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Unschlüssig stehe ich vor der grünen Tür und betrachte die Maserung des Holzes. An einigen Stellen ist die Farbe bereits abgeblättert und das Messing der Klinke wirkt matt und hässlich. Eine Straßenlaterne spendet gelbliches diffuses Licht, eher verdreckt als heimelig und lässt somit die Umgebung aus einer anderen Sichtweise erscheinen. In der Ferne ist das stetige ohrenbetäubende Geräusch eines Feuerwehrwagens zu hören und kurz danke ich wem auch immer da oben, dass Drew Tischler und nicht Polizist oder Feuerwehrmann geworden ist. Jeden Tag mit der Angst im Nacken, ob mein Mann lebend nach Hause kommen würde oder nicht, hätte mich schon längst zerfressen. Es ist das schlimmste Szenario für jeden Angehörigen, diesen über alles verhassten Anruf zu bekommen.

Das Klingelschild zeigte bei meinem letzten und einzigen Besuch einen Namen. Jetzt sind es zwei. Hurst/Norris Cole fackelte nicht lange und kurz nachdem Drew das Nest verlassen hatte, zog seine Freundin bei ihm ein. Ich bin mir nicht sicher, ob Drew hier ist. Es ist nur eine Vermutung und für mich die logischste Schlussfolgerung. Die Verbundenheit mit seinem Bruder ist sehr tief und ich vermute, dass Drew eher zu ihm statt seiner Schwester gehen würde. Minutenlang schwebt mein Zeigefinger über dem weißen Schild, nur einen Millimeter weiter und in der Wohnung über mir ertönt das Signal eines unangemeldeten Besuchers. Niemand weiß das ich komme. Es ist mitten in der Nacht. Wie wird Drew reagieren, wenn er mich sieht? Wird Cole seine Drohung wahr machen und ich sollte lieber das Weite suchen, bevor er mich findet? Meine Gedanken werden abrupt unterbrochen als sich die grüne Tür schwungvoll öffnet und ein junger Mann mit blonden Haaren und blauen Augen, einem grazilen Gesicht und wunderschön geschwungenen Lippen stirnrunzelnd vor mir steht. Sein After Shave verströmt einen bekannten Duft und Eifersucht regt sich. Das gleiche After Shave wie Drew es manchmal benutzt.

"Kann ich Ihnen helfen?", fragt mich der junge Mann und ich schaue ihn fragend an.
"Suchen Sie jemanden?" Ja meinen Ehemann. Eine dunkelhaarige Schönheit mit geschickten Händen und einer talentierten Zunge. Aber das sage ich ihm nicht. Stattdessen lege ich ein falsches Lächeln auf und greife an ihm vorbei und lege meine Hand an die Tür.
"Danke. Ich komme schon klar", entgegne ich. Ich kenne ihn nicht. Somit geht es ihn auch nichts an wohin mein Weg mich führt. Schnell schlüpfe ich an ihm vorbei und ignoriere die Fragezeichen über seinem Kopf. Mit Beinen, schwer wie Blei, erklimme ich die Stufen zu Cole' Wohnung und stehe bald vor seiner Haustür. Und wieder regt sich der Zweifel, ob es richtig ist, was ich hier tue. Ich lausche in die Nacht hinein, aber außer meinem wild klopfendem Herzen, ist nichts zu hören. Schnaufend schüttele ich den Kopf. Was habe ich erwartet? Dass Drew weinend hinter dieser Tür sitzt und ich sein herzzerreißendes Schluchzen und Cole beruhigende Worte höre? Wohl eher nicht. Drew leidet leise.

Ich atme tief durch und schließe für einen Moment meine Augen. Jetzt oder nie. Ich entscheide mich für nie. In meinem Kopf schreit die Stimme laut 'Nein! Du machst einen Fehler. Sei kein Feigling Lewis Hurst.' Und ehe ich weiter darüber nachdenken oder in ein Streitgespräch mit meinem persönlichen Dämon verfallen kann, zerreißt das schrille Klingeln der Türglocke die Stille der Nacht. Fuck. Panisch reiße ich die Augen auf und wimmere leise. Was habe ich getan? Warum habe ich das getan? Ich wollte doch gehen. Stattdessen liegt der Zeigefinger meiner rechten Hand auf dem bronzefarbenen Knopf und für einen Moment habe ich das Gefühl, ein elektrisierender Schlag geht direkt durch meinen Körper. Mein aufgeregt schlagendes Herz ist nicht annähernd so laut wie das Geräusch der Klingel. Warum klingelt es noch immer? Ich bin verwirrt.

Aus dem Inneren der Wohnung erklingen seltsame Geräusche. Poltern, eine knallende Tür, lautes Fluchen. Ich trete näher an die Tür und versuche zu erahnen, was da drinnen vor sich geht. Es hört sich an, als würde Quentin Tarantino seinen nächsten Action-Blockbuster in der Wohnung meines Schwagers und seiner Freundin drehen. Ruckartig öffnet sich die Tür und ein vollkommen zerzauster und verschlafener Drew steht plötzlich vor mir. Seine Augen weiten sich als er mich erkennt und ich stehe einfach nur da und kann mich nicht mehr bewegen. Zu sehr zerreißt mich der Anblick und die Erinnerung an unser Erwachen in Vegas ist gerade sehr präsent. Ich höre Drews Stöhnen als die Holzfäller in seinem Kopf mit ihrer Arbeit begannen. Ihm tat der Kopf und mir der Hintern weh. Bilder von Drews breitem muskulösem Rücken flackern auf und ich fühle das pulsierende Prickeln in meinen Fingerspitzen beim Anblick seiner vom Schlaf und Sex der vergangenen Nacht zerwühlten schwarzen Haare. Unbewusst scanne ich seinen Körper und lecke mir über die trockenen Lippen. Meine Atmung geht mal wieder viel zu schnell und der Drang mich so eng wie möglich an seine Brust zu schmiegen, ist enorm stark. Drew trägt nichts weiter als eine schwarze sehr enge Boxershorts. Gierig betrachte ich die Konturen seines Schwanzes. Jede Faser seines Körper ist mir wohlbekannt. Unzählige Küsse bedeckten seine warme reine Haut durch meine Lippen. Das Aroma von Meer und Salz in Kombination mit Drews sexgetränkter Haut kitzelt an meinen Geschmacksknospen. Mein Verstand holt Erinnerungen an unendlich viele Stunden voller Hingabe und Leidenschaft hervor und sorgt dafür, dass sich alle Härchen an meinem Körper kerzengerade aufstellen und ich von einem wohliger Schauer umhüllt werde. Drews breite Brust mit den ausgeprägten Muskeln und dem wunderbaren Sixpack hebt und senkt sich schnell. Ich schaffe es gerade so den Blick zu lösen als ich meinen Namen höre.

Lost memory - suddenly marrried -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt