TW: addiction, drug abuse, resuscitation
Das Spiel war intensiv. Die beiden Mannschaften schenkten sich nichts und Julian musste gezwungenermaßen so viel rennen, dass ihm nach kurzer Zeit schon seine Beine zitterten. Bereits kurz nach dem Anpfiff ging das Team von Leverkusen in das Pressing über. Die Dortmunder hatten Schwierigkeiten überhaupt in die gegnerische Hälfte zu kommen. Kai war mit Abstand der stärkste Spieler auf dem Platz. Julian, der Kai ununterbrochen beobachtete, fiel das sofort auf. Kai hatte etwas an sich, dass Julian schon zu Leverkusen-Zeiten ins Auge gesprungen war. Eine Durchsetzungsfähigkeit, den Willen zu gewinnen und eine beachtenswerte Kontrolle am Ball. Es schien, als machte er das Spiel ganz alleine. Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit bewegte er sich kreuz und quer über das Spielfeld und ließ dabei alle Dortmunder Abwehrspieler hinter sich zurück. Die Schnelligkeit sah dabei in keinster Weise gehetzt aus. Kai strahlte sogar im Vollsprint eine Ruhe aus, die auch Julian beim zugucken beruhigte.
Doch es war nicht seine Aufgabe Kai dabei zuzugucken, wie er den Ball kontrolliert in ihren Strafraum beförderte. "Jule los, Zweikämpfe!" Schrie ihr Trainer vom Spielfeldrand. Julian riss sich aus seiner Trance und begann anzulaufen. Immer und immer wieder. Der Schweiß rann ihm über die Stirn und seine Wahrnehmung wurde immer verschwommener und verschwommener. Gerade als Julian wieder auf einen der Leverkusener zurannte, der auf das Dortmunder Tor zupreschte, hörte er einen lauten Pfiff. Der Pfiff durchdrang sein Trommelfell und ließ ihn zusammenzucken. Das Dröhnen in seinem Kopf wurde lauter. Währenddessen hielten auch die anderen Spieler inne und sahen sich um. Emre und einer der Leverkusener Abwehrspieler waren zusammengestoßen und Emre lag mit schmerzverzerrtem Blick auf dem Boden. Der Schiedsrichter und einige andere Spieler versammelten sich daraufhin um das Geschehen. Julian blieb etwas abseits stehen und ging in die Knie. Sie zitterten und er begann schwarze Punkte zu sehen. Alles drehte sich und...
"Alles okay?" Kai stand vor ihm und ging ebenfalls in die Knie. Er sah Julian besorgt an. Einen Moment blickte Julian in Kais Augen. Sie wirkten so lieb und vertrauenswürdig. Julian wusste, dass Kai für alles Verständnis hatte, was er ihm erzählen würde und alles für sich behalten würde. Aber das war es nicht, was Julian in diesem Moment davon abhielt, Kai die Wahrheit zu sagen. Er hatte Kai spielen gesehen, hatte gesehen wie sehr er sich verbessert hatte. Kai würde es weit bringen und das wussten wohl alle, die ihm heute beim Spielen zusahen. Julian dagegen war kaputt. Für ihn gab es nichts mehr. Für ihn ging es nicht mehr weiter. Kai sollte nichts davon abbekommen. Er hatte es sich verdient sorglos das Spiel zuende zu spielen, bei dem bestimmt eine Menge wichtige Leute zuguckten, die über seine Zukunft entscheiden würden. Julian riss sich zusammen und stand mit wackeligen Knien auf. Er wollte nicht schwach sein. Er wollte Kai nicht mit runterziehen. "Ja alles gut, mir geht's gut" sagte er deshalb. Kai sah ihn zwar zweifelnd an, aber in diesem Moment pfiff der Schiedsrichter wieder und das Spiel wurde fortgesetzt.
Julian quälte sich erschöpft und komplett realitätsfern weiter. Vollzog alle seine Sprints und lief immer weiter auch wenn er wusste, dass er nicht mehr konnte. Der Pfiff zur Halbzeit war deshalb wie eine Erlösung. Julian stolperte nur benommen vom Platz und durch die Katakomben in die Kabine. Er setzte sich und starrte mit leerem Blick in die Luft. Schon wieder sah er tanzende schwarze Punkte vor seinen Augen. Sie wurden größer und größer und Julian wusste, dass sein Kreislauf kurz davor war den Geist aufzugeben. In diesem Moment kamen Marco und ihr Trainer in die Kabine und begannen mit der Halbzeitanalyse. Abwesend kaute Julian dabei auf seiner Lippe herum und konzentrierte sich mit aller Kraft darauf im Hier und Jetzt zu bleiben. "....müssen wir Havertz im Auge behalten" Julian blickte auf, als er Kais Namen hörte. Sein Trainer, der gerade die Taktik für die zweite Halbzeit erklärte, sah ihn eindringlich an. "Wir müssen vor allem stärker in die Zweikämpfe gehen!" Julian senkte daraufhin beschämt den Kopf. Er wusste selbst, dass er unterirdisch schlecht spielte und er hatte ein schlechtes Gewissen deswegen. Während sein Trainer weiterredete, konzentrierte sich Julian einzig und allein auf seine Atmung und versuchte diese so regelmäßig wie möglich durchzuführen. Er musste jetzt alles geben, dass war er seinem Verein schuldig.
Aus diesem Grund ließ Julian seine Hand nun unauffällig in seine Tasche gleiten. Er hatte die Tabletten vorsorglich mitgenommen und versuchte nun, sie so unauffällig wie möglich aus seiner Tasche herauszuholen. Er drehte sich leicht weg und tat so, als würde er etwas suchen. Mit einer Hand nahm er dabei zwei Tabletten aus seiner Tasche und schluckte sie direkt herunter. Anschließend trank er aus seiner Flasche um die Handbewegung zu kaschieren. Er sah sich um. Niemand schien etwas bemerkt zu haben. Nur Marco blickte ihn kurz an, sagte aber nichts. Julian lehnte sich zurück, schloss die Augen und atmete tief durch. Das Atmen fiel ihm schwerer als sonst und er spürte wie das Gefühl der Trance, das von den Tabletten verursacht wurde, seinen Körper in Besitz nahm.
Nach ein paar letzten ermutigenden Worten ihres Trainer, machte sich die Mannschaft von Dortmund wieder auf den Weg auf das Spielfeld. Kai lächelte Julian vor dem Anpfiff noch einmal kurz zu und dieser versuchte das kläglich zu erwidern. Das Dröhnen in seinem Kopf hatte von jetzt auf gleich stark zugenommen und Julian war schlecht. Es fühlte sich außerdem so an, als würde ein schweres Gewicht auf seinem Brustkorb lasten.
Die zweite Halbzeit begann und Julian rannte. Er rannte mehr, als er körperlich in der Lage war zu rennen. Blendete alles andere aus. Schon bald gelang es ihm den Ball zu bekommen. Er sah sich hektisch um. Kai stand direkt vor ihm. Julian gelang ins Straucheln. Er sah Kai an und Kai sah Julian an. Einen kurzen Moment vergaß Julian, dass sie auf einem Fußballfeld standen. Alles erschien ihm so surreal. Er zögerte einen Moment zu lange. Ein Spieler von Leverkusen kam im Vollsprint auf ihn zu und nahm ihm den Ball ab. Wütende Rufe der Fans füllten das Stadion. "Julian, rennen! Du bist bei Dortmund, Kai ist nicht mehr in deinem Team!" Hörte Julian in diesem Moment seinen Trainer am Spielfeldrand rufen.
Die Worte trafen ihn, weil sie wahr waren. Julian und Kai spielten nicht mehr zusammen. Würden es vielleicht nie wieder. Es auf diese Weise ins Gesicht geschrien zu bekommen, traf Julian. Einen kurzen Moment war er irritiert und vergaß zu Atmen. Nur einen kurzen Moment kam er aus dem Rhythmus. Doch plötzlich wurde aus diesem kurzen Moment ein langer Moment. Julian bekam keine Luft mehr. Es war als hätte er vergessen wie man atmete. Panisch schnappte er nach Luft. Das Gewicht auf seiner Brust wurde schwerer und schwerer. Er japste und ging in die Knie. Er wollte um Hilfe rufen, doch aus seinem Mund kam nur ein leichtes Röcheln. Er wollte seinem Trainer signalisieren, dass etwas nicht stimmte, doch er konnte sich nicht bewegen. Der Sauerstoffmangel ließ ihn die schwarzen Punkte wieder sehen. Dieses Mal wurden sie größer und größer. Er verlor sämtliches Gespür für seinen Körper. Merkte nicht, wie er fiel. Spürte nur entfernt den Rasen unter ihm. Es war, als ob die Realität immer mehr in eine weite Ferne rückte.
Unterbewusst nahm Julian wahr, dass das Spiel unterbrochen wurde. Vielleicht wurden seine Hilferufe ja doch gehört. Er nahm wahr, dass Menschen auf ihn zuliefen. Jemand kniete neben ihm. Er hörte seinen Namen und spürte eine Hand. Eine warme Hand. Vielleicht war es Kais Hand. Julian wünschte sich es wäre Kais Hand. Mit diesem Wunsch verschwomm alles und eine schwarze Leere umgab Julian. Dieses Mal war er weg aus der Realität. Dieses Mal hatte er aufgehört zu atmen. Dieses Mal würde er sterben, da war er sich sicher.
Heyy, also vorweg erstmal danke an @hockey__ für die Inspiration zu diesem Kapitel🙏🏻, das weiß ich wirklich zu schätzen und auch danke generell an alle für die Votes <3
Ja also das war bis jetzt glaube ich eines der schwersten Kapitel zu schreiben, ich hoffe es war nicht zu tragisch :(
Ich wollte das ja alles so realistisch wie möglich machen und hab nochmal ein bisschen über die Risiken von den Schlafmitteln, die Julian nimmt, recherchiert. Also jetzt kommen ein paar medizinische Fakten haha.Die Benzodiazepine machen extrem abhängig und können nicht einfach so abgesetzt werden. Aus diesem Grund nimmt Julian sie auch die ganze Zeit, obwohl die negativen Auswirkungen ja auch für ihn spürbar sind. Die Tabletten stören sowohl das Konzentrationsvermögen, als auch die Wahrnehmung der Realität und das Reaktionsvermögen. Die gefährlichste Nebenwirkung ist allerdings die Dämpfung des Atemzentrums im Gehirn.
Dies kann zu einem Atemstillstand führen, wie es hier bei Julian der Fall ist.
Bei einem Atemstillstand, sind einige Symptome ein Druckgefühl auf der Brust und Schwindel bzw. Bewusstlosigkeit. Wenn ein Atemstillstand nicht schnell genug behandelt wird kann er logischerweise auch zum Tod führen es ist also wirklich eine sehr gefährliche Nebenwirkung...Das waren jetzt die Fakten, auf denen ich das Kapitel aufgebaut habe also ich hoffe, dass ist halbwegs schlüssig haha
Danke fürs lesen <3
DU LIEST GERADE
I just wanna feel again ~ Bravertz
Fanficfüh·len /fǘhlen/ schwaches Verb mit dem Tastsinn, den Nerven wahrnehmen; körperlich spüren "einen Schmerz, die Wärme der Sonne fühlen" Tastend prüfen, feststellen "[jemandem] den Puls fühlen" seelisch empfinden "etwas instinktiv fühlen" Tastend nac...