21. Mitteilung an die Freunde, oder sonstige Beziehungen

190 25 545
                                    

Nachdem ich den Ring von meinem Finger bekommen hatte, fluteten all meine Sinne wieder auf mich ein, sodass ich für einen Moment, nochmal Bekanntschaft mit dem Boden machte. Danach habe ich mich aufgerappelt, meine Tasche geschnappt und bin augenblicklich los in den Wald gestürmt.

Jetzt tue ich etwas, was ich erst einmal in meinem Leben so richtig nötig gehabt hatte. Ich grabe meine Füße bis zu den Waden in den kühlen, lockeren, feuchten Waldboden, sodass die lebendigen leuchtenden Ionen auf mich übergehen können.

Mit geschlossenen Augen lausche ich dem Rascheln der Blätter und den summenden Klängen der Erde, des Windes und der Bäume um mich herum.

Ich merke wie sich Erleichterung in mir breitmacht, wieder von Leben erfüllt zu sein, welches dieses Gefühl, die Panik und Leere von eben mit sich nimmt, sodass ich schließlich etwas aufgeladener und mit summenden Melodien erfüllt dastehe und mich hingebungsvoll in die Arme der Natur fallen lasse.

Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat, bis das Surren meines Handys eine eingegangene Nachricht ankündigt und mich somit zurück in die Zeiten-Realität befördert.

Mir entflieht ein Seufzen. Inzwischen bin ich viel zu spät. Die Schule hat bereits begonnen. Schweren Herzens buddele ich mich wieder aus der Erde und streife den gröbsten Schmutz mit meinen Händen ab.

Dann laufe ich an dem kühlen Bach vorbei, welcher inzwischen mit dem Wasserspiegel schon wieder etwas gesunken ist und wasche alles gründlich ab. Das frische Nass belebt zusätzlich meine müden Glieder, sodass es mir danach etwas leichter fällt weiter zu laufen.

Während ich an den Bäumen, Büschen und Halmen der Gräser vorbeilaufe, streiche ich immer wieder mit meinen Fingerspitzen an ihnen entlang, sodass sich unsere Energien austauschen und ein summendes Rauschen meine Sinne erfüllt.

Mein Herz pocht kräftig in meiner Brust und die Gerüche sind voller Leben. Ich atme immer wieder bewusst und kräftig ein, als wolle ich mich vergewissern, dass auch wirklich alles wieder da und in Ordnung ist.

Nachdem ich meinen Weg durch den Wald zur Schule gelaufen bin, geht es mir wieder etwas besser, auch wenn es sich immer noch so anfühlt, als wäre ich gar nicht wirklich da. Meine Gedanken schweifen die ganze Zeit zu diesem Gefühl der Leere, welche so unglaublich beängstigend war.

Wenn ich davon ausgehe, dass ich nicht verrückt bin, was ich nach dieser Erfahrung inzwischen tatsächlich sogar realistischer finde, als die Option, dass es so wäre, was hat das dann zu bedeuten?

Ich habe keine Ahnung. Nach einer Weile wandern meine Gedanken zu der sonderbaren Lichtung, welche seit dem Gewitter plötzlich diese unglaublich wärmende Präsenz ausstrahlt und der Wind sich so anders verhält, als ich es von ihm gewohnt bin.

Ohne überhaupt mitzubekommen wie, sitze ich plötzlich zur zweiten Unterrichtsstunde an meinem Tisch in der Schule und habe ein unausgefülltes Blatt vor mir, welches mich schadenfroh mit klaffend leeren Feldern angrinst.

Ich starre auf die schwarze Schrift vor mir und überlege, um was es eigentlich nochmal geht. Vielleicht schaffe ich es ja, irgendwelche hilfreichen Fetzen der Erinnerung meines Unterbewusstseins ausfindig zu machen.

Manchmal hatte dies schon geklappt, denn mein Unterbewusstsein nimmt die Informationen auf, auch wenn meine Aufmerksamkeit oft ganz woanders liegt. Doch dazu muss ich erst einmal in mein Unterbewusstsein dringen und die richtigen Fetzen hervorholen!

Allerdings habe ich das Gefühl, umso krampfhafter ich versuche dort etwas zu finden, desto mehr verstecken sie sich. Ich seufze wieder innerlich und zwinge meine Gedanken dazu, nicht schon wieder zu der Lichtung, oder dem schwarzen Nichts zu schweifen, welches sich jetzt sicher eher kontraproduktiv auf das leere Blatt vor mir auswirken würde. 

Tanz der Dämmerung - Zwischen den Welten ~Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt