Paparazzi

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Als sich die Morgendämmerung durch einen hellrosa Streifen im Osten der Stadt ankündigte, war Julian völlig gerädert. Er war die ganze letzte Nacht wachgeblieben und hatte versucht sich selbst zu beruhigen. Das hatte allerdings nur semi-gut funktioniert. Er fühlte sich wie fremdgesteuert. Die letzten Nächte steckten ihm in den Knochen und der Schlafmangel machte sich deutlich bemerkbar. Verzweifelt schlug Julian seinen Kopf an die Wand hinter ihm. Er wollte einfach nur schlafen, wollte sich entspannen aber sein Körper schien andere Pläne zu haben. Eine innere Unruhe hatte sich in ihm breit gemacht und schien ihn von innen heraus zu befallen. Sein Herz schlug schneller als gewöhnlich und auch sein Puls war, wie seine Trainingsarmbanduhr ihm verriet, etwas zu hoch.

Doch er hatte keine Zeit sich auszuruhen. Für heute Nachmittag hatte sein Trainer gestern Abend noch ein kurzfristiges Training angesetzt. Mit der Begründung, das grottenschlechte Spiel von gestern analysieren zu wollen. Schlappmachen durfte Julian also nicht. Er hatte gestern einen Entschluss getroffen.
Die ganzen Kommentare im Hinterkopf, hatte er sich vorgenommen, nie wieder irgendjemandem einen Grund zu geben so etwas über ihn zu sagen. Nie wieder wollte er sich so fühlen wie am gestrigen Tag. Nie wieder.

Doch um diesen Plan umzusetzen war es wohl oder übel notwendig, dass er sich aufsetze und anfing zu trainieren. Und auch sein verbundener Fuß konnte ihn nicht davon abhalten, von dem spürte er eh nicht viel.

Nach einem kurzen Seufzen, stütze er sich an der Wand hinter ihm ab und stand umständlich auf, um seine Küche das erste Mal seit gestern Abend zu verlassen. Sein Küchenboden war zwar ein ungemütlicher Ort gewesen, um die Nacht zu verbringen, aber besser als sein Bett und die Albträume und bösen Gedanken, die dort auf ihn warteten, war er alle mal.
Doch als Julian auf den Beinen war drehte sich alles und er musste sich an seiner Wand abstützen um nicht gleich wieder umzukippen. Was war denn bloß los mit ihm in letzter Zeit? Dachte er verzweifelt. Langsam machte ihm das ganze wirklich Angst. Warum reagierte sein Körper so auf seine neuen Lebensumstände? Warum hatte er ständig Angst? Warum konnte nicht einfach alles aufhören?

Als sich Julian wieder gefangen hatte, ging er, darauf achtend keine zu schnellen Bewegungen zu machen, in sein Ankleidezimmer.
Wenn er etwas ändern wollte musste er auch wirklich hundertprozentig alles geben, was er konnte. Er schnappte sich ein paar halbwegs zusammen passende Sportklamotten aus seinem Kleiderschrank und beeilte sich, nachdem er noch schnell einen Kaffee getrunken hatte, aus der Wohnung heraus zu kommen.

Der Kaffee tat gut und das Koffein brachte Julian die nötige Konzentration seine Beine zu bewegen und nicht wieder hinzufallen. Er ließ es trotzdem eher langsam angehen. Da er heute auch noch Training hatte, wollte er sich seine Kräfte besser einteilen.
Es war noch früh und Julians Atem war in den blassen Strahlen der aufgehenden Sonne wolkenartig zu sehen. Es war noch keine Menschenseele auf den Straßen Dortmunds unterwegs, was vielleicht auch besser so war, dachte Julian. Er wollte jetzt alleine sein. Zu groß war die Angst, dass man ihm die letzte Nacht, die verquollenen Augen und die roten Flecken auf seiner Haut, die von den Tränen stammten, schon auf 10 Meter Entfernung ansah.

Julian schlug einen Weg ein, von dem er sich erhoffte, ungestört bleiben zu können und joggte in gemächlichem Tempo weiter. Es war schon lustig, dass er jetzt hier langjoggte und das auch noch früh am Morgen und freiwillig. Normalerweise war Julian vor 10 Uhr nicht aus dem Bett zu kriegen und alle Versuche von Kai, ihn zu Leverkusen-Zeiten zum Joggen zu bewegen, waren kläglich gescheitert. Julian musste bei der Erinnerung an Kai, der vor seinem Hotelbett stand und ihn mit allem abwarf, was er finden konnte nur um ihm wenigstens ein Geräusch zu entlocken, lächeln.
Kai war jeden Morgen Joggen gegangen, eine der Angewohnheiten, die Julian am nervigsten an dem Jüngeren fand, aber auch am bewundernswertesten.
Diesen Ehrgeiz brauchte Julian jetzt allerdings auch, wenn er sich hier in Dortmund beweisen und durchsetzen wollte. Und das wollte er. Er wollte es um jeden Preis.

I just wanna feel again ~ BravertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt