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"Wow. Was für ein Abend", sagt Drew als wir die wohlige Wärme des Buchladens hinter uns lassen und in die kalte Dezembernacht hinaustreten. Ein eisiger Wind weht uns um die Nase, kalte frostige Luft die schmerzlich auf unseren erhitzten Wangen prickelt. Schon jetzt beginne ich zu frieren und schüttele mich einmal kräftig. Schützend schlinge ich die Arme um meinen Körper und versuche ein wenig der Wärme zu erhalten. Die Luft riecht nach Schnee, dunkle Wolken verdecken die schimmernden Farben des Mondes. Die Straßen erleuchten durch den schummrigen Schein der Straßenlaternen und den weihnachtlichen Dekorationen der Schaufenster.

Gemächlich machen wir uns auf den Weg nach Hause. Drew bleibt plötzlich stehen und ein Lichtermeer aus buntleuchtenden Dioden in Form kleiner Kugeln taucht sein schönes Gesicht in Regenbogenfarben und doch können sie das strahlende Blau seiner Augen nicht überdecken. Meine Fingerspitzen beginnen zu kribbeln als ich etwas kleines weißes auf seinen tiefschwarzen Haaren glitzern sehe. Feine Flocken gefrorenes Wasser in Form kleiner Sterne. Der erste Schnee des Jahres. Anmutig tanzen sie um uns herum, verwandeln die graue triste Masse in ein weißes glitzernde Meer. Immer mehr Schneeflocken bedecken das Haupt meines Mannes und ich seufze als eine Flocke auf seiner Nasenspitze landet und unter der Wärme seiner Haut schmilzt.

"Ist dir kalt?", fragt Drew und beginnt damit den Schal um seinen Hals zu lösen. Ehe ich etwas erwidern kann, legt er den blauen aus weicher Wolle gestrickten Schal um meinen Hals, wickelt ihn zweimal herum und haucht einen Kuss auf meine Wange. Eingehend betrachte ich ihn und egal ob es an der Stimmung des Abends, der Vorweihnachtszeit oder der Tatsache, dass er sich so rührend um nicht kümmert liegt, mein Herz schlägt unnatürlich schnell in meiner Brust und mir wird augenblicklich warm. Die Kälte entweicht meinen Gliedern als Drew meine Hand nimmt und die Kuppe seines Daumen zärtlich über meinen Handrücken streicht. Seine Wangen schimmern leicht rosa und seine Augen strahlen vor Freude und Zufriedenheit. Der Schnee glitzert in seinen Haaren und er sieht so wunderschön aus. Ich habe unglaubliches Glück gehabt einen Mann wie Drew geheiratet zu haben und nicht einen Miesepeter mit ständig schlechter Laune oder sogar einen Kerl, der es männlich findet, seinen Partner zu verprügeln.

"Das Buch erscheint erst nach den Feiertagen und ich halte es schon jetzt in meinen Händen", flüstert Drew und streicht mit dem Daumen seiner freien Hand liebevoll über den bordeauxroten Einband. Auf dem Cover zwei Männer, jung, gefährlich und voller Liebe zueinander. Ich weiß genau, welches Buch ich meinem nächsten Artikel widme. Und Drew, mit seinen vor Glück strahlenden Augen und dem breiten Grinsen auf dem Gesicht wird mir auf ewig in Erinnerung bleiben. Es ist so schön zu sehen, wie sehr er sich freut. Mein Tag begann schlecht, wurde begleitet von Tristesse und Ödnis. Verwandelte sich im Laufe des Abends aber zu einem Kelch voll Gefühlen. Von Schmerz und Tränen, zu Ekstase und Lust um weiter zu wandern und bei Freude und Wärme anzukommen.

"Es hat dir also gefallen?", frage ich schmunzelnd und ernte einen schockierten Blick von Drew.
"Dir etwa nicht?"
"Doch. Es ist ein gutes Buch. Spannend. Erotisch. Tragisch. Nur der Titel...", sage ich und schüttele meinen Kopf.
"...hm nein. Der passt nicht wirklich. 'In the streets of New York' ist naheliegend. Dennoch... ich weiß nicht. Ich hätte etwas anderes gewählt." Meine Stimme ist leise, ich denke über einen passenden Titel nach und die Worte der Autorin flattern in meinen Gedanken herum wie eine Horde wildgewordener Schmetterlinge. 'Seid lieb zueinander, achtet auf euch und die Mitmenschen in eurer Umgebung. Denn hinter jeder harten Schale, steckt ein weicher Kern. Und irgendwo wartet eine Liebe, die so stark ist, dass sie alle Ketten sprengt.'

"Das ist es", rufe ich euphorisch. "Love breaks chains. Sie hat es selbst gesagt", rufe ich und Drew strahlt über das ganze Gesicht.
„Perfekt", sagt er und wieder haucht er einen Kuss auf meine Wange. Seine weichen Lippen hinterlassen ein prickelndes Gefühl. Er streicht mir liebevoll durch die Haare und sieht mir tief in die Augen. Ich atme schneller, der Strudel seiner blauen Iriden zieht mich in ihren Bann und mir wird leicht schwindelig. Was geschieht hier bloß? Mein Hals ist trocken und ich schlucke schwer als Drew seine vollen Lippen mit dieser sündig heißen pinkfarbenen Zunge befeuchtet. Sofort habe ich ein Bild von seiner Zunge an meinem Schwanz vor Augen und gleich darauf ein weiteres. Drew unter mir, mit wild zerzausten Haaren, die Augen glänzen und diese wunderschönen Lippen leicht gespalten, während das wunderbare Stöhnen der vollkommenen Ekstase seinen Mund verlässt. Seine Hände überall an meinem Körper und sein harter Penis tief in mir der mir einen Orgasmus unbekannten Ausmaßes beschert.

Fuck. Ruckartig löse ich mich von Drew und schnellen Schrittes eile ich durch die Straßen von New York. Weg von Drew. Weg von diesen Bildern. Weg mit dem aufkeimenden Gedanken an eine Zukunft mit Drew. Weg. Einfach weg und genau jetzt in diesem Moment treffe ich eine Entscheidung. Drew wird alles andere als begeistert darüber sein. Aber es geht nicht anders. Ich muss nachdenken, brauche Klarheit. Und die Nähe zu Drew und seinem Körper, der mich fest in seinem Griff hat, sind alles andere als förderlich dafür. Im Gegenteil. Sie bewirken, dass ich nicht mehr klar denken kann. Das sobald Drew mich berührt oder auch nur mit diesen wunderschönen Augen ansieht alle Sicherungen in meinem Kopf durchbrennen und ich an nichts anderes mehr denken kann als seine Hände auf meinem Körper, seine Lippen auf meinen und seinem Penis in meinem Hintern der mich in andere Dimensionen befördert.

Eine starke Hand umklammert mein Handgelenk und hält mich fest. Ich taumele leicht und verliere das Gleichgewicht.
"He", ruft Drew und mit einem dumpfen Schlag knallt mein Schädel gegen den von Drew. Die Welt wird dunkel und in meinen Ohren beginnt es laut zu pfeifen. Helle Blitze erscheinen vor meinen Augen und mir wird übel.
"Baby was ist los? Warum läufst du einfach weg?", fragt Drew und ich höre deutlich, dass auch er diesen Zusammenstoß nicht ohne Schmerzen überstanden hat. Langsam öffne ich meine Augen, Drew steht mit schmerzverzerrtem Gesicht vor mir und drückt den Ballen seiner rechten Hand gegen die Schläfe.
"Entschuldige. Das wollte ich nicht", flüstere ich. Doch Drew schüttelt nur den Kopf.
"Das geht so nicht Lewis", antwortet er und ich weiß das er Recht hat.

"Lass uns nach Hause gehen", sagt er und greift wie selbstverständlich nach meiner Hand. Kurz denke ich darüber nach mich dieser Berührung zu entziehen, verwerfe den Gedanken aber wieder als Drew beginnt zu reden.
"Das muss ein schreckliches Gefühl sein. Zu wissen, dass man sein Kind nie wieder sehen wird."
"Das ist es. Aber für das Kind ist es mindestens genauso schwer", antworte ich und schlucke den dicken Kloß in meiner Kehle hinunter. Ich weiß gerade nicht, ob ich stark genug für dieses Gespräch bin.
"Aber sie hatten keine andere Wahl."
"Man hat immer eine Wahl. In unserem Leben treffen wir viele Entscheidungen. Manche sind leicht. Kaffee oder Tee. Wiederum sind andere Entscheidungen umso schwerer. Unendlich schwer und im Nachhinein stellt man sich die Frage, ob es richtig oder falsch war."
"Zum Beispiel?", fragt Drew leise. Und genau dieser Tonfall ist es, der mich dazu veranlasst, über meinen Schatten zu springen.
"Ob man seine todkranke Mutter bis zum Schluss leiden lässt oder von ihren Qualen erlöst", sage ich und Drew schweigt. Er verstärkt den Druck auf meiner Hand und ich atme tief ein um die aufkommenden Tränen zu vertreiben. Aber es gelingt mir nicht. Eilig wische ich mir mit flachen Händen über das Gesicht. Dabei löse ich mich aus Drews Griff und bleibe abrupt stehen. Irgendwie fühlt es sich seltsam an. Falsch. Drews Wärme nicht mehr zu fühlen, macht mich schwermütig.
"Das tut mir leid Lewis", sagt er sanft und zieht mich in eine feste beschützende Umarmung.

"Wie alt warst du als deine Mum starb?", fragt er vorsichtig.
"Jünger als du jetzt." Ich will nicht darüber reden. Nicht hier, nicht jetzt.
"Was ist mit deinem Dad? Weißt du, wo er jetzt ist?"
"Nein. Ich weiß es nicht und es ist mir auch egal. Er hat uns verlassen als es schwierig wurde. Dabei hatte er Mum versprochen nie von ihrer Seite zu weichen. Er ist ein verlogenes feiges Stück Scheiße und ich hasse ihn", sage ich und der Zorn gemischt voll Wut und Abscheu schwingt in jedem Wort mit.


Lost memory - suddenly marrried -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt