21. Der Blutfluch

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Ben kam langsam zu sich. Das Erste, was er wahrnahm, war dass ihm sein ganzer Körper schmerzte. Er hatte fürchterliche Kopfschmerzen und jeder Atemzug schmerzte in seiner Brust.

Sein linker Arm fühlte sich an, als ob er brennen würde.

Er öffnete langsam die Augen und blinzelte ein paar Mal, weil das grelle Licht in seinen Augen brannte.

Nachdem sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, blickte er sich um.

Er war in einer Höhle, mit dunkelbraunen wuchtigen Steinwänden, an denen brennende Fackeln hingen. Er lag auf dem kalten steinigen Boden und sein rechter Fuß steckte in einer dicken schweren Fessel aus Metall. Seine Gedanken kreisten wild. Anscheinend war er gefangen genommen worden. Er versuchte sich angestrengt daran zu erinnern was geschehen war.

Nacheinander tauchten die Bilder der vergangenen Tage vor seinem inneren Auge auf.

Baldrien.

Alhadur.

Ensgard.

Ishdur.

Schreiende Menschen.

Blutwölfe.

Erik, der schwer verletzt wurde. 

Luis und Askan, die verschwunden waren.

Ben richtete sich ächzend auf. Er musste ihnen sofort helfen. Er streckte die Hände aus, um nach der schweren Metallfessel zu greifen.

„Nicht!", ertönte eine zarte Frauenstimme aus der linken Ecke der Höhle. Ben zuckte erschrocken zusammen und blickte ruckartig in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Er hatte die Frau vorher nicht bemerkt und angenommen, dass er allein in dieser Höhle gefangen war.

Er betrachtete sie.

Sie war jung. Ben war noch nie gut darin gewesen das Alter von Menschen zu schätzen, doch er glaubte nicht, dass sie älter als dreißig war. Sie hatte langes braunes Haar, das ihr ungekämmt und verfilzt über die Schultern hing. Sie hatte eine zarte, schlanke Statur und helle Haut. Ihr Gesicht wirkte mager und eingefallen und ihr zarter Körper war lediglich von einem grauen alten Stofffetzen bedeckt, der früher vielleicht mal ein Kleid gewesen sein könnte. Ihre gesamte Erscheinung hätte beinahe Mitleid in Ben geweckt, wären da nur nicht ihre Augen gewesen. Groß und dunkelbraun blickten sie ihm entgegen und musterten ihn skeptisch.

Ihr Blick war stark und unerschütterlich.

Sie erinnerte Ben an jemanden. Er wusste nicht an wen. Vielleicht erinnerte sie ihn an seine Mutter.

„Auf den Fesseln liegt ein Blutfluch!", erklärte sie und beugte sich dabei ein wenig nach vorne. Ben sah an ihr herab und erkannte, dass auch sie eine Metallfessel um ihren nackten Knöchel trug.

„Wenn du die Fessel berührst, werden sich Blasen auf deiner Haut bilden, die jeden Tag ein bisschen mehr wachsen und dir einen langsamen und qualvollen Tod bescheren, wenn du an ihnen erstickst!".

Ben dachte einen Moment nach. In dieser Höhle schmoren, bis er irgendwann alt und grau war, oder einen qualvollen langsamen Tod erleben, während seine Haut übersät war mit ekeligen, gelben Blasen. Die Entscheidung fiel ihm leicht. Er ließ sich seufzend gegen die harte Wand sinken.

„Dann muss ich mir etwas anderes einfallen lassen!", sagte er mehr zu sich selbst, als zu der Frau, die nun ein freudloses Lachen von sich gab.

„Das war also dein Plan?", fragte sie und zog lächelnd eine Augenbraue in die Höhe. „Hast du gedacht, dass es so leicht ist hier rauszukommen? Einfach deine Fesseln lösen und pfeifend aus der Klauenschlucht spazieren?".

Chroniken der Hexer IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt