Marcos POV
TW: drug withdrawal, addiction
Der Wartebereich des St. Johannis Hospitals hat 6 Fenster. Es waren zwei übereinander angebrachte gläserne Dreierreihen. Marco hatte sie unzählige Male unterbewusst gezählt, während er nachgedacht hatte. Am gestrigen Abend hatte er nicht schlafen können. Der Vorfall auf dem Spielfeld hatte sich in sein Gehirn eingebrannt und immer wenn er die Augen geschlossen hatte, hatte er Julians Sturz gesehen. Den Sturz, den er eigentlich nur aus dem Augenwinkel wahrgenommen hatte. Gedanklich war er schon beim weiteren Spielverlauf gewesen. Es hatte ihn nicht überrascht, dass Julian gestürzt war. Julian hatte bereits das ganze Spiel lang nicht gut ausgesehen. Die ganzen letzten Wochen genau genommen. Kais Reaktion war es gewesen, die Marco gezeigt hatte, dass es kein normaler Sturz war. Vor allen anderen hatte Kai realisiert, dass etwas nicht stimmte. Er war zu Julian gerannt, noch bevor der Schiedsrichter gepfiffen hatte. Marco bezweifelte, dass er den Schock in Kais Gesicht jemals vergessen können würde. Noch nie hatte Marco einen derartigen Schmerz in den Augen eines anderen Menschen gesehen. Das Ganze ließ ihn noch immer frösteln wenn er darüber nachdachte. Für einen Moment war er sich sicher gewesen, dass es vorbei war. Für einen schrecklichen Moment hatte er gedacht, er würde einen seiner besten Freunde sterben sehen. Aber Julian war nicht gestorben. Er war hier. Und egal was die Ärzte sagten, Marco war sich in dieser Situation sicher gewesen, dass das Ganze anders abgelaufen wäre, wäre Kai nicht dagewesen. All diese Bilder und Gedanken in seinem Kopf hatten ihn in der folgenden Nacht vom Schlafen abgehalten. Eigentlich hatte er direkt nach dem Ende des Spiels ins Krankenhaus fahren wollen, doch als er gehört hatte, dass Kai bei Julian war, wollte er nicht stören. Marco wusste, dass die beiden eine besondere Beziehung zueinander hatten. Marco wusste vieles, was sonst keiner wusste doch bei dieser Sache konnte er nur mutmaßen.
Das erste Mal hatte er die beiden gesehen, als sie noch bei Leverkusen gespielt hatten. Julian kannte er aus der Nationalmannschaft. Kai, der damals noch zu jung für diese gewesen war, stellte sich ihm bei einem Spiel ihrer beiden Mannschaften vor. Marco hatte sich damals ein Lachen verkneifen müssen, denn er hatte an diesem Tag zwei Dinge festgestellt. Erstens, war Kai besessen von Julian und zweitens, war sein bester Freund mehr als blind, dass nicht zu erkennen. Kai, der damals noch sehr jung gewesen war, hatte Julian immer alles nachgemacht. Er hatte gelacht, wenn Julian lachte, die gleichen Worte wie Julian benutzt, das Gleiche gut gefunden wie er, das Gleiche blöd gefunden wie er und ihn angesehen, als wäre er der Mittelpunkt seiner Welt. Die Sonne in seinem Sonnensystem. Marco war das sofort aufgefallen. Er hatte nichts gesagt. Es nie angesprochen. Aber er hat immer befürchtet, dass es nicht einfach für die beiden werden würde, wenn sie sich ihrer Gefühle bewusst werden würden. Ein Teil von ihm hatte gehofft, dass das nie passieren würde. Dass Kais Schwärmerei genau das blieb. Eine Schwärmerei. Dass sie verschwinden würde. Vielleicht hatte er diese Hoffnung all die darauffolgenden Jahre nie komplett aufgegeben. Doch als er die beiden vor dem Spiel zusammen gesehen hatte, das erste Mal nachdem sie sich eine längere Zeit nicht gesehen hatten, hatte er sich für seine Hoffnung geschämt. In diesem Moment hatte er realisiert, dass er mit seiner anfänglichen Vermutung falschgelegen hatte. Nicht Kai war derjenige, dessen Gefühle ein Problem werden könnten. Es war Julian. All die Jahre war er sich sicher gewesen, dass Julian Kai nur als besten Freund sah, doch in diesem Moment war Kai die Sonne in Julians Sonnensystem gewesen und vieles sprach im Nachhinein dafür, dass das schon immer so gewesen war. Das war ein schöner Gedanke. So schön, dass alles was daraufhin geschah nur noch schrecklicher wirkte.Nachdem all diese Gedanken pausenlos in seinem Kopf unhergeschwirrt waren, hatte Marco seinen kläglichen Versuch zu Schlafen aufgegeben und war bereits vor Sonnenaufgang aufgestanden. Mit einem Kaffee auf seinem Balkon stehend, hatte er einen Entschluss gefasst. Er wollte helfen.
Nicht wie die Ärzte, die Julian hoffentlich wieder auf die Beine bringen konnten, nicht wie Kai, der Julian die emotionale Unterstützung geben konnte, die er von sonst niemandem bekam. Nein, Marco war der Kapitän der Mannschaft. Er galt als Vertrauensperson für alle. Auch wenn er momentan nicht spielte, hatte er ein Talent dafür, Leuten ihre Geheimnisse zu entlocken. Dieses Talent würde er einsetzen um alle Puzzelteile zusammenzufügen.
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I just wanna feel again ~ Bravertz
Fanfictionfüh·len /fǘhlen/ schwaches Verb mit dem Tastsinn, den Nerven wahrnehmen; körperlich spüren "einen Schmerz, die Wärme der Sonne fühlen" Tastend prüfen, feststellen "[jemandem] den Puls fühlen" seelisch empfinden "etwas instinktiv fühlen" Tastend nac...