Black Out Days

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Kais Pov

"You're beautiful but your empty... one couldn't die for you"
-The little Prince

Die Tage waren alle gleich. Sie alle verschwammen in einem einzigen grauen Schleier, aus dem es keinen Ausweg zu geben schien. Kai suchte allerdings auch keinen. Er ließ sich treiben. Hielt sich versteckt in der Masse und wollte nicht, dass sich die Tage wieder wie Tage anfühlten. Denn dann würden sie länger werden, stressiger, emotionaler. So, wie es jetzt war, war es gut. Nicht perfekt. Weit entfernt von perfekt. Aber annehmbar. Zum aushalten. Die meiste Zeit jedenfalls.

Kai spielte Fußball. Das war das Wichtigste. Er hatte den Sport in seinem Leben, der ihm so viel Sicherheit bot, wie kaum etwas anderes auf der Welt. Niemand erwartete mehr von ihm, als diesen Sport täglich auszuüben. Das war leicht.
Er hatte außerdem die Fußballspiele, die er sich am Wochenende ansah. Jedes Wochenende spät in der Nacht, wenn er sich die Aufnahmen der Bundesliga ansah, in seiner leeren Wohnung mit den Londoner Stadtlichtern um ihn herum, schlug sein Herz etwas höher. Durch die Regelmäßigkeit hinter dieser Routine, konnte Kai nicht umhin, gewisse Veränderungen zu bemerken.

Er beobachtete ihn jetzt schon wochenlang. Und Woche für Woche schien es ihm schlechter zu gehen.
Zuerst waren Kai die Sprints aufgefallen. Julian war schnell. Das war er schon immer gewesen. Ein schneller Spieler, mit einem schnellen Spielverständnis wie kaum ein anderer. Ein Spieler, der von einem Moment zum anderen einen unglaublich schnellen Sprint beginnen konnte und damit alle anderen Spieler weit hinter sich ließ.
In den letzten Spielen wirkten die Sprints jedoch langsamer, die Bewegungen waren gehetzter, weniger elegant. Sie hatten nichts von der Spielweise, in die Kai sich bereits beim ersten Sehen verliebt hatte. Vor so langer Zeit.

Kai waren außerdem die Ballberührungen aufgefallen. Sie waren das, was Julians Spiel ausmachte. Sie waren das Kernstück von Julians Talent. Hätte Kai Julians größtes Talent im Fußball benennen müssen, seine ausgeprägteste Stärke, hätte er sich für sie entschieden.
Julian hatte einen ersten Ballkontakt, wie sonst niemand. Kai würde diese Bewegung überall wiedererkennen. Es war die eleganteste Bewegung, die er kannte. Manchmal schien es, als würde der Ball von Julian angezogen werden, als müsste er nichts anderes machen, als im richtigen Moment am richtigen Ort zu stehen. Manchmal sah das ganze so flüssig und leicht aus wie tanzen.
Diese Ballberührung, die damals Kais ganze Aufmerksamkeit auf ihren Ausführer gezogen hatte, war verschwunden.
Die Berührungen waren nicht mehr leicht, nicht mehr flüssig. Sie sahen falsch aus. Der Ball wurde nicht mehr von Julian angezogen. Im Gegenteil. Es schien, als hätte Julian Angst den Ball zu bekommen. Als wüsste er, dass er all seine Anziehungskraft verloren hatte. Das machte Kai traurig.

Durch diese Auffälligkeiten, hatte Kai angefangen, mehr auf Julian selbst zu achten. Seine Körpersprache. Sein Gesicht. Seine Emotionen.
Auch wenn es schmerzhaft war, die Person, die er mehr vermisste, als alles andere zu sehen, war es doch notwendig. Denn in dem Fall, überwogen Kais Sorgen.
Julian lächelte nicht mehr. Das war Kais erste Erkenntnis. Er hatte das Lachen verloren, das Kais Leben für immer verändert hatte. Das Lachen, das ihn glücklicher machte, als sein eigenes. Es war weg.
Julian sah so traurig aus, dass Kai das sich fühlte, als würde er in Schuldgefühlen ertrinken.
Sein Kopf war durchgehend gesenkt, als wollte er sich ebenfalls verstecken. In der Masse untergehen. Genau wie Kai. Aber im Gegensatz zu Kai, konnte Julian sich nicht verstecken. Er war jemand, der anderen auffiel. Er fiel Kai auf. Julian war eine Person, die andere mit seiner Unbeschwertheit in seinen Bann zog. Jemand, der mit seinem Lachen einen ganzen Raum erhellen konnte. Er war jedoch gleichzeitig jemand, dessen Traurigkeit andere ansteckte. Seine Fehler fielen ebenso auf, wie seine Stärken.

Kai hatte Julian jetzt schon wochenlang beobachtet. Er hatte ihn bis ins kleinste Detail analysiert. Julian sah aus, als würde er nicht genug Schlaf bekommen. Augenringe zeichneten sich deutlich auf seiner blassen Haut ab. Sein Gesicht wirkte eingefallen und seine ganze Erscheinung wirkte schmaler, zerbrechlicher.
Kai sorgte sich nicht mehr. Er hatte keine Vermutungen, was passiert sein könnte. Er wusste es. Er wusste es mit jeder Woche, die verging, genauer. Er hatte Julian schon einmal so gesehen. Das letzte Mal, dass Julian so auf ihn gewirkt hatte, hatte er ihn fast verloren.

I just wanna feel again ~ BravertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt