause gekommen bin, standen die Schuhe von meinem Vater nicht mehr da. Ebenso seine Jacke, was mich vermuten lässt, dass er wieder in seiner Werkstatt schläft, da sich meine Eltern wie es scheint wieder ordentlich gestritten haben.

Durch den leichten Schlaf meiner Mutter ist diese leider aufgewacht, hatte allerdings keinen Verdacht geschöpft, weil sie dachten, ich sei bei Freunden gewesen und hätte mit dem Nachhausekommen einfach gewartet, bis das Gewitter vorbei war.

Zum Glück war sie diesmal zu müde, um zu diskutieren. Meine Erscheinung verwunderte sie zum Glück nicht so sehr, immerhin hatte es ja stark geregnet und die gröbste Erde hatte ich vorher im Bach abgewaschen.

Dann habe ich mich warm geduscht, um ein wenig die Kälte zu vertreiben, was leider nicht wirklich klappte. Jetzt bin ich schon auf dem Weg zur Schule und würde am liebsten sofort wieder zur Lichtung gehen, um nachzuschauen, wie es jetzt dort aussieht.

In meinem Kopf spielen sich immer wieder die Ereignisse von gestern ab und scheinen immer noch nicht so ganz in mein Bewusstsein durchgedrungen zu sein.

Was ist da gestern Nacht eigentlich passiert? Bin ich denn total verrückt geworden? Der Blitz, oder besser gesagt die Blitze sind nur ein paar Meter von mir entfernt in den Baum eingeschlagen.

Ich könnte jetzt genauso gut mausetot sein. Doch anstatt, dass mich diese Tatsache beängstigt, denke ich darüber nach, dass ich unbedingt wissen muss, welcher Baum das gewesen ist.

Wenn ich an den Moment zurückdenke, spüre ich immer noch das zitternde Erbeben, unter meinen Zehen, als die Blitze in die Erde gedrungen sind und merke, wie dieses Beben in meinen Adern nachvibriert.

Ich bin komplett durchgeknallt. Meine Beine fühlen sich immer noch zittrig und schlapp an und ich habe Mühe mich schnell genug zu bewegen.

Als ich an der Kreuzung vorbeilaufe sehe ich einen Obststand mit Kirschen und erinnere mich zum Glück, dass ich ja diesmal etwas für alle mitbringen wollte, da ich letzte Woche fast die ganzen Erdbeeren alleine aufgegessen habe.

Als ich vor der Schule ankomme, stocke ich kurz und stöhne innerlich genervt auf. Nilo steht wieder einmal an der Mauer gelehnt und grinst mir schon von Weitem entgegen.

Ich umklammere den Träger meiner Tasche etwas fester und gehe dann notgedrungen auf ihn zu.

„Hey meine süße!" Seine Stimme hat einen schokoladigen Tonfall, woraufhin er sich von der Mauer abstößt und mir entgegenkommt. Ich beschleunige unwillkürlich mein Tempo.

Mir schießt in den Kopf, was gestern beinahe passiert wäre und frage mich, was Nilo jetzt wohl denkt. Wie es aussieht, hat er meine Flucht keineswegs als Abweisung registriert. So kann das nicht weitergehen!

„Nilo, ich glaube, wir müssen da etwas klarstellen!", sage ich und bin sehr dankbar, über meinen festen Tonfall. Sein Lächeln verschwindet, doch er hält nicht an. „Ich bin nicht deine süße!" Erkläre ich, mit Betonung auf die letzten Worte.

Frustriert stelle ich fest, dass ihm diese kein bisschen zu berühren scheinen. „Bist du dir da sicher?", fragt er mich stattdessen, während sein Gesichtsausdruck nichts über seine Gefühlslage zu verraten scheint.

Tanz der Dämmerung - Zwischen den Welten ~Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt