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"Ich bin euch keine Rechenschaft schuldig", entgegne ich und Jordan schnauft.
"Nein, das bist du nicht. Aber beantworte mir eine Frage. Hast du mit ihm geschlafen?"
"In Vegas."
"Das meinte ich nicht. Ich rede von den letzten Tagen. Hattet ihr Sex?" Ein Blick auf den Fahrer zeigt mir, dass er stur nach vorne blickt und auf den Verkehr achtet. Aber das täuscht. Seine Ohren sind gespitzt und begierig darauf, jedes Detail aufzunehmen. Ein höllischer Gedanke macht sich breit und ich lecke mir über die Lippen. Jordan wird es sowieso erfahren. Irgendwann hätte ich darüber gesprochen.

"Wenn du mit Sex meinst, dass mein Ehemann mich packte und mit dem Rücken auf meinen großen Schreibtisch drückte und sein nackter praller Schwanz sich an meinem rieb, ja dann hatten wir Sex. Oder er mich nach einer entspannenden Rückenmassage mit seiner Zunge verwöhnte?" Noch nie habe ich gesehen, wie der Kopf eines Menschen so schnell rot anläuft. Dem Fahrer ist es sichtlich unangenehm.
"Ihr habt was?", schreit Jordan in das Telefon und ich höre Bennett im Hintergrund laut fluchen.
"Lewis... ernst. Du kannst doch ni... über Drew... herfallen." Grinsend schüttele ich meinen Kopf. Das Bennett alles mithört war mir klar. Jordan würde solch ein Gespräch nie allein führen. Geraschel ist zu hören und gedämpfte Stimmen.
"Hi Lou. Ihr könnt nicht die Finger voneinander lassen, oder? Wie ein echtes frischverliebtes Ehepaar." Irgendwann, eines Tages, zahle ich ihnen das heim. Aber sie haben nicht ganz unrecht. Nur ist es keine Basis für eine gesunde Beziehung. Drew und ich führen keine Beziehung und das wird auch so bleiben.

"Ich muss jetzt Schluss machen, wir sind gleich am Ziel. Und ich möchte dem Taxifahrer weitere Details ersparen", sage ich und lächele leicht. Der Fahrer sieht mich über den Rückspiegel hinweg an und lächelt dankbar. Erst jetzt bemerke ich, dass er ein Herr mittleren Alters ist. Seine schwarzen Haare färben sich an den Seiten bereits grau und auch wenn ich mir sicher bin, dass er in seinem Taxi schon ganz andere Dinge erlebt hat, gehört die Ausführung von schwulem Sex nicht unbedingt auf die Liste möglicher Gesprächsthemen. Sowas sollte doch eher im privaten Rahmen bleiben. Plötzlich tut mir mein Verhalten leid und ich beende das Gespräch. Wir einigen uns darauf morgen Abend einen Abstecher ins Shadow Moon zu machen. Dort ist eher der passende Rahmen für solch ein Gespräch. Mit Wodka und Freunden, die einem zuhören und nicht verurteilen, wenn sie alle Details kennen.

"Bitte entschuldigen sie, dass sie Zeuge dieses Gespräches wurden." Mit einer Antwort rechne ich nicht und bin daher umso überraschter, als die tiefe Stimme des Mannes ertönt.
"Was denken Sie was ich hier schon alles erlebt habe? Darüber könnte ich ein ganzes Buch schreiben", antwortet er lachend und ich stimme mit ein. "Das kann ich mir gut vorstellen. Haben sie mal darüber nachgedacht es zu machen?"
"Was? Ein Buch schreiben? Nein. Dafür habe ich kein Talent. Ich fahre seit fünfundzwanzig Jahren Taxi. Die besten Erlebnisse schreibe ich mir auf. Immer ohne Namen, falls ich welche höre. Das kommt allerdings nicht so oft vor."

Die restliche Fahrt unterhalte ich mich mit Sam dem netten Taxifahrer. Er erzählt ein paar Anekdoten aus seinem Alltag und ich lache schallend, weil Sam wirklich sehr bildlich erzählen kann. Bevor ich aussteige, drücke ich ihm einen Zettel mit meinem Namen und meiner Telefonnummer darauf in die Hand. "Wenn sie sich entscheiden doch ein Buch schreiben zu wollen, dann rufen sie mich an. Ich bin Journalist. Es wäre mir eine Freude, Sie bei diesem Projekt zu unterstützen." Vollkommen überwältigt sieht er von dem Zettel zu mir und wieder zurück. Er nickt und bringt nur ein leises 'Danke' heraus. Auf einmal ist er sprachlos.

Das Haus der Familie Holmes liegt am Stadtrand und ist ein typisches Vorstadthaus. Überdachte Veranda, hellgestrichene Holzverschalung, Sprossenfenster. Ein symmetrischer Traum mit Dachgauben und Giebeln, kleinformatige Schindeln in langweiligem Einheitsgrau und weiße, schmale horizontal ausgerichtete Bretter an der Außenfassade. Dieses Haus ist das Klischee einer jeden Vorstadtfamilie. Auf der Veranda stehen ein alter Schaukelstuhl und eine kleine Sitzbank. Mrs Holmes ist besonders stolz auf ihren Garten. Und jedes Jahr aufs Neue bin ich beeindruckt von ihrer Liebe zum Detail. Der Rasen erstrahlt in einem saftigen grün und ist kurz gemäht. Die Rosenbüsche ihr ganzer Stolz und der liebliche Duft empfängt mich sofort als ich den Garten betrete. Der Geruch nach gebratenem Steak vermischt sich mit dem Geruch der duftenden Schönheiten ihres Gartens. Der Pavillon neben einem großzügigen Kräutergarten ist einer meiner Lieblingsplätze. Es duftet nach Thymian und Rosmarin, Salbei und Waldmeister. Der Geruch von Zitronenmelisse legt sich auf meine Sinnesorgane und lässt meinen Körper kribbeln. Zitrone verbinde ich seit kurzem mit Drew.

"Lewis. Wie schön sie zu sehen", begrüßt Mrs Holmes mich freudestrahlend und kommt mit einem giftgrünen Cocktail in der Hand auf mich zu. Flink greift sie sich ein Glas mit einer noch krasseren Farbe von der Bar, die sie extra für diesen Tag jedes Jahr aufstellen lässt. Und bevor ich realisieren kann, was hier passiert, erblicke ich den Barkeeper und möchte gerne im nächsten Erdloch versinken. Scheiße das hatte ich vergessen.
"Oh sie kommen alleine?", stockt sie in ihrer Euphorie und geistesgegenwärtig harke ich mich bei ihr ein und ziehe sie rasch zu einem der Stehtische. Weit genug von der Bar entfernt.

"Ja. Aber Drew hat versprochen nachzukommen. Schön haben sie wieder alles hergerichtet. Aber was ist mit der Pergola passiert?", frage ich interessiert. Nicht nur um dem Gespräch über meinen Ehemann aus dem Weg zu gehen. Auch weil Mrs Holmes mir auf der Weihnachtsfeier voller Stolz und Eifer erzählte, dass sie eine neue Sorte Rosen bei der Pergola bepflanzen wollte. Und nun gibt es weder eine Pergola noch einen Rosenbogen.
"Das Holz war morsch. Bud hat kein sonderliches Talent für solche Arbeiten", flüstert sie mir verschwörerisch entgegen.
"Ich verrate es keinem", sage ich zwinkernd und Mrs Holmes beginnt zu erzählen. Von der Pergola und den Rosen, ihren Enkelkindern und dem Urlaub in der Toskana. Sofort ist der Geruch von Zitronen wieder da und ich bilde mir ein, dass After Shave von Drew zu riechen.

"Hallo Lewis. Entschuldige die Verspätung", raunt Drew in mein Ohr. Sein warmer Atem kitzelt an meiner Ohrmuschel und seine starken Hände legen sich sanft auf meine Hüften. Ich erschrecke und bin sehr froh darüber, mein Getränk bereits geleert zu haben. Einen weiteren Unfall dieser Art möchte ich gerne vermeiden. Nicht hier. Nicht vor der Frau meines Chefs. Drew haucht einen Kuss auf meine Wange, ganz leicht streifen seine Lippen meine Haut und ein prickelnder warmer Schauer läuft über meinen Rücken. Ich bin vollkommen erstarrt, der Schreck sitzt tief in meinen Gliedern fest.


Lost memory - suddenly marrried -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt