Es war dunkel um ihn herum. Stockfinster. Es war ruhig und er war müde. Eigentlich hätte er schon längst träumen müssen. Es waren anstrengende letzte Tage gewesen und sein Körper schrie förmlich nach einer Pause. Und trotzdem lag er wach, starrte die Decke in seinem Schlafzimmer an, so wie er es jede Nacht tat. Seine Gedanken waren dabei wirr, ohne richtigen Zusammenhang und chaotisch. Julian wusste selber nicht, warum er seit einer Weile nicht mehr schlafen konnte. Vielleicht weil immer noch alles neu war. Der Geruch in seiner frischgestrichenen Wohnung, das Dachfenster neben seinem Bett ja sogar das Waschmittel, alles war ihm noch fremd. Er hatte sich in Dortmund nicht gut eingelebt, hatte dies zwar jedem erzählt und ließ sich von außen nichts anmerken, aber er fühlte sich hier nicht wirklich zuhause. Sogar beim Fußballspielen, der einzigen Betätigung, die ihn immer beruhigte und von allem ablenkte, was er vergessen wollte, fühlte er sich wie ein Fremder. Es war als würde er das Leben eines anderen leben, wie ein Schauspieler in einem Film. Seufzend drehte er sich zum zwanzigsten Mal auf die andere Seite. Er musste schlafen, er brauchte die Erholung. Er hatte morgen ein wichtiges Spiel, sein drittes in dem Trikot des Bvb. Bei dem Gedanken daran verspürte er ein nervöses Ziehen im Magen. Er hatte in den vergangenen Tagen gelesen, was die Medien über ihn geschrieben haben und über seine "ungewohnt schwache" Leistung in den ersten beiden Spielen der Saison. Eigentlich war er nicht der Typ dafür, sich wegen den Meinungen anderer unter Druck zu setzen, aber hier in Dortmund hatte er etwas zu beweisen. Wie lange hatte er über diesen Wechsel nachgedacht? Wie oft war er sich unsicher gewesen, ob er die richtige Entscheidung traf? Und doch hatte er sich am Ende dafür entschieden. Jetzt Heimweh zu haben, zurück nach Leverkusen zu wollen, war nicht nur ungünstig, sondern konnte auch gefährlich für seine Karriere werden. Oft genug hatte er sich das eingeredet und hatte ab einem bestimmten Punkt nur noch die Decke seines Schlafzimmers angestarrt ohne an etwas zu denken. Und so kommt es, dass der Himmel über Dortmund immer dunkler und die Zweifel des neuen Spielers immer größer werden, der sich Tag für Tag bis spät in die Nacht in seinem Bett herumwälzte.
Lichter blendeten ihn. Grelle Lichter. Er musste die Augen schließen aber trotzdem ließ die Helligkeit seine Augen tränen. Er war orientierungslos und wusste nicht wo er war. Ein lautes Piepen in seinem Ohr verhinderte seine letzte Möglichkeit, seine Umgebung genauer zu identifizieren. Der Schweiß rann ihm über das Gesicht und er atmete schwer. Er wusste, dass er nicht alleine war, er fühlte sich beobachtet und da traf ihn mit einem Mal die Erkenntnis. Er war auf einem Fußballplatz. Die Lichter waren Kameras. Schockiert über seine eigene Erkenntnis stolperte Julian. Seine Füße wollten ihn einfach nicht halten. Mit noch immer zugekniffenen Augen, versuchte er sich abzufangen, bevor er schmerzhaft auf den Rasen unter ihm aufschlagen würde. Er wollte nicht fallen. Die Kameras waren auf ihn gerichtet, er würde sich blamieren, die Fotos von seinem Sturz wären morgen in allen Zeitungen zu sehen. Doch Julian fiel nicht. Er stürzte, er stürzte immer weiter. Der Boden kam nicht näher, Julian war in einem freien Fall. Das blendend Licht wurde immer heller und der Sturz immer schneller. Es war, als würde er dem Licht entgegen stürzen. Es war, als würde er sterben...
Schweißgebadet schreckte Julian aus seinem Traum. Sein Puls war unglaublich hoch und er zitterte am ganzen Körper. Er brauchte einen Moment bis er sich orientiert hatte, wo er war. Er war in seinem Bett. In seinem weichen, gemütlichen Bett. Er war in Sicherheit und er hatte einen Albtraum gehabt. Er war vermutlich irgendwann doch eingeschlafen. Fast hätte er gelacht. Er hatte seit er klein war keinen Albtraum mehr gehabt, das war doch albern. Ein bisschen Nervosität vor einem Fußballspiel und eine ungewohnte Umgebung waren noch lange kein Grund so durchzudrehen. Seufzend lehnte er sich wieder in seine hellblau bezogenen Kissen zurück und starrte die Decke an. Er würde wachbleiben, beschloss er nach einem Moment des Nachdenkens. Es nützte ja alles nichts. Auf noch einen Albtraum konnte er beim besten Willen verzichten. Morgen war das Spiel und da musste er halbwegs sorgenfrei erscheinen und durfte nicht so aussehen, als würde er nur auf seine Einweisung warten. Trotzdem musste er das Problem mit der Schlaflosigkeit schnellstmöglich in den Griff bekommen, nahm er sich vor. So konnte das jedenfalls nicht weitergehen. Ein Blick auf den Wecker verriet ihm, dass es noch immer zu früh war aufzustehen. Sein Bett aber, wollte er um jeden Preis verlassen. Die Decke würde er in den kommenden Nächten noch genug anstarren können. Nach kurzem Überlegen entschied sich Julian schließlich, laufen zu gehen. Er war zwar kein großer Fan vom Joggen, aber so konnte er sich wenigstens etwas auf das Spiel heute vorbereiten und hatte ein bisschen Ablenkung von seinen Gedanken.
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I just wanna feel again ~ Bravertz
Fanfictionfüh·len /fǘhlen/ schwaches Verb mit dem Tastsinn, den Nerven wahrnehmen; körperlich spüren "einen Schmerz, die Wärme der Sonne fühlen" Tastend prüfen, feststellen "[jemandem] den Puls fühlen" seelisch empfinden "etwas instinktiv fühlen" Tastend nac...