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'Danke das du uns eine Chance gibst.' Dieser Satz dröhnt noch immer laut in meinen Ohren. Ich bin nicht weiter darauf eingegangen, habe die unausgesprochene Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft einfach totgeschwiegen. Stattdessen bombardierte ich Drew mit Fragen und bekam nur zögerliche Antworten. Denn ich erzählte nur wenig über mich. Und das Drew damit ein Problem hatte, zeigte er mir klar und deutlich.

Wir tauschten nur ein paar allgemeine Informationen aus. Drew wusste bereits was ich beruflich machte. Er erzählte mir von seinem Job als Möbeltischler in der Firma seines Onkels. Seine Augen leuchteten als er mir von seinem Gesellenstück und die viele Arbeit, die er in liebevolle Details gesteckt hatte, erzählte. Drews große starke Hände zogen mich regelrecht in ihren Bann als er mir wild gestikulierend berichtete, wie er letzte Woche einen alten Tisch zu neuem Leben verholfen hatte.

Ich erfuhr nur wenig über seine Familie. Isabel seine Schwester, Cole sein Halbbruder. Ihre gemeinsame Mutter lebte seit Jahren in Los Angeles und das Verhältnis zu seinem Vater war etwas holprig. Mehr erfuhr ich nicht. Auch hier war es wieder so, dass Drew mir durch seine Mimik klar machte, dass dieses Thema für ihn ein rotes Tuch ist.

Meine Antworten auf seine Fragen fielen spärlich aus. Einzelkind, Mutter verstorben, rotes Tuch, Vater ein Arschloch, dunkelrotes Tuch. Nach kurzer Zeit verabschiedete Drew sich mit wie ich fand, einer mehr als unglaubwürdigen Ausrede. Er hatte seiner Schwester versprochen, die Platzkarten und noch einige Kleinigkeiten für die Hochzeit zu gestalten. Ich glaubte ihm kein Wort, sagte aber nichts.

Zur vereinbarten Zeit fuhr ich am nächsten Tag in seine bis dahin gemeinsame Wohnung mit Cole und stehe nun ungläubig in seinem Schlafzimmer. Im Gegensatz zu mir, lebt Drew spartanisch. Sehr spartanisch. Ein Bett, nicht gerade klein, eine wirklich schöne Kommode aus dunklem Holz und Intarsien. Ein kleiner Tisch mit einem Stuhl. Dieses Zimmer erinnert mich an meine Studentenzeit.

Drew redet mit Cole, gedämpft dringen ihre Stimmen durch die geschlossene Tür. Die Wohnung ist klein, aber schön. Helle Räume und die männliche Note sind nicht zu übersehen. Ich bin mir sicher, dass Coles Freundin einige Veränderungen und vor allem Farben ins Spiel bringen wird. Der Inhalt ihres Gespräches ist für mich nicht wichtig. Ich versuche sie auszublenden und verschaffe mir einen Eindruck von dem Mann, der dieses Zimmer bewohnt. Nichts. Leere. Es gibt keinerlei persönlichen Gegenstände.

Die Wände sind weiß, schlicht einfach. Auf dem Nachtschränkchen stehen eine kleine Lampe und ein alter rundbauchiger Wecker. Ein Buch liegt auf dem Bett. Der dunkelblaue Einband hebt sich stark vom beige der Tagesdecke ab. Mein Bett sieht immer so aus, als hätte ich es gerade verlassen. Dieses hier, ist ordentlich hergerichtet. Es erinnert mich unweigerlich an ein Hotelzimmer. Als wäre der Bewohner hier nur auf der Durchreise. Der einzige für mich persönliche Gegenstand, der etwas über Drew zu verraten scheint, ist das Buch. Meine Augen fokussieren den Titel und ich muss nicht weitersuchen. Ich kenne das Buch. Es liegt in meinem Büro auf einem Stapel mit anderen Büchern. Diese Stapel sind sortiert, nach Kategorien eingeteilt.

Und dieses hier, mit dem schönen Titel 'You are my sun my moon and all my stars', liegt auf dem Stapel ‚Herzschmerz - unbedingt empfehlenswert'. Neugierig wie ich von Natur aus bin, wenn es um Literatur geht, nehme ich das Buch zwischen meine Hände. Der raue Einband lässt meine Fingerspitzen kribbeln und die Seiten verströmen diesen typischen Geruch nach Papier, Druckerschwärze, Wärme und zuhause. Drews Lesezeichen überrascht mich. Es ist nicht schlicht, sondern bunt. Regenbogenfarben und einem schwarzen Schriftzug - Love is Love. Zwei miteinander verschränkte Hände, eindeutig männlich. Ich lese die letzten Zeilen der markierten Seite und erinnere mich an das Gefühl was mich umfing, als ich die Worte das erste Mal las. Schmerz. Unsagbarer Schmerz. Die Liebe seines Lebens hatte ihn einfach verlassen. Für eine Frau und ein Leben im Schatten.

Prompt beschließe ich bei passender Gelegenheit mit Drew über das Buch zu sprechen. Ich bin auf seine Meinung gespannt und ob er das gleiche dabei empfand wie ich. Meine Blicke wandern weiter durch den Raum, aber bis auf die Kommode gibt es hier nichts zu sehen.
Das muss Drews Gesellenstück sein. Die Kommode ist sehr schön. Dunkles hochglanzpoliertes Holz, florale Intarsien, Perlmutt. Wunderschön. Edle Griffe aus Messing und eine einzigartige Maserung. Meine Finger gleiten über das Holz und das eingearbeitete Muster. In der Mitte entdecke ich feine Linien und versuche eine Verbindung herzustellen. Mein Verstand möchte mir etwas sagen, aber ich kann die Information nicht greifen.

"Nussbaum", ertönt plötzlich Drews Stumme hinter mir und sehr nah an meinem Ohr. Sein Atem kitzelt an meiner Haut, die Wärme seines Körpers legt sich auf meinen. Vertieft in die Schönheit dieser Arbeit und mit dem Versuch einen Gedanken aus meinem Kopf zu greifen habe ich nicht bemerkt, dass er den Raum betreten hat. Und schon gar nicht, dass er mir so nah ist. Die Finger seiner rechten Hand streichen sanft über meinen Arm, mit zusammengekniffenen Augen versuche ich die Schwingungen in meinem Körper zu ignorieren.

Ich beiße fest auf meine Unterlippe, Drews Finger verschränken sich mit meinen. Das Herz klopft immer stärker in meiner Brust, der Puls steigt in die Höhe als Drew sich fest gegen meinen Rücken presst. Eine minimale Bewegung nach vorne, das harte Holz drückt gegen meine Oberschenkel. Drew haucht einen Kuss auf mein Ohr, seine Zunge zieht eine feuchte Spur über den Rand meiner Ohrmuschel und das Ohrläppchen, saugt leicht an der weichen und überaus empfindlichen Stelle.

Ein lustvolles Stöhnen entflieht meinem Mund, Drews Erregung drückt sich gegen meinen Hintern.
"Meine Initialen", haucht Drew an mein Ohr und sämtliche Härchen an meinem Körper stellen sich auf. Seine tiefe raue erregte Stimme lässt mich zittern.
"Was?", krächze ich. Ich habe keine Ahnung, wovon er redet. Seine Hand führt die meine über das glatte Holz, ich spüre die feinen Erhebungen, der Übergang zwischen Nussbaum und Perlmutt. Und dann legt sich der Gedanke endlich an eine für mich greifbare Stelle. AH – Andrew Hust.

"Die Kommode kommt mit. Darüber wird nicht verhandelt", sagt Drew und löst sich ruckartig von mir. Kälte legt sich über mich, ich zittere noch immer und verstehe nicht was hier gerade passiert ist.

Lost memory - suddenly marrried -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt