45. Fata Morgana

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Nach endlosen Irrwegen und falschen Einbiegungen schaffe ich es endlich auf eine Straße zu gelangen, die ich kenne, sodass ich ungefähr weiß, wo ich lang muss.

Ein paar Augenblicke später stehe ich vor unserem Haus und starre auf die Eingangstür. Steves Auto steht nicht hier, was wohl heißt, dass er noch nicht da ist, obwohl er heute normalerweise schon früher Schluss hätte.

Ich schaffe es nicht einzutreten, egal wie lange ich davorstehe. Der Schreck von eben sitzt mir immer noch im Nacken. Was war das vorhin bei Kuno? Dieser Moment. Wie kam es überhaupt dazu? Und... war ich etwa wirklich in seinem Haus?

Irgendwie lässt mich dieses verwirrende Gefühl nicht mehr los, welches ich, seit dem seltsamen Augenblick auf dem Sofa in mir verspüre. Eines, welches mich ziemlich beunruhigt. Was hat Kuno an mir erfasst, was ihn so verwirrt? 

Ob er irgendwie gemerkt hat, dass ich anders bin als die normalen Menschen? Anders kann ich mir seinen Blick nicht erklären.

Und dann die Begegnung mit dem Mann, welcher sein Vater sein muss. Jetzt weiß ich, woher er manchmal diese Kälte hat.

Mir ist erst viel später aufgefallen, weshalb er mir so bekannt vorkam. Dieser Mann ist schließlich unser Bürgermeister. Mir schaudert bei diesem Gedanken.

Wieso bin ich überhaupt mit zu ihm reingegangen?

Andererseits war Kuno ja dieses Mal sogar außergewöhnlich nett und hat sogar versucht mich zu trösten, auch wenn ich keine Ahnung habe wieso.

Ich spüre immer noch das Gefühl seiner Arme auf meiner Haut, als er mich umarmt hat. Der Schauder, der zärtlichen Berührungen seiner Finger auf meinem Rücken.

Wieso hat Kuno mich getröstet und mir zugeredet? Vielleicht hat er auch sogar recht mit dem, was er gesagt hat und mein Vater braucht wirklich nur etwas Zeit die Informationen zu verdauen?

Wieder sehe ich hinauf in den vierten Stock. Selbst wenn ich wollte, könnte ich mich im Augenblick keinen Schritt in diese Richtung bewegen. Wieso habe ich eigentlich so eine große Angst davor, dass er mich abweisen wird?

Ich fühle in mir irgendwie eine Verbindung zwischen meiner Angst und dem, was ich früher oft bei meiner Mutter erlebt hatte. Sie hatte mich so oft abgewiesen, ohne es bewusst zu wollen.

Sie hatte mich nicht als ihre Tochter sehen können, oder als diese Tochter, dessen Vater sie nicht in mir sehen wollte.

Auch wenn sie mich auf irgendeine Weise liebt, hat es sie dennoch immer geschmerzt, wenn sie das in mir erkannt hat, was sie nicht in mir sehen wollte.

Ich habe so unglaublich große Angst, dass mich nun auch noch mein Vater so ansehen wird. Was, wenn er in mir jetzt immer den Mann sieht, welcher mein leiblicher Vater ist, genau wie bei meiner Mutter? Wenn somit unsere Vater-Tochter-Verbindung zerstört wurde?

Der gewaltige Kloß hat sich wieder in meinen Rachen gefressen und scheint mich regelrecht zu erdrücken. Ich muss hier weg!

Als ich nach einiger Zeit auf der Lichtung ankomme, hat es inzwischen aufgehört zu regnen und die Sonne schiebt sich gerade durch die immer lichter werdende Wolkendecke.

„Tyrian?"

Ein leichter Luftzug streift über meine Wange und trocknet somit die verbliebenen Tränen, welche sich inzwischen wieder klammheimlich hervor gestohlen haben.

Ich lasse mich ausgelaugt neben die Esche gleiten. Die Wiese ist zwar nass, doch das stört mich nicht, da ja auch ich ohnehin schon vollkommen durchweicht bin.

Plötzlich stiehlt sich wieder Kuno in meine Gedanken. Er wollte mir trockene Sachen geben. Zumindest hatte er sowas behauptet. Ich seufze. Das hätte jetzt ohnehin nichts genützt.

Tanz der Dämmerung - Zwischen den Welten ~Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt