Kapitel 6

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,,Wooow, er scheint dich ja jetzt schon total ins Herz geschlossen zu haben'' neckte mich Nick, als wir in mein Zimmer gegangen waren.
,,Der kriegt sich schon ein, immerhin hat er viel hinter sich'' entgegnete ich ihm.

Wir verbrachten eine Weile in meinem Zimmer.
,,Ich hol mir was zu trinken, willst du auch was?'' fragte ich Nick, als ich von meiner Couch aufstand. Er nickte.

Als ich mein Zimmer verließ, bemerkte ich erst, dass die Türe von Clay wieder etwas offen stand. Der Versuchung mal kurz hereinzuschauen war nicht zu widerstehen, er war jedoch nicht drinnen.

Ich lief in die Küche und bevor ich hineinlief hörte ich die Stimme von Jenna und Clay herausschallen. Ich blieb um die Ecke stehen und lauschte.

,,Wie lange muss ich hier bleiben?'' ertönte Clays Stimme in einem protzigen Ton.
,,Bis du volljährig bist. Solange du das noch nicht bist, musst du hier bleiben'' antwortete Jenna.
,,Hör mal...ich weiß, dass du nicht hier sein möchtest, aber warum versuchst du nicht einfach das Beste daraus zu machen?'' fügte sie hinzu, woraufhin man nur ein Zischen hörte.

,,Was, soll ich jetzt etwa so tun als würde ich dich kennen? Als würde ich hier hergehören?''
,,Ich kenne dich nicht. Ich weiß das geringste über dich oder meinen Vater. Das einzige, was ich weiß ist, dass ihr mich weggeben und euch nie gemeldet habt. Ich war euch scheiß egal!'' rief er.

,,Während ihr oder du das perfekte Leben gelebt habt, bin ich wortwörtlich unter Ratten aufgewachsen. Mein Leben lang musste ich für mich selbst sorgen. Ich brauche keine Aufpasser oder eine Frau, die sich als meine Mutter bezeichnet, dabei sich aber einen scheiß um ihr Kind gekümmert hat.''

,,Clay...das ist alles nicht so einfach zu erklären...'' sagte Jenna. Man hörte den Zweifel und die Verletzlichkeit aus ihrer Stimme heraus. Am liebsten wäre ich dazwischen gegangen, doch es ging mich nichts an.

,,Dann erklär es mir, komm - ich warte.''
,,Erklär mir, wie man sein Kind weggeben kann und nicht ein einziges Mal so etwas wie eine Geburtstagskarte senden kann? Danach fragen kann, wo es ist, wie es lebt, wie es sich macht?''
Von Jenna war zunächst nichts zu hören.

,,Es tut mir leid. Ich kann nur hoffen, dass du verstehst, dass es nicht anders ging'' kam nun von ihr leise.
,,Weil es nicht anders ging? Weshalb? Weil ihr Versager wart und noch immer seid? Dein Geld macht dich nicht zu einem besseren Menschen'' entgegnete Clay.

Im nächsten Moment hörte man einen lauten Knall, als hätte jemand auf den Tisch geschlagen.
,,Dein Vater war alles andere als ein Versager! Er hat sein Leben für jemanden in der Not geopfert! Er war der aufrichtigste, ehrlichste, mutigste und liebevollste Mann, den ich je kennenlernen durfte!'' Jennas Stimme war nun deutlicher, lauter und Clay wie verstummt.

,,Vielleicht war er ein Held für jemand anderes. Dafür hat er seinen Sohn aber nie kennengelernt und sein Sohn nicht ihn'' entgegnete Clay.
,,Sein Sohn ist mit einem Vater aufgewachsen, der ein absolutes Arschloch war und das Leben zur Hölle gemacht hat bis zu seinem letzten erbärmlichen Atemzug.''

,,Nachdem dein Vater gestorben war, was nicht lange nach deiner Geburt war, stand ich alleine dar. Ich hatte nichts und niemanden und war gerade erst 18 geworden. Ich hätte niemals für dich sorgen können, das konnte ich zu der Zeit nicht einmal für mich selbst'' erzählte Jenna.

,,Und das weitere 17 Jahre lang immer noch nicht?'' kam es von Clay.
,,Ich meine, sieh dich um, wo du lebst, wie du lebst - ''
,, - du lebst das Leben, was sich manche Nachts in ihren Träumen vorstellen.''

,,Dir scheint es gutzugehen, wieso also hast du dich nie gemeldet?'' fragte er.
,,Ich wollte es...immer und immer wieder, aber ich konnte nicht...'' nuschelte sie.
,,Ich hatte Angst. Angst davor das Kind wiederzusehen, was meins war, mich aber nicht als Mutter identifizieren konnte, welches mich nicht einmal kannte.''

,,Und deshalb scheißt du stattdessen auf mich?''
,,Nein, so war das überhaupt nicht gemei - '' Er unterbrach sie.
,,Spar's dir, ich will gar nichts hören, denn ich scheiße auf dich und alles andere hier genauso.''

Plötzlich kam er um die Ecke und stand plötzlich vor mir. Er starrte mir direkt mit diesem eiskalten Blick in die Augen, sagen tat er jedoch nichts, sondern verschwand wieder nach oben.
Ich lief zu Jenna in die Küche. Als ich hereinkam wischte sie sich schnell die Tränen von der Wange.


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Findet ihr, dass Clay zu hart ist oder könnt ihr seine Reaktion/Einstellung Jenna gegenüber verstehen?



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