Kapitel 54

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Das Gewächshaus ist schon von Weitem zu sehen. Je näher wir kommen, desto größer werden meine Augen. So ein großes Gewächshaus kenne ich nur von Gärtnereien. Als wir schließlich davor stehen bleiben, klappt mir die Kinnlade auf den Boden. "Wow", hauche ich. Sarah dreht sich mit funkelnden Augen zu mir. "Gefällt es dir?" Ich kann meinen Blick nicht von dem Gebäude lösen, dennoch antworte ich ihr. "Es ist beeindruckend", gebe ich ehrfürchtig von mir.

"Magst du denn Pflanzen?" möchte Mike nun wissen. Ich nicke leicht. "Ja schon. Nur leider bin ich nicht mit einem grünen Daumen gesegnet worden." Lisa beginnt wieder zu kichern. Sarah greift nach meiner Hand, erlöst mich von Blakes Umklammerung und zieht mich in das Gebäude. "Ach Quatsch. Dir fehlt nur die Übung" "Und wahrscheinlich auch das Wissen. Immerhin sind Pflanzen wie Menschen oder Tiere. Jeder ist irgendwie anders." ertönt die Stimme von Blake hinter mir.

Doch ich registriere seine Worte nur am Rand. Denn das Bild, das sich mir bietet ist einfach atemberaubend. Sarah zieht mich in die Mitte des Gebäudes, bevor sie meine Hand los lässt. Begeistert schaue ich mich um. Das Innere des Gewächshauses sieht aus wie eine Oase. Es ist, als hätten wir eine völlig andere Welt, einen völlig fremden Ort betreten. Das es so etwas auf diesem Grundstück gibt. Unglaublich. Ich drehe mich langsam im Kreis während ich mich umschaue. Jetzt verstehe ich auch, warum dieses Gebäude so hoch ist. Es gibt Bäume hier drin.

Ich erkenne Apfelbäume, Bananenbäume, Palmen und sind das dahinten Kirschbäume? Mein Blick schweift weiter und bleibt an einem kleinen Feld mit weißen Blüten hängen. Langsam gehe ich auf sie zu. Als ich davor ankomme, hocke ich mich hin. Ich hebe meine Hand und streiche vorsichtig über die strahlend weißen Blütenblätter. Einige haben leicht rosa oder violette Spitzen. Ich beginne zu lächeln. Gänseblümchen. Ich verstehe zwar nicht ganz, warum man sie in einem Gewächshaus hat, aber sie sind wunderschön. Das samtige Gefühl der Blüten berührt meine Fingerspitzen und ich verliere mich in ihm.

Eine Bewegung neben mir, die ich aus den Augenwinkeln wahrnehme, lässt mich vermuten, das Sarah sich gerade neben mich gehockt hat. "Wunderschön", flüstere ich. Ich wende meinen Blick von dem fesselnden Weiß ab und richte ihn auf Sarah. Sie beobachtet mich mit einem breiten Lächeln. "Ich habe gehofft, das es dir gefällt", erklärt sie sich. Warum? Fragend hebe ich eine Augenbraue. Sie scheint zu verstehen, denn sie fährt fort. "Lisa mag zwar Pflanzen, aber ist nicht so begeistert davon wie ich oder du. Und die Männer, naja, du kannst es dir vorstellen" endet sie. Sie hat leise gesprochen, sodass die Anderen, die nicht in unserer unmittelbaren Nähe sind, es nicht hören können. Ich reagiere ebenfalls mit einem Lächeln und nicke.

"Komm. Ich möchte dir etwas zeigen." Mit diesen Worten steht sie auf und hält mir ihre Hand hin um mir aufzuhelfen. Ich ergreife sie, lasse mich hochziehen. Als ich stehe, lösen wir unsere Hände nicht von einander. Sie zieht mich in einen Gang. Nach ein paar Schritten, bleibt sie stehen und deutet auf das nächste Feld. Automatisch wird mein Lächeln breiter. Ich glaube, das meine Augen funkeln.

Sarah lässt meine Hand los. Ich hebe diese an und lasse sie ganz behutsam über die kleinen Stacheln gleiten. Es ist, als würde ich mich an etwas erinnern. Ich sehe wieder Bilder vor meinem inneren Auge. Wie ich mit einem Kaktus rede, der auf meinem Schreibtisch steht. Wie ich einen Kaktus gieße. Wie ich ihn im Blumenladen entdeckt und gekauft habe. Einzelne Tränen lösen sich aus meinen Augen. Damals war alles noch normal. Damals war ich frei.

Ich ziehe meine Hand zurück bevor ich unvorsichtig werde und die Nadeln meine Haut unangenehm pieksen. Ich glaube, ich muss mich etwas korrigieren. Rosen sind zwar meine Lieblingsblumen, aber sie teilen sich diesen Platz mit Gänseblümchen. Wahrscheinlich wegen der Schlichtheit, die diese ausstrahlen. Doch meine liebsten Pflanzen werden wohl immer Kakteen sein.

Wunderschön, vor allem in der Blütezeit. Und doch können sie tödlich sein, wenn es darauf ankommt. In letzter Zeit wäre es öfter schön gewesen, ein Kaktus zu sein.

KittenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt