There You Are

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„Your memory feels like home to me.
So whenever my mind wanders, it always finds it's way back to you."
-Ranata Suzuki

Kais POV

In Lodon regnete es. Es war die Art von Regen, die Kai hasste. Der Himmel war bedrohlich dunkel und die Sonne war nirgends zu entdecken. Die Luft roch metallisch und obwohl es erst Nachmittag war, fühlte es sich an wie mitten in der Nacht, als er von einem Taxi zum Londoner Flughafen gebracht wurde. Die Stadt war laut und und sein Taxifahrer genervt von den überfüllten Straßen. Am Flughafen empfing Kai ein eiskalter Wind begleitet von Regentropfen, die unerbitterlich schienen und während der Fahrt kein bisschen nachgelassen hatten. Es war, als würde London wollen, dass er ging. Als würde die Stadt wissen, wie es Kai ging und versuchen ihm die Reise zu erleichtern, indem sie sich von ihrer schlimmsten Seite zeigte. Am Flughafen empfingen Kai Kameras. Lichter, die ihn blendeten und ihn den Kopf senken ließen. Seine Haare hingen ihm nass ins Gesicht, Menschen um ihn herum schrien seinen Namen und redeten auf ihn ein. Auf Englisch. Zu schnell. Zu laut. Und trotzdem nicht laut genug, denn nichts von dem Gesagten kam bei Kai an.

Aufgrund der langen Taxifahrt, war Kai einer der letzten Chelsea-Spieler, die am Flughafen ankamen. Der Rest der Mannschaft war bereits vor Ort. Für viele würde es die erste Reise nach Deutschland sein. Sie wussten nicht, was sie erwartete. Manche von ihnen kannten nicht einmal die Mannschaft gegen die sie spielen würden. Kai schon. Es gab wohl kaum eine Mannschaft mit der er sich unfreiwillig so viel beschäftigt hatte wie die von Dortmund. Er hatte jedes ihrer Spiele gesehen. Auch die, in denen Julian nicht gespielt hatte. Auch wenn er gewusst hatte, dass er Julian nicht sehen würde, hatte er doch immer gehofft. Auf ein Wunder. Einen Kommentar über Julians Abwesenheit. Irgendetwas. Es war nie passiert. Der BVB hatte über Julians Abwesenheit verbissen geschwiegen und kaum jemand hatte sich die Mühe gemacht nachzufragen. Es schien niemanden zu interessieren. Nur einen. Der Einzige, den der Verbleib des so vielversprechenden Dortmunder Talents interessieren zu schien, war ein Spieler, der sich vorgenommen hatte mit dem deutschen Fußball abzuschließen. Vor so langer Zeit.

Die anderen Spieler von Chelsea wussten nicht, wie schwer es für Kai war zurückzukehren. Gegen eine Mannschaft der Bundesliga zu spielen. Eine Liga, mit der er die schönsten und schlimmsten Erinnerungen seines Lebens verband. Eine Liga, mit der er immer abschließen wollte und es wegen seines besten Freundes nie konnte. Einige seiner Teamkollegen hatten ihm Fragen über Dortmund gestellt. Über typische Spielweisen, Stärken und Schwächen. Kai hatte so getan, als wüsste er nichts über die aktuelle Mannschaft des BVB. Er hatte nicht zugeben wollen, jedes Spiel gesehen zu haben. Nur er wusste, wie gut die Dortmunder Mannschaft zur Zeit war. Und es war ihm egal. Heute fehlte ihm jeglicher Ehrgeiz gewinnen zu wollen. Auch das sagte er niemandem.
Niemand wusste, dass Kai die letzten Nächte vor Aufregung kaum geschlafen hatte, dass er kaum gegessen hatte, dass sein Kopf an nichts anderes als an diese Reise denken konnte. Niemand sah ihm an, dass, mit jedem Schritt, mit dem sich die Londoner Mannschaft jetzt ihrem Flugzeug näherte, das durch den Regen hindurch kaum richtig zu erkennen war, Kais Herz härter gegen seine Brust schlug. So doll, dass es wehtat.

Er konnte es sich selbst nicht erklären. Er war schon immer eine ruhige Person gewesen. Jemand mit einem undurchschaubaren Pokerface. Ihm sah man seine Emotionen nicht an. Er wirkte immer gefasst. Emotionslos. Kalt.
Eine Eigenschaft, die er wie ein Schutzschild stets vor sich her schob. Eine Eigenschaft, die ihm das Leben als Fußballer erleichterte.
Doch trotz der unerschöpflichen Kälte, die er sonst konstant als Schutz verwenden konnte, schien dieses Mal alles anders. Die letzten Monate schienen etwas in ihm verändert zu haben.
Er war seit seinem letzten Aufenthalt bei der Nationalmannschaft nicht mehr in Deutschland gewesen. Er hatte versucht mithilfe der Distanz zu Deutschland seine Sehnsucht zu verringern. Ein Plan, der kläglich gescheitert war.
Für ihn als ausländischen Fußballer standen Gespräche über den richtigen Umgang mit Heimweh an der Tagesordnung. Er ließ sie stets über sich ergehen ohne sie zu brauchen. Kai hatte kein Heimweh nach Deutschland. Oft genug musste er durch die Nationalmannschaft gezwungenermaßen in sein Heimatland zurückkehren. Sein Heimatland, das kein Zuhause für ihn war. Sein Zuhause war kein Land. Kein Ort. Sein Zuhause war eine Person. Es war eine Person, die er so sehr vermisste, dass es wehtat. Und gegen diese Art von Heimweh halfen auch die Gespräche mit Chelseas Sportpsychologen nicht.

I just wanna feel again ~ BravertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt