Theo schlug erschrocken die Augen auf. Er blinzelte ein paar Mal, um sich an das Licht in seinem Arbeitszimmer zu gewöhnen. Er rieb sich seinen schmerzenden Nacken und stöhnte laut auf.
Er war mal wieder an seinem Schreibtisch eingeschlafen.
Diane und Hilda hatten ihm schon häufig gesagt, dass dies nicht gut für seinen Rücken war. Immerhin war er kein junger Bursche mehr.
Das spärliche Licht der Schreibtischlampe klarte allmählich seine Gedanken auf.
Was für ein verrückter Traum!
Er hatte in den letzten Wochen seit Luis' und Bens Verschwinden häufiger von ihnen geträumt, doch dieser Traum war diesmal anders gewesen. Realistisch. Er konnte sich noch immer an jede Einzelheit des Traumes erinnern.
Er runzelte die Stirn.
Merkwürdig!
Er streckte sich halbherzig und beschloss, dass es wohl besser für seinen Rücken wäre, nun ins Bett zu gehen. Sein Blick fiel auf die kleine geschnitzte Holzfigur. Er hatte in den letzten zwei Wochen nichts über die herausfinden können.
Ihrem Aussehen nach zu urteilen hatte er angenommen, dass es die Darstellung eines Kriegers irgendeines Naturvolkes war, doch er hatte sich geirrt und nichts gefunden.
Luis wäre bestimmt enttäuscht von ihm.
Theo lächelte leicht.
Nein.
Luis wäre niemals enttäuscht von ihm. Er war ein guter Junge.
Eine kleine Träne tropfte aus seinem Augenwinkel. Er wischte sie mit dem Ärmel weg.
Theo griff nach der Figur und betrachtete sie erneut. Er seufzte.
Er hatte sich etwas vorgemacht. Diese kleine Figur bedeutete nichts. Es war egal, ob er jemals herausfinden würde, woher sie stammte und wer sie geschnitzt hatte. Das alles würde ihm seinen Enkel nicht zurückbringen.
Die Hoffnung, die er in den letzten zwei Wochen in seinem Herzen getragen hatte, schwand mit jedem Tag mehr.
Er musste sich eingestehen, dass Luis und Ben verloren waren. Was auch immer ihnen zugestoßen war, Theo würde es niemals erfahren.
Er musste nun stark sein. Für Diane und auch für Hilda.
So wie er es damals schon gewesen war, als sein geliebter Sohn gestorben war.
Er atmete schwerfällig aus.
Wie viel konnte ein einziges Herz ertragen? Sein Herz hatte schon zu viel ertragen müssen und er war müde.
Er wollte diesen Verlust nicht ertragen.
Er konnte es nicht.
Seine Kräfte schwanden ihm mit jedem Tag mehr. Sein Körper, sein Herz, sein Verstand bettelten darum, endlich Frieden zu finden.
Theo seufzte noch einmal und stand auf. Die Figur stellte er zurück auf den Schreibtisch. Er knipste das Licht der Schreibtischlampe aus. Es war Zeit schlafen zu gehen.
„Hallo, Theo mein alter Freund, ich hoffe doch sehr du hast von mir geträumt!", ertönte plötzlich eine Stimme in der Dunkelheit. Theo erschrak.
Er beugte sich vor und knipste das Licht der Schreibtischlampe sofort wieder an.
Er blickte sich im Raum um.
Er war allein.
Wurde er nun verrückt?
„Hier bin ich, siehst du mich?", verkündete die Stimme erneut und Theos Blick fiel auf die kleine Holzfigur auf seinem Schreibtisch. Das Gesicht des Kriegers war lebendig geworden. Seine kleinen Augen betrachteten Theo aufmerksam.
Theo griff nach der Figur und betrachtete sie. Er kniff die Augen zusammen.
„Wie ist das möglich?", fragte er laut.
„Ich bin es! Gustel, mein Herr! Wir alle vermissten euch sehr!", redete die Figur weiter.
Theo konnte seinen eigenen Augen nicht trauen. Er schien verrückt zu werden.
„Nichts da! Es ist alles wahr! Zeit für deine Rückkehr, ich weiß, es fällt dir schwer"
Theo blinzelte ein paar Mal. Er wusste nicht warum er so reagierte, aber er beschloss in diesem Moment, dass er übernächtigt war. Also stellte er die kleine Holzfigur, mit dem Namen Gustel, zurück an ihren Platz.
Er musste dringend schlafen, sonst würde er morgen noch anfangen mit den Möbeln oder mit Hildas teurem Porzellan zu reden.
„He! Komm zurück! Ich bin doch hier und bringe dir Glück!".
Theo reagierte nicht drauf.
Plötzlich wurde ihm schwindelig. Alles begann sich zu drehen. Er knipste die Lampe wieder ein und sah noch das zufriedene Lächeln, auf dem Gesicht der Holzfigur, als alles um ihn herum plötzlich schwarz wurde.
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Chroniken der Hexer I
Viễn tưởngLuis Freymann ist eigentlich ein ganz normaler Junge, der mit seiner Mutter Diane und seinem Großvater Theo in dem ruhigen Ort Falkenstein lebt. An seinem dreizehnten Geburtstag begibt er sich gemeinsam mit seinem besten Freund Ben in das alte und v...