48. Schorf und Tränen

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POV Kuno:

„Und hast du Miranda schon gefragt, ob sie mit dir zur Verlobungsfeier geht?" 

Hendrik wirft mir einen ernsten, vielsagenden Seitenblick zu, während er sich seine Krawatte zurechtlegt. Ich starre ihn abwesend an, ohne genau zu wissen, weshalb eigentlich.

„Miranda ist für mich eher sowas wie eine nette Bekannte", sage ich, während sich die allgegenwärtige Spannung wieder im Raum ausbreitet.

„Das ist gut, vielleicht könnt ihr euch ja dann etwas näher kommen. Du weißt, ihre Familie steht weit in unserer Gunst. 

Miranda ist ein schönes, nettes und dazu sehr intelligentes Mädchen, was in dieser Summe nicht allzu häufig vorkommt!"

„Tja zu schade dann, dass du schon verheiratet bist". Hendrik wirft mir einen finster tadelnden Blick zu.

„Junge, wann wirst du endlich mal kapieren, dass es im Leben nicht immer alles nach deiner Schnauze tanzt?! Wann bekommst du endlich annähernd so etwas wie Pflichtbewusstsein?"

Seine Tonlage ist triefend vorwurfsvoll, was mich jedoch nicht mehr ansatzweise berührt. Zumindest rede ich mir das immer wieder ein. Ich balle meine Hände in den Hosentaschen zu Fäusten.

„Du brauchst eine Begleitung für die Feier und Miranda wäre mehr als passend dafür! Ich erwarte von dir, dass du dich darum bemühst, sie als deine Begleitung zu erlangen und vor allem..." Er stockt und lässt seinen Blick abfällig über mich schweifen.

„Dass du dich anständig benimmst. Sei ausnahmsweise mal freundlich und versuche dich bitte nicht kurz vor der Feier wieder zu prügeln. 

Dieses Auftreten wäre wirklich ruinierend und würde auch meinen Ruf in den Dreck ziehen. Sowas kann ich mir nicht leisten. Du weißt, dass die ganze Presse da sein wird!"

Ich beiße fest meine Zähne aufeinander. „Aber sicher doch, ich verspreche erst wieder ein nichtsnutziges Arschloch zu sein, wenn diese beschissene Party vorüber ist!"

„Pass auf, wie du redest! Es handelt sich immerhin um die Hochzeit deiner Cousine!", sagt er mit emotionsloser Miene und zupft seine Ärmel zurecht.

„Stiefcousine!", berichtige ich ihn, was er jedoch nicht weiter quittiert. 

Mit einem zynisch angespannten Grinsen im Gesicht sehe ich meinem Onkel dabei zu, wie er seine Aktenunterlagen von der kleinen überteuerten Antiquitätenkommode nimmt und sich unter den Arm klemmt.

„Von mir aus kannst du machen, was du willst, das interessiert mich einen Scheißdreck, solange du dich in der Öffentlichkeit anständig verhältst! Du repräsentierst immerhin mit unseren Namen!"

Ich unterdrücke mir ein Schnauben. Das war so klar.

„Nur keine Sorge. Natürlich werde ich mich gegenüber den erhabenen Herrschaften angemessen betragen und deinem guten Ruf als Bürgermeister und Gott dieser Stadt durch mein schäbiges, abscheuliches Benehmen keine weiteren Beine stellen und das ach so perfekte Image beflecken".

Anstatt zu antworten, wirft er mir einen stechend kalten Blick zu, welcher sich wie Eiszapfen in meine Brust bohren will, es nach all den Jahren jedoch nicht mehr so richtig schafft.

Dafür ist die Eisschicht, welche sich über all die Zeit schon darin angesammelt hat, viel zu dick. Ich fühle lediglich etwas unangenehm drückendes in meiner Lunge. Dieser Blick macht mir nur allzu deutlich, was er von mir hält.

Ein nichtsnutziger Haufen Dreck. Wie wahr. 

Ich drohe immer Gefahr, das gesamte Image der sonst ach so makellosen, reichen, gutaussehenden und überaus erfolgreichen Familie Millard zu beschmutzen, dessen Oberhaupt sich höchstpersönlich gutherzig um die Anliegen der Stadtbevölkerung kümmert.

Tanz der Dämmerung - Zwischen den Welten ~Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt