Unconditionally

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Kais Pov

"It is the time you have wasted for your rose that makes your rose so important."
- The little Prince

Er sah Julian schon von weitem, als dieser den Platz betrat. Aber er tat so, als würde er ihn nicht bemerken. Er musste den Drang unterdrücken zu ihm zu laufen. So viele Emotionen wie lange nicht mehr, wurden durch diesen einen kurzen Blick ausgelöst. Zu viele. Überforderung breitete sich in Kai aus. Überforderung und Angst, ein Gefühl, dass er bei Julians Anblick noch nie gefühlt hatte.
Julian sah so verloren aus, wie er alleine auf dem Kunstrasen stand. Er blickte hektisch hin und her und wirkte nervös. Selbst auf die Entfernung konnte Kai seine helle Haut sehen, die noch blasser wirkte als sonst und die seine Augenringe noch dunkler aussehen ließ.
Das war eines der ersten Dinge gewesen, die ihm bei Julian aufgefallen waren. Seine Haut. Sie war so hell und so empfindlich, dass Kai immer den Eindruck hatte, man musste vorsichtig sein, wenn man Julian berührte.
Er wusste, dass Julian gerne gebräunter wäre. Dass er sich häufig unsicher fühlte, was sein Aussehen betraf. Man merkte es ihm nicht an. Aber Kai wusste, dass es so war. Er jedoch liebte Julians Haut. Er liebte alles an ihm. Und die Tatsache, dass Julian sich selbst nie durch Kais Augen hindurch sehen würde, machte ihn jedes Mal unfassbar traurig.

Einige der anderen Spieler setzten sich nun in Bewegung um Julian zu begrüßen. Sie hatten davor viel über die Nachnominierung gesprochen. Obwohl sie jetzt alle vorgaben, es spiele keine große Rolle, ob Julian da war oder nicht, war er doch den ganzen Tag Thema ihrer Unterhaltungen gewesen.
Kai selbst hatte die Nachricht am heutigen Morgen von Timo beim Frühstück erfahren. Danach war er nicht mehr in der Lage gewesen etwas zu essen. Zu viele Gefühle waren in diesem Moment in ihm aufgekommen. Angst, Vorfreude und eine tiefe Traurigkeit, weil das nicht das Wiedersehen war, das er sich erhofft hatte.
Er hatte sich nicht an den Gesprächen über Julian beteiligt, die daraufhin begonnen hatten. Alle hatten ihn nach seiner Meinung gefragt, aber er hatte keine ihrer Fragen beantwortet. Er wollte nicht über Julian reden. Nicht mit den Anderen, die keine Ahnung hatte, was alles passiert war und wieviel Schmerzen mit dieser Geschichte verbunden waren.
Kai hatte die Gespräche nicht mehr weiter verfolgt, war mit seinem Gedanken weit weg gewesen, bis er irgendwann aus ihnen heraus gerissen worden war. Timo hatte ihn leicht unter dem Tisch angestupst. Fragend hatte Kai ihn angesehen, doch er hatte nur zu den anderen Spielern genickt. Nach einer kurzen Weile hatte Kai verstanden worüber sie in diesem Moment redeten. Sie redeten über Julians Zusammenbruch vor einigen Monaten bei ihrem ersten Spiel gegeneinander. Kai hatte lange gebraucht um die Bilder von jenem Tag aus seinem Kopf zu verdrängen. Eigentlich war er gut im Vergessen, aber der Anblick von Julian, wie er leblos vor ihm lag, würde ihn vermutlich nie komplett loslassen.
"Das muss so schlimm gewesen sein" "Woran lag das eigentlich?" "Vielleicht ist es nicht so gut mit der Nominierung wenn er irgendetwas hat und niemand weiß, was es ist". Kai presste die Lippen zusammen und sagte nichts. Er hätte viel zu sagen gehabt. Aber er hielt sich zurück. Es gab tausende Gründe, warum Julian die Nominierung mehr verdient hatte, als jeder andere der Anwesenden. Aber das waren alles Gründe über die Kai mit niemandem reden wollte. Sie gingen niemanden etwas an. Das Gespräch über den Zusammenbruch erinnerte Kai allerdings daran, wie viele Gründe es tatsächlich gab und wie schlecht es zwischenzeitlich um Julian gestanden hatte.

Jetzt sah Kai einen der Gründe direkt vor sich. Obwohl Julian nervös wirkte, schenkte er jedem, der ihn begrüßenden Spielern ein Lächeln. Es war ein kleines, schüchternes Lächeln, das angestrengt wirkte, aber es war da. Es war die Art von Julian nie komplett aufzugeben, die Kai so sehr liebte. Egal wie schlecht es ihm ging, Julian schien immer einen Weg zu finden, sich in all dem Schlechten wohlzufühlen. Es zu akzeptieren. Nicht so wie Kai, der nur weglaufen als Lösung kannte. Weglaufen und vergessen, weil das alles war, was er je gelernt hatte.

I just wanna feel again ~ BravertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt