"Ich habe den Ring auch mit einem kleinen Stein", sagt der Mann mir gegenüber und holt mich somit zurück aus meinen Erinnerungen. Ich blinzele und versuche zu verarbeiten, was hier gerade geschehen ist. Er lächelt freundlich und deutet auf etwas in meiner Hand.
"Oh", sage ich überrascht. Der Ring mit den feinen goldenen Linien ziert den Ringfinger meiner rechten Hand und verlegen streife ich ihn schnell von meinem Finger. Unbewusst habe ich ihn anprobiert. Die Tiefe meiner Gedankengänge überrascht mich immer wieder. So schlimm ist es noch nie gewesen. Das ich wie automatisch einen Ehering anstecke und darüber nicht in Panik verfalle.
"Er steht ihnen. Und für ihre Freundin habe ich den gleichen. Nur mit einem Stein", wiederholt er und ich stocke über seine hinzugekommenen Worte. Meine Freundin? Schnell schüttele ich den Kopf und lege den Ring an den für ihn vorgesehenen Platz direkt neben seinem Gegenstück."Der Ring ist sehr schön. Aber mein Mann trägt keinen Schmuck", antworte ich gedankenverloren.
"Sie tragen ja auch bereits einen Ehering", erwidert der freundliche Herr lächelnd.
"Nein. Das ist nicht der Grund. Drew ist Tischler. Seine Hände sind sein Kapital. Wenn er bei der Arbeit Schmuck trägt und sich aufgrund dessen verletzt, zahlt die Versicherung kein Geld. Und seine Hände könnten solch einen Schaden erleiden, dass er einen Finger verliert oder sogar die ganze Hand. Dann könnte er seinen Traumberuf nicht weiter ausführen und das wäre schrecklich. Er besitzt ein unglaubliches Talent und liebt seinen Beruf. Sogar mehr als mich", plappere ich einfach drauf los und schlucke trocken als der letzte Satz über meine Lippen kommt. Ich habe es bereits länger geahnt. Aber es nicht gewagt auszusprechen. Auch jetzt wollen die Worte nicht so recht meinen Mund verlassen."Was halten sie hier von?", fragt er mich und deutet auf einen Anhänger. Ich atme tief ein und ziehe meine Zähne immer wieder über das Fleisch meiner Unterlippe. Die frostige Kälte der Seeluft liegt bereits schmerzend auf meinen Wangen und die Tortur meiner Zähne löst ein wohliges Prickeln auf meinen Lippen aus. Ich nehme den Anhänger und streiche behutsam über das raue dunkle Holz. Es ist ein Stück aus dem Meer, verbunden mit einer dicken Kordel an einem handgefertigten silbernen Schlüsselring und einer gelaserten Gravur. 'HOME' prangt in schwarzen Lettern auf dem Holz über das Drew sicher eine Menge zu erzählen weiß. Es gefällt mir sehr gut und bei dem Gedanken daran, dass Drew die Schlüssel für mein Haus dauerhaft an diesem Anhänger trägt, löst sich eine riesengroße Welle Zufriedenheit und Glück. Sie wabert fröhlich durch meinen Körper und ich lächele vor mich her. Ja, das wäre schön.
"Ring oder Anhänger?", ertönt eine altbekannte Stimme neben mir. Als ich mich in die Richtung wende sehe ich Terence, der mit einer Packung gebrannten Mandeln und mehreren Tüten beladen neben mir steht und belustigt mit den Augenbrauen wackelt.
"Du hast die Wahl. Entscheide dich", sagt er.
"Das habe ich heute so ähnlich schon mal gehört", antworte ich leise und Terence blickt mich mit in Falten gelegter Stirn skeptisch an.
"Brauchen wir Wodka?", fragt er und ich nicke.
"Viel Wodka." Nun ist es Terence der nickt und sich kommentarlos umdreht und in die Richtung entschwindet, von der ich weiß, dass sich dort der Spirituosenladen befindet.Ich bezahle den Anhänger und lasse meinen Blick immer wieder über die beiden Ringe schweifen. Sie sind wunderschön.
"Darf ich den Anhänger als Geschenk verpacken?", fragt der Mann und ich nicke einfach während meine Gedanken bei Drew und dem Ring mit der goldenen Linie an seinem Finger feststecken. Er wäre perfekt.
"Ihr Freund hat Recht. Sie haben die Wahl. Manchmal fällt es einem schwer, das Richtige zu tun", sagt er während die schlanken mit mehreren Ringen besetzten Finger das dunkelblaue Papier kunstvoll um die Schachtel legen. Zum ersten Mal an diesem Abend betrachte ich den Mann vor mir und auch wenn ich ihn bereits seit mehreren Jahre kenne, habe ich gewisse Dinge nie wahrgenommen. Er hat ungefähr meine Größe und auch mein Alter. Sein maskulines kantiges Gesicht wird umrahmt von vollem dunkelbraunen Haar. In der Dunkelheit des Weihnachtsabends könnte es auch schwarz sein. Aber durch das sanfte Licht der Beleuchtung, die seinen Stand erhellt, ist es eher braun statt schwarz. Nichts im Vergleich zu Drews schwarzen Haaren, so dunkel wie die finsterste Nacht. Er hat haselnussbraune Augen, eine gerade schmale Nase und volle Lippen, welche ein liebliches Lächeln zieren. Er ist ein gutaussehender Mann."Sie kommen jedes Jahr hierher und kaufen ein oder zwei Schmuckstücke. Ich habe mich immer gefragt, wer wohl die Glückliche ist. Jedoch kauften sie immer Schmuck für einen Mann. Aber sie selbst tragen keinen. Heute hat sich meine Vermutung bestätigt. Und ich bedauere gerade, meine Wahl nicht getroffen zu haben", sagt er und werde das Gefühl nicht los, dass er mir etwas sagen möchte.
"Jordan und Bennett", entgegne ich. "Sie sind meine besten Freunde und ich habe den Schmuck für sie gekauft. Jedes Jahr bekommen sie ein von mir speziell ausgewähltes Buch. Jordan einen besonderen Ring oder Manschettenknöpfe. Bennett Tunnel oder ein Armband. Ich persönlich trage keinen Schmuck. Aber meine beiden Freunde können sich wie kleine Kinder darüber freuen. Und das wiederum erfreut mich", beantworte ich seine Frage und greife nach der verpackten Schachtel."Frohe Weihnachten. Ich hoffe das Geschenk wird seinen neuen Besitzer erfreuen. Ihr Mann kann sich glücklich schätzen", sagt er und ich schaffe es kaum mich angemessen zu verabschieden. Seine Finger streifen meinen Handrücken und ein elektrischer Schlag durchzuckt meinen Körper. Mit einer Intensität so stark, dass es mir fast den Atem raubt. Ich schlucke trocken und schließe für einen Moment meine Augen. Bilder von Drew flackern auf und ich ziehe hörbar laut den Atem ein. Diese Bilder sind ein Spiegel meiner Gefühle. Drew wie er lacht, sein Kopf leicht nach hinten in den Nacken gebeugt. Drew beim Tanzen, anmutige Bewegungen und so strahlend schön. Drew beim Diskutieren, wild mit den Händen gestikulierend und mit Feuereifer dabei. Drew beim Kochen, hochkonzentriert und fokussiert. Drew in Ekstase, so wunderschön mit gespaltenen Lippen und von Schweiß bedeckter sexgetränkter Haut, das Aroma unserer Liebe.
"Wie heißen sie?", frage ich geradeheraus.
"Marcus", antwortet er und lässt seine Hand aus meiner gleiten.
"Ich bin Lewis. Ihr Schmuck ist etwas Besonderes. Wirklich zauberhaft. Ich hoffe sehr, dass mein Mann sich darüber freut. Wir sind seit sechs Monaten verheiratet und hatten keinen guten Start in unsere Ehe. Und sie haben Recht. Ich habe die Wahl. Und gerade entscheide ich mich dafür, einen Sprung ins kalte Wasser zu wagen", sage ich und wieder schweift mein Blick zu den beiden Ringen und meine Gedanken zu Drew.
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Lost memory - suddenly marrried -
RomantizmZögerlich wende ich meinen Kopf und schaue auf die andere Hälfte des Bettes. Gebannt starre ich auf den Rücken eines Mannes mit schwarzen Haaren. Das Bild von Elvis flitzt durch meine Gedanken und ich schlucke trocken. Was ist bloß passiert? Ich bet...