"The color blue represents both the sky and the sea and is associated with open spaces, freedom, intuition, imagination, inspiration, and sensitivity. Blue also represents meanings of depth, trust, loyalty, sincerity, wisdom, confidence, stability, faith, and intelligence."
Es war ein schrecklicher Anblick. Kai stand in der Tür des Zimmers.
Julian kannte Kai schon lange, er hatte immer gedacht, all seine Emotionen in und auswendig zu kennen. Er hatte sich geirrt. Er hatte Kai noch nie hilflos gesehen. Nicht wirklich. Kai strahlte immer eine Ruhe aus, eine Gewissheit, die es auch in schlimmen Situationen so wirken ließ, als hätte er sich im Griff. Als hätte er alles im Griff. So hilflos wie in diesem Moment, hatte Kai noch nie ausgesehen. Julian wollte seinen Blick am liebsten abwenden. Er wollte diesen Anblick für immer vergessen. Jetzt wirkte es zum ersten Mal so, als würde auch Kai die Kontrolle verlieren, Kai, Julians letzter Anker, schien sich in diesem Moment von dem Boden der Kontrolle zu lösen. Für diesen einen Moment.
Und Julian realisierte, dass er am Tiefpunkt angekommen war. Er saß auf dem Boden des Hotelzimmers in dem Chaos, das er selbst kreiert hatte. Tiefer konnte er nicht mehr sinken. Und zum ersten Mal sah Julian selbst, wie schlecht es ihm eigentlich ging.Sie sahen sich an. Beide geschockt von dem Anblick, der sich ihnen bot.
Kai fing sich als erster wieder. Und es geschah das, womit Julian am wenigsten gerechnet hatte. Kais Gesichtsausdruck wurde weicher. Er schloss vorsichtig die Tür und wandte sich Julian zu. Er sagte nichts. Langsam, kam er näher. Er senkte seine Haltung und setzte sich zu Julian auf den Boden. Er war bei ihm. Er war bei Julian als dieser am Boden war.
Er nahm zögerlich Julians Hand. Sanft strich er über seinen Handrücken. Julians Hand zitterte leicht, aber Kai hielt sie fest.
"Jule..." Seine Stimme war leise. Vorsichtig. Er strich mit seinem Daumen über Julians Handrücken. Er sah ihn an.
In diesem Moment war es schwer zu sagen, wer von ihnen beiden aus traurigeren Augen heraus, in die des anderen blickte.
"...was ist passiert?". Kais Stimme war sanft. Es schwang keinerlei Vorwurf darin. Er schien Julian zuhören zu wollen. Er war besorgt. Das sah Julian. Und er wollte ehrlich sein. Er wollte Kai die Wahrheit sagen, weil er es nicht mehr aushielt. Er hielt es nicht mehr aus immer und immer wieder zu lügen. Sich selbst und alle um ihn herum zu quälen. Er war körperlich und mental am Ende. Sie würden es ohnehin bald herausfinden. Sie würden die Tests auswerten und herausfinden, dass etwas nicht stimmte. Er wollte, dass Kai es als erster erfuhr. Er wollte einmal ehrlich sein. Bevor es zu spät war.
Er wollte Kai alles erzählen.
Wie sehr er gelitten hatte, nachdem er nach Dortmund gegangen war. Wie er das Gefühl gehabt hatte, mit Kai das Wichtigste in seinem Leben für immer verloren zu haben. Wie er alleine gewesen war. Wie alle gegen ihn waren. Wie er nichts und niemanden hatte. Wie er nicht mehr schlafen konnte. Wie verletzt er gewesen war, nachdem Kai gegangen war. Wie er ihn gehasst hatte. Wie er ohne die Tabletten nicht mehr leben konnte. Wie leid ihm alles tat.
Er wollte all das sagen und noch so viel mehr. Er wollte, dass Kai wusste, wie er sich gefühlt hatte. Er wollte, dass Kai alles wusste.
Am liebsten wollte Julian, dass Kai all das wusste, ohne, dass er es ihm sagen musste. Ohne, dass er all seinen Schmerz in Worte fassen musste. Er wollte, dass Kai ihm ansah, was los war. Julian wollte etwas, das unmöglich war. Schon wieder.
Und weil er nicht wusste, wo und wie er anfangen sollte. Weil ihm keine Worte einfielen, für das, was er fühlte, sagte Julian nichts. Er sah Kai aus glasigen Augen heraus einfach nur an. Er blickte in Kais Augen und suchte in ihnen nach einer Lösung. Sie waren blau. So blau, wie er sie noch nie gesehen hatte. Vielleicht war das ein gutes Zeichen. Sie wirkten auf Julian wie ein Ausweg. Der Ausweg aus der Gegenwart, den er sich so sehr wünschte. Sein zweiter unmöglicher Wunsch.Schweigend hielt Kai weiter Julians Hand. Er streichelte sie ununterbrochen und Julian beruhigte die Berührung. Kais Frage allerdings, blieb unbeantwortet. Nach einer Weile zog Kai seine Hand zurück. Er sah Julian kurz an und stand dann auf. Ohne zu zögern, begann Kai daraufhin die Klamotten von dem Boden aufzuheben. Er faltete sie ordentlich zusammen und legte sie zurück in Julians Koffer. Julian wollte ihm helfen. Er wollte ihm sagen, dass er das nicht machen musste. Er wollte ihm irgendetwas sagen. Er tat es nicht. Eine lähmende Schwere schien ihn zu erdrücken. Sie schien ihn am Boden zu halten und sowohl am Aufstehen, als auch am Aufatmen zu hindern. Julian wehrte sich nicht. Stattdessen beobachtete er Kai. Er betrachtete Kais Gesicht, die Sorgenfalte zwischen seinen Augenbrauen und der ernste Gesichtsausdruck. Diesen hatte es vor einigen Jahren noch nicht gegeben. Ansonsten war das Gesicht gleich. Die ausgeprägteten Wangenknochen, die dunklen Haare in der Stirn und die Augen. Die verdammten blauen Augen. Sie würden Julians Ende sein, das Ende aller Lügen und das Ende seiner Fassade. Das nächste Mal, wenn Kai ihn so intensiv ansah, wie er es gerade getan hatte, würde Julian zusammenbrechen. Er würde Kai alles erzählen, das wusste er. Er konnte dem nicht noch einmal standhalten.
Aber Kai schien nicht vorzuhaben, ihn noch einmal so anzusehen.
Eine Weile saß Julian so da. In sich zusammen gesunken. Auf dem Boden. Kai anstarrend. Der Jüngere hingegen räumte weiter auf. Er kümmerte sich um das Chaos, das Julian verursacht hatte. Er beseitigte Julians Chaos. Ohne, dass dieser ihn darum hätte bitten müssen.
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I just wanna feel again ~ Bravertz
أدب الهواةfüh·len /fǘhlen/ schwaches Verb mit dem Tastsinn, den Nerven wahrnehmen; körperlich spüren "einen Schmerz, die Wärme der Sonne fühlen" Tastend prüfen, feststellen "[jemandem] den Puls fühlen" seelisch empfinden "etwas instinktiv fühlen" Tastend nac...