Prolog

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Überarbeitet: 29. Mai 2023

Ich gehe den Flur, der mir so endlos lang erscheint, entlang. In mir tobt eine Unruhe, während ich von außen wie ein ruhiges Fundament wirke. Vielleicht habe ich heute Glück und sie lassen mich in Ruhe, aber sobald ich denke, ich bin in Sicherheit, überraschen sie mich. Umso höher schlägt mein Herz, dass es sich anfühlt, als würde es mir gleich aus der Brust springen.

Fest umfasse ich meine Tasche und atme durch meinen Mund aus. Mein ganzer Körper schlottert, als ich um die nächste Ecke biege und von weitem den Ausgang erblicke. Panisch schaue ich mich um, kann aber niemanden sehen. Niemand, der mir Schaden zufügen möchte.

Ich atme zittrig durch, als mich die kühle Luft empfängt. Es fühlt sich an, als würde mir jemand den Hals zuschnüren, weswegen ich verzweifelt nach Luft ringe. Vielleicht würde ich mich sicherer fühlen, wenn mein bester Freund bei mir wäre, doch mir ist bewusst, dass ich mich nicht immer auf ihn verlassen kann.

Ich bin eine Frau und alt genug, um auf mich selbst aufzupassen. Doch selbst Mobbing in diesem Alter ist nicht zu verhindern. Manchmal kommt es mir so vor, als wären sie nicht ausgereift, wie Früchte im Frühling. Sie glauben lieber den Gerüchten, die umher kursieren.

Mein ganzer Körper schmerzt, weil ich eine Schmerztablette noch nicht genommen habe. Ich habe die Befürchtung, bald abhängig von diesem Zeug zu sein, weil sich nur so die Schmerzen lindern lassen. Schmerzmittel sind das einzige Heilmittel gegen meine Schmerzen.

Ich zucke kaum merklich zusammen, als jemand mit seinem Skateboard an mir vorbei rauscht. Ein beklemmendes Gefühl macht sich in mir breit und die Luft fühlt sich plötzlich so stickig an. Der Wind saust mir entgegen, als würde er mich anschreien. Geh nicht weiter!

Ich atme durch und schaue mich um, als wäre ich Paranoid. Aber ich habe einfach Angst. Angst, dass sie plötzlich doch um die Ecke kommen und mich in einen abgelegenen Ort schleppen, um mir neue Verletzungen hinzuzufügen. Es tut weh und am liebsten möchte ich weinen, denn es gibt niemanden, der mir da raus helfen kann.

Niemanden, der mir dies nehmen wird.
Meine Angst.
Meine Trauer.

Als ich zu Hause angekommen bin, atme ich erleichtert aus. Es ist, als würde mir etwas Leichtes von den Schultern fallen. »Ich bin zurück!«, verkünde ich meinen Eltern, die zu Hause sein müssten. Vater ist wahrscheinlich in seinem Arbeitszimmer und bearbeitet einige Dokumente seiner Firma.

Ein beklemmendes Gefühl macht sich in meiner Brust breit, als ich plötzlich einen penetranten Geruch wahrnehme. Niemand antwortete mir, wie sonst. Im ganzen Haus ist es still und nur mein pochendes Herz übertönt diese erdrückende Stille. Vorsichtig betrete ich das Wohnzimmer und rufe laut nach meinen Eltern, als wieder nichts zurückkam.

»Mom, Dad?!«, ich nähere mich den Couchtisch. »Mom?«, meine Stimme zittert, als ich realisiere, dass etwas auf dem Boden liegt. Dass jemand auf dem Boden liegt. Ich renne herum und atme erschrocken ein. Ein heiser Schrei entfährt meine Kehle und heiße Tränen bilden sich in meinen Augen. Der Tränenschleier verschleiert meine Sicht. Meine Sicht auf die Dinge. Meine Sicht auf das, was ich nicht sehen will und doch sehe.

»Mom.«, meine Beine geben nach und ich falle zu Boden. Eine große Blutlache liegt unter dem leblosen Körper meiner Mutter, die mich mit geöffneten Augen anschaut. Ihr Mund ist geöffnet und kein einziger Funke mehr, der in ihren Augen schwimmt. Sie ist tot. Eine leere Hülle.

Was ist passiert?

»Dad?!«, brülle ich verzweifelt. Ich will aufstehen, aber meine Beine geben nach, bevor ich auch nur stehen kann. »Dad!«, schluchzend versuche ich mich hoch zu stemmen. Meine Augen weiten sich, als ich ein paar Schuhe vor meinen Augen erblicke.

Angst durchflutet meinen gesamten Körper und meine Nackenhaare stellen sich auf. Gefahr! »Schön dich kennenzulernen, Mi Amore.«, seine Stimme ist rau und als ich hoch sehe, hockt er sich zu mir runter. Ich schüttele meinen Kopf. »N-Nein, la-lass mich!«, ich falle zurück auf meinen po.

Als ich plötzlich spüre, wie ein Tuch vor mir gehalten wird. »Es tut mir leid.«, höre ich ihn sagen, während ich spüre, wie meine Kräfte schwinden. Das Letzte, was ich sehe, sind seine stechenden grauen Augen.

Ist das mein Ende?

Mr. & Mrs. Sánchez 3✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt