Drews eindringlicher Blick ruht auf mir. Eine Gestalt löst sich aus den Schatten und erst jetzt bemerke ich, dass wir nicht allein waren. Mit gesenktem Kopf und einem sichtlich verstörten Ausdruck im Gesicht huscht ein junger Mann an uns vorbei. Seine feuerroten Haare erinnern mich an Carla und auch die Züge seines jungenhaften Gesichtes sind den ihren sehr ähnlich. Bruder, schießt es mir in den Kopf und gedanklich nicke ich.
"Was denkst du gerade?", fragt Drew und ohne den Blick von dem Jungen zu nehmen antworte ich genau das was ich noch vor zwei Sekunden dachte.
"Das ist Carlas Bruder." Drew brummt zustimmend und ich blicke ihn wieder an.
"Und davor? Woran hast du gedacht?" Im Park beim Picknick im Regen haben wir uns versprochen ehrlich zueinander zu sein. Davon werde ich nicht abrücken.
"An uns und Vegas. Ich versuche mich zu erinnern was passiert ist. Aber in meinem Kopf befindet sich nichts als schwarze Leere und die einzigen Bilder sind noch immer die Gleichen, die ich nach unserem Erwachen in dem Hotelzimmer hatte."
"Schwarze Haare, blaue Augen, Elvis", sagt Drew. "Ich erinnere mich", schiebt er leise hinterher."Es ist das einzige, woran ich mich erinnere, und es zermürbt mich. Das ganze hier, wir beide, es frisst mich von innen heraus auf. Mein Körper scheint dich zu kennen und zu begehren. Ich mag es nicht die Kontrolle zu verlieren", antworte ich und beschließe Drew eine Frage zu stellen, von der ich die Antwort bereits kenne. Und doch muss ich die Worte aus seinem Mund hören.
"Erinnerst du dich? An irgendetwas? Bitte sag es mir. Auch wenn es noch so klein ist.""Nein." Drew schüttelt seinen Kopf. Auch er erinnert sich nicht.
"Mir wird gerade erst richtig klar, wie sehr mich der Verlust meiner Erinnerungen belastet. Ich wüsste so gerne was passiert ist. Habe ich dich angesprochen oder du mich? Habe ich deinen Schwanz gelutscht oder du meinen? Wir beide? Wie sind wir in der Kapelle und bei Elvis gelandet? In dem Hotelzimmer? Woher hatten wir das Kondom und haben wir Gleitgel verwendet? Anscheinend nicht, denn mir tat so dermaßen der Hintern weh." Belustigt über die Absurdität dieser Situation sitzen wir noch immer mit den Rücken an die Wand gelehnt da und grinsen uns an."Das klingt wie aus einem schlechten Film, weißt du das? Das ist doch eigentlich der Albtraum eines jeden Mannes, oder? Du wachst morgens auf, hattest eine heiße Nacht und erinnerst dich nicht mehr daran. Der Mann neben dir ist atemberaubend schön, sein Körper athletisch und der Hintern wohlgeformt. Du stellst dir vor wie deine Hände zärtlich über die Rundung streicheln und kannst dich nicht erinnern. Nicht an das Gefühl von seiner Haut an deiner oder wie seine Lippen schmecken. Ich möchte nicht länger darüber nachdenken was gewesen ist. Du weißt es nicht, hast keinerlei Erinnerungen. Wir sollten in die Zukunft blicken Lewis. Es ist besser so", entgegnet Drew.
Ruckartig drückt er sich von der Wand ab und steht mit zwei langen Schritten direkt vor mir. Seine ausgestreckte Hand ist kein Zeichen von Frieden schließen oder eine Begrüßung. Er bietet mir seine Hilfe an aufzustehen, mich dem Trubel der Party zu stellen und einen schönen Abend mit ihm zu verbringen. Zögerlich ergreife ich Drews Hand und lasse mich in eine aufrechte Position ziehen. Der Schwung reicht aus um mich taumeln zu lassen, doch Drew fängt mich auf. Starke Arme umschlingen meine Taille, seine Nähe gibt mir die nötige Ruhe, welche ich brauche, um den nächsten Schritt zu gehen.
"Es tut mir leid. Was ich gesagt habe war nicht fair", sage ich entschuldigend. Statt einer Antwort zieht Drew mich in eine feste Umarmung, ich seufze und rieche den frischen Duft des Meeres.
"Du bist anstrengend Lewis Hurst. Und wenn ich es nicht besser wüsste, dann könnte man glauben, du bist einer meiner Verwandten aus London. Meine Tante kann genauso anstrengend sein und mein Onkel hat ständig einen sitzen", sagt Drew und kichert bei seinen letzten Worten. Auch ich kann ein Lachen nicht unterdrücken und gemeinsam halten wir uns bebend in den Armen und genießen diesen seltenen unbeschwerten Moment zwischen uns."Wir sind schon ein skurriles Ehepaar", sage ich und Drew verdreht die Augen.
"Ja. Das sind wir. Und dass, obwohl du nie heiraten wolltest", antwortet er leise. Seine Augen fixieren meine Lippen und ich beiße fest auf meine Unterlippe, lasse meine Zähne über das rosige Fleisch gleiten. Jeder innige Moment zwischen uns endete mit einem Orgasmus.
"Lass uns gehen." Drew haucht einen Kuss auf meinen Mundwinkel und greift nach meiner Hand. Gemeinsam treten wir aus dem diffusen Licht der Nische und ich atme einmal tief durch, bevor ich zusammen mit Drew den Saal betrete. Auf das was mich hier erwartet war ich im Leben nicht vorbereitet und es zieht mir regelrecht den Boden unter den Füßen weg. Schon wieder und ich hasse dieses Gefühl.In den letzten Wochen bevor meine Mum starb, sprach sie immer weniger über die Vergangenheit. Vielmehr lebte sie im Hier und Jetzt, genoss jeden Augenblick und malte Bilder von einer Zukunft, die sie sich erträumte, aber niemals sehen würde. Wenn meine Mum über die Traumhochzeit ihres einzigen Kindes sprach, dann schloss ich meine Augen und sah Bilder vor mir von einem großen Saal ausgelegt mit dunklem Holz, breite Dielen wie man sie früher in alten Schlössern fand, bodentiefen Fenstern, weißen hauchzarten fließenden Vorhängen, Kronleuchtern mit glitzernden Kristallen, die in dicken Tropfen von der Decke hängen und einem Hochzeitspaar so strahlend schön und anmutig, welches sich leichtfüßig zur Musik der Band bewegt.
Das Lied für den Hochzeitstanz summte sie leise vor sich her und ich drückte ihre Hand und spürte Liebe, Zuneigung und Vertrauen. Mum starb in meinen Armen, vollgepumpt mit Schmerzmitteln. Eine Träne verließ ihre Augen, glitzerte auf ihrer Haut welche die gleiche Farbe wie meine hatte. Sie summte das gleiche Lied was soeben ertönte und je mehr Takte verstreichen, umso mehr zieht sich mein Herz zusammen. Ich kralle mich in Drews Arm, spüre seinen Blick auf mir und wie gerne würde ich ihm sagen, dass mich dieser Anblick gerade eiskalt erwischt. Aber ich möchte ihn nicht wieder enttäuschen.
Wie festgewachsen stehe ich da und beobachte gespannt, wie sich die Menge vor uns teilt. Ich sehe Joshua in einem wunderschönen schwarzen Smoking mit einer vor Glück strahlenden Isabel im Arm. Ihr elfenbeinfarbenes mit Spitze überzogenes Meerjungfrauen-Kleid sitzt wie eine zweite Haut. Figurbetont, glamourös, ihr schwarzes glänzendes Haar fällt in großen Wellen über ihren Rücken. Die breite Flügeltür ist weit geöffnet und die weißen Vorhänge bewegen sich sanft durch die frische Brise, die zu uns herüber schwebt. Die Härchen an meinen Armen stellen sich auf und mein gesamter Körper beginnt zu kribbeln.
Drew steht dicht neben mir, sein Arm liegt um meiner Taille, meine Hände krallen sich in den weichen Stoff seines Smoking und ich versuche meine Tränen unter Kontrolle zu bekommen. Mit der anderen Hand streichelt er beruhigend über meinen Rücken. In Erinnerungen schwelgend schließe ich meine Augen, spüre Drews warmen Atem an meiner Haut und die seichte Bewegung seines Körpers. Die Band spielt ein Lied und ich lasse mich fallen, gebe mich den Zeilen und den starken Armen meines Mannes hin.
Now I've had the time of my life
No, I never felt like this before
Yes I swear it's the truth
And I owe it all to you' Cause I've had the time of my life
And I owe it all to you I've been waiting for so long
Now I've finally found someone to stand by me
We saw the writing on the wall
And we felt this magical fantasy
Now with passion in our eyes
There's no way we could disguise it secretly
So we take each others hand
'Cause we seem to understand the urgency Just remember
You're the one thing
I can't get enough of
So I'll tell you something
This could be love Because I've had the time of my life
No, I never felt this way before
Yes I swear it's the truth
And I owe it all to you
Hey baby With my body and soul
I want you more than you'll ever know
So we'll just let it...Meine Mum hätte Drew geliebt. Seine Schwester lebt ihren Traum und ich frage mich, ob sie gerade von oben auf uns herabschaut und sich vorstellt, dass Drew und ich unseren Hochzeitstanz vollziehen. Das wünsche ich mir. Mum in einem weißen Seidenkleid mit großen weißen Flügeln die im sanften Licht der untergehenden Sonne strahlen. Ebenso wie ihr Lachen. Sie sieht von oben zu uns hinunter und tanzt mit Engeln einen Reigen zu den Klängen des Liedes. Wie Drew und ich in diesem Moment.
"Du bedeutest mir wirklich viel Lewis. Ich bin kurz davor mich zu verlieben", flüstert Drew in mein Ohr und besiegelt seine Worte mit einen gehauchten Kuss auf meine Wange.
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Lost memory - suddenly marrried -
RomanceZögerlich wende ich meinen Kopf und schaue auf die andere Hälfte des Bettes. Gebannt starre ich auf den Rücken eines Mannes mit schwarzen Haaren. Das Bild von Elvis flitzt durch meine Gedanken und ich schlucke trocken. Was ist bloß passiert? Ich bet...