Schweigend mit den Händen tief in den Hosentaschen vergraben laufen wir nebeneinanderher. Die Sonne scheint, dicke Kumuluswolken ziehen ihre Bahn über den blauen Himmel. Ein leichter Wind weht durch unsere Haare, eine angenehme Kühle legt sich auf meine warme Haut. Der letzte Nebel in meinem Kopf hat sich verzogen, die Gedanken sind klar und doch stehen sie nicht still. Drews erste Frage trifft mich hart. Eigentlich muss ich nicht darüber nachdenken. Aber ich bin gerade zu geschockt, damit habe ich nicht gerechnet.
"Warum denkst du das?", frage ich leise.
"Weil du dich so verhältst. Du nimmst, aber du gibst nicht", antwortet Drew ehrlich. Ich habe dem nichts entgegenzusetzen. Es ist die Wahrheit."Erzählst du mir, woher die Narbe auf deinem Handrücken stammt?", frage ich und hoffe sehr ihn nicht zu verschrecken. Schon seit unserem Treffen im Shadows Moon brennt mir diese Frage unter den Nägeln.
"Das ist sehr privat Lewis. Und du hast mir nicht geantwortet."
"Ich hasse dich nicht. Ich verstehe, warum du das denkst. Aber das ist nicht so", sage ich beschwichtigend. Drew schweigt und ich stelle ihm keine weitere Frage. Mich beschleicht das Gefühl, dass er nicht mehr reden möchte. Dass das hier nicht so verläuft wie er es sich vorgestellt hat."Ich will ehrlich sein. Den Tag habe ich mir anders vorgestellt", durchbricht Drew die Stille zwischen uns.
"Wir sollten einfach so tun als wäre das alles, der Sex, unser Abenteuer nicht passiert." Es wäre das Beste für uns. Er hat Recht.
"Wir können so nicht weiter machen Lewis. Das geht nicht."
"Okay. Fangen wir unverfänglich an. Ein richtiges Kennenlernen?", frage ich und Drew nickt.
"Nach dem Zoobesuch hatte ich ein Picknick geplant."
"Wirklich?"
"Hmhm. Da drüben. Siehst du die große Eiche?" Ich sehe die Eiche. Und den blonden Haarschopf seines Bruders. Wir haben uns bereits ein ganzes Stück vom Zoo entfernt. Das bemerke ich erst jetzt. War ich wieder einmal so tief in Gedanken?"Das ist wirklich süß von dir. Aber das wäre nicht nötig gewesen", sage ich. "Doch Lewis. Hast du Hunger?" Und als hätten sich Drew und mein Magen abgesprochen, beginnt dieser lautstark zu knurren. Das Gebrüll der Seelöwen aus dem Zoo wäre nicht annähernd so laut gewesen.
"Und wie. Ich denke, mein Magen hat sich wieder beruhigt."
"Dann komm. Lass uns nachschauen was Cole für Köstlichkeiten eingepackt hat." Freudestrahlend hält Drew mir seine Hand entgegen. Ich ergreife sie und die Wärme seiner Haut legt sich sofort auf meine.
"Hallo ihr zwei", begrüßt uns Cole freudig. Er zieht Drew in eine stürmische Umarmung, gefolgt von Schulterklopfen. Es ist die Rede von der Begleichung einer Schuld, wissend schauen sich die beiden mit ernster Miene an. Ich fühle mich wie ein Fremder oder zumindest ahnungsloser. Denn bei besagter 'Schuld' war ich nicht anwesend. Plötzlich brechen sie in schallendes Gelächter aus und ich erwische mich dabei, wie ein Tropfen Eifersucht in mein Herz rinnt.Drew und Cole reden miteinander. Hochzeit, Isabel im Stress, nur noch zwei Wochen und Joshua fast am Durchdrehen. Da sind winzige Gesprächsfetzen, welche zu mir herüber wehen. Unschlüssig stehe ich ein paar Schritte entfernt und knete meine Hände. Mein Blick schweift über die Szenerie, die sich mir bietet. Eine Wiese, saftig grünes Gras, frisch gemäht, es riecht nach Sommer und der Wind weht durch die Blätter der großen alten Eiche. Ein Felsenbrocken versperrt mir die Sicht auf Coles Arrangement. Moosbewachsen, kantig ragt er vor mir auf. Meine Finger streifen über die raue kalte Oberfläche des Gesteinsbrocken. Grau mit dunklen Furchen und durchzogen von hellen Linien, stumme Zeugen einer längst vergessenen Zeit. Auf dem Boden abgelagerte Staubkörnchen und Millionen Jahre Druck überzogen von einer weichen und leicht feuchten Schicht Moos im Kontrast zu dem harten Gestein. Ein Wechselspiel aus Grüntönen, dunkel und kräftig durchzogen von gelbgrün und saftig. Ein wichtiger Bestandteil für unser Ökosystem, Unterschlupf, Nahrungsquelle und Baumateriallieferant.
Auf der anderen Seite des Felsen eine rot-karierte Decke und oben auf thront klassisch klischeehaft ein Picknickkorb. Braunes Weidengeflecht mit einem stabilen Tragegriff aus Leder. Ausgekleidet mit demselben rotem karierten Stoff wie das Muster auf der Decke, befindet sich im Korb alles was das Herz begehrt. Teller, Besteck und Gläser für zwei Personen. Stoffservietten und eine Flasche Rotwein. Käse, Schinken, Pasteten und Oliven. Dazu frisches Obst und Baguette.
"Französisches Picknick. Ich hoffe du magst es", raunt Drew in mein Ohr. Wieder liegen seine Hände auf meinen Hüften, wieder liegen seine Lippen nah an meinem Ohr und wieder läuft mir ein warmer Schauer den Rücken herunter."Das wollten wir doch lassen", sage ich ruhig und Drew kichert. Seine Lippen streifen meine Wange und mit einer geschmeidigen Bewegung lässt er sich auf die Decke fallen. Grinsend sieht er zu mir herauf und ich schwöre, dass macht er mit Absicht. Langgestreckt liegt er da, gestützt auf seine Unterarme, die Beine überschlagen. Das Shirt spannt eng über seiner Brust und betont Drews kräftige Arme, die von schwerer körperlicher Arbeit zeugen. Die Muskeln seines wohldefinierten Körpers drücken sich hart hervor und meine Fingerspitzen beginnen zu kribbeln als ich seine Haare betrachte, die von einer sanften kühlen Brise umspielt werden. Feine Strähnen fallen in seine Stirn und ich muss mich zwingen sie nicht an ihren Platz zu legen.
Cole ist gegangen. Drew und ich sind allein. Nur wir und eine Flasche Rotwein. Wir wissen beide wie das enden kann.
"Also", sage ich langgezogen und lehne mich mit dem Rücken an den Felsbrocken. Hart drückt sich der raue Stein in meine Haut. Kälte breitet sich aus und ich genieße das Gefühl. Es kühlt meinen erhitzten Körper, die Wärme der Sonne kitzelt die Haut an meinen Armen und dem Gesicht. Kälte und Härte von der einen Seite, Wärme und die Schönheit des Sommers von der anderen. Ich liebe starke Kontraste und gerade kommt mir der Text eines Gedichtes in den Sinn, dass ich in meinem Abschlussjahr der High-School analysieren durfte.Aber dafür ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.
"Womit fangen wir an?", frage ich und Drew setzt sich ächzend auf.
"Mit dem Essen. Nebenbei unterhalten wir uns." Drew verteilt die Teller und das Besteck, ich öffne die Flasche Wein und schenke uns beiden etwas ein. Die dunkle rote Flüssigkeit fließt in die Gläser, der Anblick erinnert mich immer ein wenig an Blut. Fasziniert beobachte ich Drew dabei, wie er unsere Teller mit den Köstlichkeiten der französischen Küche füllt.
"Magst du etwas gar nicht?", fragt er und meine Antwort folgt prompt.
"Oliven. Ich mag keine Oliven."
"Dann nehme ich deine. Und du bekommst meinen Schinken.""Du bist Vegetarier", schlussfolgere ich.
"Seit sechs Jahren." Das läuft doch prima. Ich habe gerade gelernt, dass mein Mann Vegetarier ist und anscheinend eine Vorliebe für Käse hat. Denn davon befindet sich reichlich auf seinem Teller. Genauso wie Weintrauben, Erdbeeren, Kirschen und Apfelscheiben.
"Noch etwas was du nicht magst?"
"Im Moment nicht", antworte ich und reiche ihm sein Glas.
"Ehrlichkeit Lewis. Bekommen wir das hin?", fragt er ernst und ich nicke. Klirrend stoßen unsere Gläser zusammen, ein besiegeltes Bündnis. Ehrliche und offene Gespräche sind wichtig in einer gut funktionierenden Beziehung. Auch wenn wir kein Paar sind, so leben wir die nächsten Monate zusammen. Und müssen zwangsläufig miteinander auskommen. Ohne jedes Mal direkt übereinander herzufallen. Denn das tut uns eindeutig nicht gut. Es verwirrt und verletzt.
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Lost memory - suddenly marrried -
RomanceZögerlich wende ich meinen Kopf und schaue auf die andere Hälfte des Bettes. Gebannt starre ich auf den Rücken eines Mannes mit schwarzen Haaren. Das Bild von Elvis flitzt durch meine Gedanken und ich schlucke trocken. Was ist bloß passiert? Ich bet...