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"Warum standest du da draußen in der Kälte?", fragt Drew und sein warmer Atem kitzelt an der Haut in meinem Nacken. Ich schließe meine Augen und antworte ihm nicht. So genau weiß ich es nämlich selbst nicht. Nein. Das ist nicht richtig. Es ist gelogen. Selbstbetrug ist das was ich hier gerade mache. Denn eigentlich weiß ich sogar ganz genau, warum ich dort minutenlang regungslos in der dunklen kalten Dezembernacht stand. Weil Drew ging und mich auf den Stufen meines Hauses allein zurückließ. Weil es sich wie ein Abschied anfühlte und düstere Gedanken meinen Geist vergifteten. Ich muss aufhören ständig alles schlecht zu denken und die Fakten akzeptieren. Die nächsten Tage sollen mir Klarheit verschaffen und meine rastlosen Gedanken besänftigen. Ich brauche das. Dringend.

"Du bist einfach gegangen. Ohne ein Wort zu sagen. Und ich stand da und konnte mich nicht mehr bewegen."
Drew haucht einen Kuss in meinen Nacken und sofort stellen sich die Härchen auf und Gänsehaut breitet sich aus. Seine starken Arme halten mich fest, schenken mir Geborgenheit und Halt. Drews Herz schlägt ruhig und seine Atmung geht gleichmäßig. Dicht gedrängt an meinen Rücken sind Drews stets präsente Aura, die Wärme seiner Haut und das ruhige gleichmäßige schlagen seines Herzens drei von vielen Elementen, die mich beruhigen. Sie geben mir das, was ich in solchen Momenten brauche. Immer.
"Ich brauchte einen Moment für mich. Eigentlich wollte ich einen Spaziergang machen. Aber dann dachte ich, es ist kalt und mitten in der Nacht. Du allein in dem Haus und ich allein in einem dunklen Park. Es fühlte sich falsch an und so drehte ich wieder um und ging so schnell ich konnte wieder zurück zu dir", sagt Drew.

"Die nächsten Tage werden unglaublich schwer. Terence und ich verbringen die Feiertage immer zusammen. Seit fast zehn Jahren. Wir fahren in sein Sommerhaus. Es liegt direkt am Meer und ist wunderschön. Schneeweiße Holzverkleidung und von der Veranda aus hat man einen fantastischen Blick auf das Meer. Ich liebe diese Zeit des Jahres. Wenn die Wellen dunkel und hart auf den gefrorenen schneebedeckten Boden prallen. Eine entfesselte Naturgewalt und sanfte Gischt, weich und rein. Es ist ein unglaubliches Gefühl von Freiheit, wenn der Wind stark und kräftig um deinen Körper wirbelt. Durch die Haare braust und du das Gefühl hast, dich mit allem was du besitzt dagegen stemmen zu müssen. Nur um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren."

"Ich bin hier Lewis. Wenn du mich rufst, dann werde ich da sein. Ich werde dich finden und halten. Mit dir zusammen schreien und weinen, schweigen und einfach nur der Stille der Nacht lauschen." Drews Worte sprechen all das aus was ich mir sehnlichst wünsche. Einen Partner, der für mich da ist, mir Halt, Kraft und Geborgenheit schenkt an Tagen, wenn die Dunkelheit droht mich zu verschlingen. Es fällt mir wahnsinnig schwer einem anderen Menschen so viel Vertrauen entgegenzubringen, dass ich mein Herz öffne und ihn vollends in mein Leben lasse. Ihm bedingungslos vertraue und mich einfach fallen lasse. Diese Erkenntnis trifft mich gerade schlagartig und ich schnappe panisch nach Luft. Es laut auszusprechen, wage ich nicht. Denn dann wird es Realität. Und die schonungslose Wahrheit, Realität in ihrer Reinform, hat mir schon so viel Schmerz bereitet.

"Schlaf gut Lewis. Morgen ist ein neuer Tag", flüstert Drew, haucht einen Kuss auf meine Haare und bald darauf höre ich das feine liebliche Geräusch seiner Atmung und fühle die Stöße warmer Luft an meinem Ohr kitzeln. Es macht mich schläfrig und ich wehre mich nicht dagegen. Stattdessen falle ich in einen ruhigen traumlosen Schlaf.

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Der Morgen beginnt mit Kälte und einem knurrenden Magen. Warum ist es so kalt? Wo ist meine Decke? Wo ist Drew? Blind taste ich nach der Decke und als meine Fingerspitzen den seidig weichen Stoff erfühlen, greife ich kräftig in das Knäuel und versuche es über meinen kalten Leib zu ziehen. Vergebens. Zögerlich wende ich meinen Kopf und blicke auf Drews schwarze und vom Schlaf chaotischen Haare. Ich atme geräuschvoll aus. Er ist noch da. Ein Blick über seinen Körper offenbart mir das komplette Ausmaß meines derzeitigen Zustandes. Drews Beine haben unsere große Decke fest in einem Klammergriff. Er liegt mir abgewandt und ich betrachte eingehend seinen Rücken und den festen runden Po, der sich wunderbar in meine Handflächen schmiegt.

Lost memory - suddenly marrried -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt