25. Gefährliche Suche

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Ich holte eine trockene Scheibe Brot aus der Tasche, die ich verspeiste, während ich hinter der Frau, dessen Namen ich noch nicht einmal kannte, her in den Wald lief.

Schon nach wenigen Schritten trennten wir uns, um in kürzerer Zeit ein größeres Gebiet absuchen zu können. Erst danach wurde mir klar, dass ich weder wusste, wie dieser Aurel aussah, noch, wie alt er war.

Ich konnte also genauso gut nach einem Fünfjährigen suchen, wie nach einem Achtzehnjährigen. Keine guten Voraussetzungen.

Während ich ziellos umherlief und mich fragte, ob das, was ich hier tat, tatsächlich einen Sinn ergab, hörte ich immer wieder Rufe nach ihm von anderen Suchenden.

Plötzlich raschelte es vor mir und ein etwa neunjähriger Junge trat aus dem Gebüsch. Wir sahen uns einen Moment lang an und ich fragte mich, ob das hier Aurel war oder jemand anderes. Ich wusste es echt nicht.

Doch bevor ich mich durch eine solche Frage blamieren konnte, fragte er: "Suchst du auch nach meinem großen Bruder? Ich kenne dich gar nicht".

Ich erzählte ihm dieselbe Geschichte, die ich auch den Neubaums erzählt hatte und er runzelte die Stirn: "In der Hütte kann man noch wohnen? Die ist gruselig. Die Jungs aus dem Ort erzählen Horrorgeschichten darüber und manchmal gibt es Nachts seltsame Geräusche darin. Das sind bestimmt Geister".

"Bestimmt nicht", widersprach ich. "Ich habe letzte Nacht dort geschlafen und es ist nichts Schlimmes passiert. Ich habe auch keine Geister gesehen".

"Ich aber", grinste der Junge stolz.

"Echt?", verwirrt sah ich ihn an. In meiner Hütte spukte es nicht wirklich, oder?

"Nicht in deiner Hütte. Bei der neuen Familie, die tief im Wald wohnt. Glaub mir, deren Haus ist noch gruseliger als deins. Aurel und ich haben sie manchmal beobachtet. Sie haben mit dem blutigen Mädchen geredet und mit Kreuzen gefuchtelt. Ich sag dir, das sind Geisterbeschwörer und das Mädchen ist eine Geistersklavin, oder so", berichtete er begeistert und schien zu erwarten, dass ich beeindruckt war.

Doch die Geschichte entsetzte mich eher.

"Welches blutige Mädchen?", fragte ich.

"Na, die Geistersklavin", stöhnte der Junge genervt. "Die war nur zweimal da und gefesselt. Ihre Haut war so hell, fast durchsichtig, und dieser Aaron ist mit ihr über den Hof gelaufen. Ich fand's gruselig, aber Aurel meinte, wir müssen sie unbedingt finden und befragen. Sie war in unserem Alter und vielleicht könnte sie uns sagen, wie wir unsere eigene Geistersklavin bekommen".

Ich starrte ihn an. Diese Geschichte wurde immer seltsamer. Das Mädchen, war das Cina? Aber wieso war sie dann blutig und gefesselt. Die Neubaums konnten doch kaum ihre eigene Tochter so behandeln. Oder war sie gar nicht ihre Tochter, sondern trug nur denselben Nachnamen? Und jetzt war auch noch ein Junge verschwunden.

"Denkst du, dein Bruder hat nach ihr gesucht? Also, letzte Nacht?", fragte ich und umfasste unbewusst den Zauberstab in der Tasche meines langen Rocks. Dieser Wald kam mir auf einmal sehr gefährlich vor.

Der Junge sah so aus, als wäre er noch gar nicht auf die Idee gekommen. Er riss die Augen auf: "Das kann sein. Denkst du, das Geistermädchen wollte nicht mit ihm reden und hat ihm wehgetan?"

"Bestimmt nicht. Aber vielleicht ist er noch irgendwo dort. Ich gehe nachsehen, während du deinen Eltern Bescheid sagst, ja?", schlug ich vor.

Trotzig schüttelte der Junge den Kopf: "Ich will mit. Ich will den Geist auch sehen".

"Hör zu", sagte ich und beugte mich ein Stück zu ihm herunter, um auf Augenhöhe zu sein. "Das ist ein weiter Weg und falls deinem Bruder wirklich etwas passiert ist, kann das auch für uns gefährlich werden. Deshalb gehe ich lieber allein. Aber wenn das Mädchen wirklich ein Geist ist, bringe ich sie mit, damit du mit ihr reden kannst".

Mein Leben als ZeitreisendeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt