39. Die Prüfung

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Er wachte mitten in der Nacht auf. Sein Atem ging schnell und er schwitzte. Er versuchte sich zu erinnern, wovon er geträumt hatte, doch es fiel ihm nicht mehr ein. Er hörte ein leises Wummern. Es war sein Herz. Er versuchte ruhig zu atmen und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Plötzlich erinnerte er sich an seinen Traum.

Luis hatte das erste Mal seit er in Baldrien war von seinem Vater geträumt. Es war ein schöner Traum gewesen.

Er spürte einen Kloß im Hals und seine Augen füllten sich mit Tränen. Nicht weil er von seinem Vater geträumt hatte, oder weil er ihn vermisste.

Nein, daran lag es nicht.

Er vermisste ihn schließlich immer. Jeden Tag.

Er hatte ein schlechtes Gewissen.

Seit er in Baldrien war hatte er das Gefühl hier zu Hause zu sein. Er wollte es sich nicht eingestehen, doch er fühlte sich hier unglaublich wohl. Er liebte seine Mutter Diane und seinen Großvater Theo und er wusste, dass Hilda mit Sicherheit viel geweint hatte, seit Ben und er verschwunden waren, aber ein Teil von ihm und das wusste er genau, gehörte hier her nach Baldrien.

Er fühlte sich schuldig.

Er hatte Angst.

Angst, dass er sich in Baldrien verlieren und alles andere irgendwann vergessen würde. Am Anfang hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht als nach Falkenstein zurückzukehren und mittlerweile fühlte er sich in Baldrien unbeschreiblich wohl.

Er verstand es nicht.

Es ergab keinen Sinn.

Er liebte seine Familie. 

Plötzlich hörte er wieder dieses Wummern. Es war nicht sein Herz. Luis stand auf, zog den Vorhang zur Seite und trat aus der Hütte.

Er versuchte sich zu orientieren.

Draußen war es stockdunkel.

Er musste lange geschlafen haben.

Das Wummern war weit entfernt und kam aus den Tiefen des Waldes.

Luis zögerte. Sollte er gehen? Was würden Askan und Erik sagen, wenn er einfach seiner Neugier nachgab und einem unbekannten Geräusch nachlief?

Luis blieb noch einen Moment unschlüssig vor seiner Hütte stehen.

Dann beschloss er es zu riskieren.

Er zog eine Fackel aus dem Boden und folgte dem Wummern tief in den Wald hinein.

Es wurde immer lauter und rhythmischer.

Luis wurde immer schneller.

Er schlug Blätter und Äste beiseite und hüpfte über Wurzeln, die ihn leicht hätten zu Fall bringen können. Je näher Luis dem Ursprung des Geräusches kam, desto sicherer war er, dass es Trommeln waren, die er hörte.

Er lief immer tiefer und tiefer in den dunklen Wald hinein.

Das Lager hatte er längst weit hinter sich gelassen, als er plötzlich auf eine Lichtung trat.

Vor Erstaunen fiel ihm beinahe die Kinnlade herunter. Er ließ seine Fackel sinken und blickte sich um.

Die Lichtung war voll von Nohorar, die auf Trommeln spielten und wild tanzten. Auch Kjell und Zera waren anwesend.

Sie saßen auf ihren Thronen und Zera trug eine Krone aus Blumen. Luis drehte sich um und entdeckte auch Prinzessin Alana, die etwas abseits ihrer Eltern saß und das, was sich vor ihren Augen abspielte interessiert beobachtete.

Chroniken der Hexer IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt