A Young Man Built To Fall

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TW: mentioning of addiction

Benzodiazepine Nebenwirkungen bei medizinisch unbeobachteter Einnahme/Entzug:
Albträume, Halluzinationen, Panikattacken, Angstzustände

"I still get nightmares. In fact, I get them so often I should be used to them by now. I'm not. No one ever really gets used to nightmares."
- House of Leaves

Dunkelheit. Nichts als Dunkelheit. Ein erleuchtetes Stadion, umhüllt von der Nacht, die alles zu verschlucken schien. Die Sterne waren aufgrund der Scheinwerfer nicht zu sehen. Aber Julian wusste, dass sie da waren. Das reichte ihm. Die Sterne waren das Einzige, an das er dachte. Die Sterne im Himmel, weit weg von all den Problemen auf der Erde. Ein faszinierender Gedanke. Er ertappte sich dabei, wie er sie um ihren Platz beneidete. Er wollte auch nicht mehr hier sein.
Er hatte keine Angst mehr. Julian war nicht mehr nervös. Vielleicht hatte sich alles gelohnt. Vielleicht hatte alles am Ende doch etwas Gutes gebracht. Vielleicht war seine Angst endlich weg. Für immer.
Julian nahm die Tabletten wieder regelmäßig. So regelmäßig, wie es ihm möglich war. Mal weniger, mal mehr. Häufig war es mehr. Es war fast immer mehr. Er wusste nicht, ob Marco davon wusste. Vielleicht. Julian bekam wenig von seiner Außenwelt mit. Es verschwamm alles immer mehr. Vielleicht würde irgendwann alles weg sein. Vielleicht würde er irgendwann nie wieder klar sehen können. Vielleicht war das der Gedanke, der für Julian alles erträglicher machte.
Wäre alles anders, hätte Julian sich auf diesen Tag gefreut. Wäre alles anders, wäre er nervös gewesen. Vor ihm lagen zwei entscheidende Ereignisse.
Es war aber nicht alles anders, es war alles gleich. Julian freute sich nicht auf diesen Tag. Er freute sich nicht auf den nächsten. Und auch nicht auf den danach. Er war nicht nervös. Aber er wusste, was passieren würde.
Irgendwo in der Unklarheit seiner wirren Gedanken, hatte er es mitbekommen. Sie hatten ein Spiel. Heute. Inmitten der Dunkelheit. Ein besonderes Spiel. Ein Spiel in der Championsleague. Ein Spiel gegen Chelsea. Und das war nicht alles. Der Bundestrainer war heute im Stadion, und morgen würde er den Nationalkader bekanntgeben, in dem Julian seinen Stammplatz schon vor langer Zeit verloren hatte.

Irgendwo in seinem Unterbewusstsein wusste Julian, dass alles um ihn herum nicht real war. Ihm erschien in letzter Zeit zwar alles unwirklich, aber so verzerrt wie in diesem Moment, konnte das alles nicht echt sein. Vielleicht wollte er seinen eigenen Albtraum aber auch gar nicht wahrhaben. Vielleicht fand er in letzter Zeit Gefallen an seinen Albträumen. Weil sie immer gleich endeten. Sie endeten immer mit Kai. Und Julian brauchte das gerade. Er brauchte Kai.
Er sah das Stadion. Er sah Marco neben ihm. Er fühlte dessen Arm auf seiner Schulter und es fühlte sich alles so echt an, dass Julian vergaß, dass es das nicht war. Er vergaß alles und ließ los auf dem Weg sich in seinem eigenen Traum zu verlieren.

Marco redete mit ihm, seine Stimme war gedämpft und Julian hatte Schwierigkeiten sie zu verstehen. ".... dass es dir nicht gut geht, aber ich will dir etwas zeigen" er sagte noch mehr. Aber Julian hörte nicht zu. Seine Gedanken drifteten wieder ab, weil er wusste, dass Kai irgendwo in diesem Stadion war. Sie waren nach so langer Zeit wieder am gleichen Ort. Er spürte ein Ziehen in seinem Inneren. Ein Verlangen. Er musste Kai sehen, noch bevor das Spiel begann. Marco zog ihn hinter sich her und wirkte dabei nervös. Er schien auf etwas zu warten. Auf einen ganz bestimmten Moment. Und dieser kam. Während ihre Mitspieler den Gang in Richtung Kabine betraten, zog Marco Julian in die entgegengesetzte Richtung, so schnell, dass niemand ihr Verschwinden bemerkte.
Sie gingen einen weiß gestrichenen, kahlen Gang entlang in dem jede Tür, die zu einem der angrenzenden Räume führte, identisch zu der daneben aussah.
Eine dieser Türen öffnete Marco und zog Julian hinter sich her. Julian wusste, was dahinter sein würde. Das Ziehen in seinem Inneren verriet es ihm. Es war der gleiche Traum wie in der letzten Nacht. Wie in der davor. Und in der vor den beiden.

I just wanna feel again ~ BravertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt