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"Okay. Gut. Ich sag nichts mehr", höre ich Cole sagen. Schnell wische ich mir mit den Handflächen über das Gesicht und versuche so viel wie möglich von den verräterischen Tränen zu verjagen. Cole muss nicht sehen, dass ich geweint habe.
"Ich mache mir nur Sorgen." Er kann es nicht lassen.
"Du kannst es nicht einfach gut sein lassen, oder?", fragt Drew.
"Einfach nur Sex. Ohne Gefühle. Das bist nicht du Drew. Wenn du liebst, dann mit ganzem Herzen und voller Seele. Lewis ist so ein Idiot. Er weiß nicht was er an dir hat."
"Ja Lewis ist ein Idiot. Manchmal. Aber er ist mein Idiot", antwortet Drew und das ist mein Stichwort diesem Gespräch ein Ende zu setzen. Sollen sie es weiterführen, wenn ich nicht anwesend bin.

"Und er ist nicht immer so", sagt Drew leiser und blickt in Richtung Tür an dessen Rahmen ich mich mit verschränkten Armen lehne. Sein durchdringender Blick nimmt mich sofort gefangen und das Glitzern der Überraschung mit dem Funkeln von Freude jagt mir einen Schauder über den Rücken. Mein Herz macht einen freudigen Hüpfer als sich ein kleines feines Lächeln um seine Mundwinkel bildet.
"Natürlich bin ich enttäuscht darüber, dass er mich über die Feiertage allein gelassen hat. Und ich bin noch immer sauer, dass er mir betrunken diese äußerst seltsame Nachricht geschrieben hat..."
"Welche Nachricht?", unterbricht Cole Drews Redefluss und erntet einen bösen Blick. Aber nur kurz und sogleich richtet sich seine Aufmerksamkeit wieder auf mich.
"Ich warte schon so lange und ich hoffe, dass sich das Warten gelohnt hat." Drew klopft Cole freundschaftlich auf die Schulter und kommt auf mich zu. Mein Herz rast und ich bin mir sicher, dass Drew das laute Hämmern in meinem Inneren hören kann.

Ein paar Zentimeter vor mir stoppt er und ich schlucke trocken. Seine Hand legt sich auf meine Hüfte und ich atme geräuschvoll aus.
"Hi", flüstert er.
"Entschuldige bitte. Ich wollte nicht lauschen", sage ich leise. Und doch habe ich es getan. Mal wieder.
"Hmhm. Wie lange stehst du schon da?" Wahrheit oder Lüge? Ich entscheide mich für die Wahrheit.
"Fester", antworte ich und ernte ein verschmitztes Lächeln.
"Das klingt geil aus deinem Mund", haucht Drew und sämtliche Härchen an meinem Körper stellen sich auf. Denn zu Drews gehauchten Worten mit dieser tiefen erotischen Stimme kommen seine Finger, die sich unter den Saum meines Pullovers schieben. Die Nebelschwaden sammeln sich bereits und bereiten sich für ihre Reise zu meinem Verstand vor. Aber bevor sich der Schleier der Lust wie eine flüchtige Wolke über mich legen kann, entzieht Drew sich und die Flammen der Freude erlöschen in seinen Augen. Zurück bleibt die Frage nach dem Unausgesprochenem der letzten Tage.

"Können wir reden?", frage ich und Drew nickt.
"Das ist dann wohl mein Stichwort", sagt Cole und huscht schnell an uns vorbei.
"Ruf mich an, kleiner Bruder. Bye Lewis", höre ich Cole noch rufen als er eilig die Treppe hinunter poltert. Drew und ich stehen einfach nur da und blicken uns in die Augen. Erst als das Zuschlagen der Haustür mir signalisiert, dass Cole gegangen ist und wir allein sind, löse ich meinen Blick und kann kaum glauben was ich sehe.

An der Stelle, wo sich das von mir mehr oder weniger gut zusammengebaute Bücherregal befand, erstrahlt eine hölzerne Schönheit in ihrer vollen Pracht. Drew muss die letzten Tage damit verbracht haben ein neues Bücherregal zu bauen. Für mich. Und es ist wunderschön. Dunkles Mahagonifarbenes Holz, farblich abgestimmt zum Schreibtisch, erstreckt sich eine Bücherwand über die gesamte Länge des Raumes. Einzelne Regale abgetrennt durch stützende Wände, verkleidet mit einer einfachen geradlinigen, aber schönen Schnitzerei. Unterhalb des Aufsatzes eine aufgesetzte Stuckintarsie mit einem floralen Blütenwerk. Der Aufsatz ist ebenfalls kunstvoll verziert, die Kanten und verschiedenen Ebenen stilvoll hervorgehoben. Messingbeschläge und im unteren Bereich Schubladen mit wunderschönen ebenfalls aus glänzenden Messing gefertigte Griffe. Vor mir steht ein Traum aus Holz und ein Kunstwerk des Tischlerhandwerkes.

Meine Brust zieht sich schmerzlich zusammen. Drew ist so lieb und aufmerksam, baut sogar ein neues Regal damit ich endlich Herr über das Bücherchaos in meinem Büro werde. Ich dagegen habe nichts Besseres zu tun, als mir vorzustellen, dass er einen fremden Kerl in unserem Haus fickt. Ich bin solch ein Idiot.
"Es ist wunderschön Drew", sage ich leise und lasse meine Fingerkuppen andächtig über das glatte dunkle Holz fahren.
"Ich wollte dich überraschen", sagt er und ich höre ihn hinter mir wie er die verschiedensten Werkzeuge wieder an ihren Platz in dem grauen Werkzeugkoffer verstaut.
"Hast du das in den letzten Tagen gebaut?", frage ich interessiert und lasse meinen Blick immer wieder über die wunderschönen Intarsien gleiten.
"Nein. Ich arbeite schon länger daran. Die einzelnen Teile lagerten in der Werkstatt meines Onkels und dort habe ich auch die Drechslerarbeiten gemacht. Cole hat mir lediglich beim Aufbau und dem Feinschliff geholfen."

Lost memory - suddenly marrried -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt