Die Sonne war untergegangen und die Nacht hereingebrochen. Eskil genoss die Dunkelheit; er genoss die Stille und er genoss es die Sterne zu betrachten, die den Himmel in der Nacht in ein helles Meer aus kleinen, funkelnden Lichtern tauchten.
Er schloss die Augen und atmete tief ein. Ein leichter Wind kam auf, der ihn zart umwehte. Er umschloss ihn mit einer Hand, die er an seinen Mund führte. Er flüsterte etwas und blies leicht hinein und der Wind wehte kräftiger, als er ihn wieder losließ.
Er hatte Erik soeben über den Wind eine Nachricht geschickt.
Eskil öffnete seine Augen wieder und richtete seinen Blick zurück auf das Stadttor, vor dem die Soldaten Wache hielten.
Die Dunkelheit trübte seinen messerscharfen Blick nicht.
Dies war einer der Vorteile ein Windgeist zu sein.
Er konnte auch in den schwärzesten Nächten gut sehen.
Eskil schmunzelte leicht. Die Soldaten waren unaufmerksam und es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, sie zu überraschen. Zwei von ihnen hatten schon vor einer Weile ihre Posten verlassen und nun wachten dort nur noch vier, von denen drei ihren Alkoholrausch ausschliefen.
„Warum hast du mich gerufen?", fragte Erik, der sich, wieder in der Erscheinung eines Mannes befindend, einen Weg durch das Dickicht zu Eskil bahnte.
Eskil stutze, als Erik in seiner vollen männlichen Pracht vor ihm stehen blieb. Er bemerkte Eskils Blick und sein vernarbtes Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. „An so einen Anblick bist du nicht gewöhnt, was?".
Eskil ignorierte seine Bemerkung und sagte: „Es ist nur noch ein Soldat auf seinem Posten. Wir können uns entspannen".
Erik legte den Kopf in den Nacken und sog scharf die Luft ein. „Ich weiß nicht", sagte er und legte die Stirn in sorgenvolle Falten. „Es liegt ein merkwürdiger Geruch in der Luft".
Eskil zog fragend die Augenbrauen in die Höhe. „Was für ein Geruch?", fragte er.
Erik zuckte mit den Schultern. „Vielleicht irre ich mich. Ich bin ein alter Wolf. Mein Geruchssinn ist nicht mehr derselbe wie vor zwanzig Jahren".
Eskil schwieg, doch er zweifelte nicht an Eriks geschärften Sinnen. Sie hatten ihnen schon häufig das Leben gerettet.
Erik packte Eskil plötzlich fest an den Schultern.
„Ich kenne den Geruch, Eskil!", sagte er mit leiser Stimme, deren Klang Eskil leise Schauer über den Rücken liefen ließ.
„Was ist es?", fragte er alarmiert.
„Ishdur!", antwortete Erik und ein Zittern, das seine bevorstehende Verwandlung ankündigte, durchzuckte seinen Körper.
Eskil dachte sofort an Askan und die beiden Jungen. „Ich fange sie auf halbem Wege ab und du übernimmst die, die durchkommen!", sagte er an Erik gewandt.
Eskil streckte seine Arme vor seinem Körper aus und ließ sie in einer schnellen, für das menschliche Auge kaum sichtbaren Bewegung, zur Seite gleiten. Diese Bewegung verursachte einen starken Wind, der die Ishdur; die einen Kilometer entfernt von Ensgard auf ihren Pferden angeritten kamen, von ihnen herunterriss.
Eskil hatte die Entfernung zu den Ishdur in der gleichen Schnelligkeit eines Windes überwunden und stand nun mit seinen zwei gezogenen Messern vor ihnen.
Er atmete langsam und ruhig und wartete auf den Angriff.
Der erste Ishdur hatte sich von seinem Sturz erholt und stand auf.
Sein Gesicht war, wie die Gesichter aller Ishdur, von einer großen schwarzen Kapuze verdeckt. Doch Eskil wusste, wie sie unter ihren Kapuzen aussahen. Sie nahmen sie nur dann ab, wenn sie vor Hexen standen, um ihnen die Seelen zu rauben. Eskil hatte dieses brutale Ritual ein einziges Mal in seinem Leben beobachtet und dieses eine Mal hatte ihm gereicht, um die Ishdur für immer zu hassen.
Er hasste sie aus tiefster Seele und er wollte ihren Tod.
Der Ishdur, der wieder aufgestanden war, kam auf ihn zu. Er zog sein Schwert. „Al Elhovar, Al Alhave!", schrie Eskil.
Der Ishdur rannte nun mit erhobenem Schwert auf ihn zu.
Eskil wehrte seinen Angriff mit einem Arm ab und zog ihm das Messer, das er in der anderen Hand hielt, durch die Kehle. Der Ishdur fiel zu Boden und blieb reglos in der Blutlache liegen, die sich um ihn herum ausbreitete.
Eskil warf keinen Blick zurück.
Seine Konzentration galt den anderen Ishdur, die sich von ihren Stürzen erholt hatten und nun mit erhobenen Schwertern auf ihn zu rannten.
Eskil wehrte einen nach dem anderen ab.
„Steigt wieder auf eure Pferde und reitet weiter!", brüllte einer der Ishdur seinen Gefährten zu.
Eskil, der gerade einem Ishdur sein Messer in den Rücken gejagt hatte, blickte erschrocken auf. „Bei Aodhans mächtigem Feuer!", fluchte er.
Die ersten Ishdur waren wieder auf ihre Pferde gestiegen und ritten geradewegs auf Ensgard zu.
Eskil betete, dass Erik in der Lage war sie abzuwehren.
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Chroniken der Hexer I
FantasyLuis Freymann ist eigentlich ein ganz normaler Junge, der mit seiner Mutter Diane und seinem Großvater Theo in dem ruhigen Ort Falkenstein lebt. An seinem dreizehnten Geburtstag begibt er sich gemeinsam mit seinem besten Freund Ben in das alte und v...