Askan war nun allein mit Königin Zera und ihrem Mann Kjell.
„Nun" sagte die Königin. „Was ist dein Anliegen?".
Askan überlegte, wo er anfangen sollte. In den letzten Tagen war zu viel geschehen. Angefangen bei den Ishtalar, den Herrscherstäben, die sie hatten stehlen wollen, bis hin zu Ben, der in den Verliesen der Klauenschlucht zusammen mit Eskil und Caio gefangen war.
„Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, wolltest du nach Hangar, um dich mit Erik und Eskil zu treffen", redete die Königin weiter.
Sie lächelte leicht.
Askan atmete einmal tief durch.
Er begann zu erzählen. Er erzählte, dass er Erik und Eskil in Hangar getroffen hatte und mit ihnen quer durch Baldrien gereist war, weil Caio ihnen den Tipp mit den Ishtalar gegeben hatte. Sie hatten vorgehabt sie zu stehlen und danach zu vernichten, um die gefangenen Feuerdämonen und Windgeister aus ihnen zu befreien. Wäre ihnen das gelungen, so hätten Amon und Ragnar einiges von ihrer Macht eingebüßt. Er erzählte wie sie in der Klauenschlucht auf Ben und Luis getroffen waren und wie sie sie zunächst für Schergen Amons gehalten hatten. Er erzählte von der Nacht im Wald auf der Lichtung, als sie von Alhadur angegriffen worden waren und wie Ben und Luis ihm zur Hilfe geeilt waren.
„...Ich habe ihnen dann vertraut", sagte er. „Nachdem sie ihre Leben für mich riskiert hatten. Ich glaubte ihnen plötzlich, dass sie nicht aus Baldrien stammen. Sie benutzen merkwürdige Worte, die ich noch nie zuvor gehört habe und trugen, als wir sie in der Klauenschlucht fanden seltsame Kleidung".
Königin Zera nickte.
Askan erzählte weiter von Ensgard und dass sie sich dort mit Caio getroffen hatten, der wütend darüber gewesen war, dass sie die Ishtalar nicht hatten stehlen können.
Dann erzählte Askan von Luis und Bens Offenbarung. Dass sie Gustel getroffen hatten und er sie mittels eines Portals nach Baldrien geschickt hatte. Er erzählte, dass Gustel einem von ihnen eine Prophezeiung hatte machen wollen und dass die Vermutung nahe lag, dass es sich um Luis handelte, für den die Prophezeiung bestimmt war.
Beim Klang von Gustels Namen schlug Königin Zera schockiert die Hände vor den Mund. Selbst Kjell, der sonst immer sehr teilnahmslos wirkte, riss entsetzt die Augen auf.
Askan ließ sich von ihren Reaktionen nicht beirren und erzählte weiter, von dem Angriff der Ishdur auf Ensgard und von Luis, den er in der Menge verloren und später in der unangenehmen Gesellschaft eines Ishdurs wiedergefunden hatte.
Er wiederholte die Worte des Ishdurs, die sich so fest in sein Gedächtnis eingebrannt hatten, dass er sie auswendig kannte:
„Noch bist du zu schwach, um gegen mich zu kämpfen, kleines Hexenkind! Aber du wirst stark werden! Stärker als jeder andere vor dir! Es wäre ein Jammer, dir jetzt deine Magie zu rauben, wo ich doch in ein paar Jahren zurückkehren und sie dir dann rauben kann, wenn sie großartig und kraftvoll ist!".
„Das ist unmöglich!", kommentierte Königin Zera. „Der Junge stammt nicht aus Baldrien!".
Askan ignorierte ihren Einwand und erzählte weiter von Caio, Eskil und Ben und dass sie von Blutwölfen verschleppt worden waren und nun in der Klauenschlucht festsaßen und davon, dass er versucht hatte Luis Windmagie beizubringen, er jedoch keine besaß.
Dann beendete er seine Erzählungen und schwieg.
Auch Königin Zera schwieg.
Sie saß in angespannter Haltung auf ihrem Thron und schien über alles nachzudenken, was Askan erzählt hatte.
„Wenn das, was du erzählst wahr ist, dann könnte der Junge gefährlich werden", eröffnete Kjell das Wort. Er hatte einen stärkeren Akzent als Zera.
Askan betrachtete ihn.
Er hatte mit dieser Reaktion gerechnet.
Er kannte Kjell gut.
Er war ein typischer Krieger.
Ein Stratege. Auch wenn Kjell stets ein guter Kämpfer gewesen war und Thewes treu ergeben zur Seite gestanden hatte, so war ihm doch sein eigenes Volk wichtiger als alles andere. Askan verurteilte ihn dafür nicht.
„Er ist nicht gefährlich", antwortete Askan knapp.
„Er könnte es aber werden", erwiderte Kjell hartnäckig.
„Er ist es aber nicht!", sagte Askan nun etwas lauter, als er beabsichtigt hatte. Er war nicht hier, um sich zu streiten.
„Er könnte die Nohorar in Gefahr bringen!", sagte Kjell, der sich nun auf seinem Stuhl vorgebeugt hatte. Bereit zum Sprung. „Wenn Amon von ihm erfährt, wird er nach ihm suchen!".
„Er erfährt aber nicht von ihm!", sagte Askan, nun wütend.
Kjell stand von seinem Stuhl auf und trat zu Askan. Er blieb wenige Zentimeter vor ihm stehen.
„Wenn der Junge so mächtig ist, wie du sagst; dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis er uns alle in Gefahr bringt!". Seine Augen bohrten sich ins Askans.
Die beiden Männer hatten die gleiche Größe.
Keiner von beiden war dem anderen körperlich überlegen.
Askan erwiderte seinen Blick.
„Es ist unsere Aufgabe ihn zu beschützen. Er ist der Schlüssel zu Thewes!", behaarte Askan.
Kjell kniff die Augen zusammen.
„Thewes ist mir egal, wenn mein Volk für ihn sterben muss".
Askan hielt entsetzt die Luft an.
„Wie kannst du es wagen?", fragte er wütend. Bereit zum Kampf.
„Genug!", polterte Königin Zeras Stimme nun laut durch die Hütte. Askan und Kjell drehten sich sofort zu ihr um. Keiner von beiden stellte ihre Autorität in Frage. Sie wartete einen Moment und blickte dabei abwechselnd zwischen den beiden Männern hin und her. Dann ergriff sie das Wort: „Askan hat recht. Es ist unsere Aufgabe für den Schutz des Jungen zu sorgen. Er könnte der Schlüssel zu Thewes sein. Wir müssen herausfinden auf welchem Element Luis' Kräfte basieren und ihn ausbilden. Er wird selbstverständlich über alles aufgeklärt".
Askan nickte zufrieden. Er blickte zu Kjell herüber, der jeden Muskel auf seinen Armen angespannt hatte. Askan sah, dass er wütend über Zeras Entscheidung war, doch er würde es niemals wagen ihr zu widersprechen.
„Ihr könnt ein paar Tage hierbleiben", redete die Königin weiter. „Allerdings lautet die höchste Priorität Gustel zu finden. Ihr solltet in spätestens zwei Tagen abreisen und weiter nach ihm suchen".
Askan nickte. Damit hatte er gerechnet. Er verneigte sich erneut vor der Königin, drehte sich um und verließ die Hütte. Hinter sich hörte er Kjell schimpfen. Er lächelte. Er hatte einen kleinen Sieg errungen.
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Chroniken der Hexer I
FantasíaLuis Freymann ist eigentlich ein ganz normaler Junge, der mit seiner Mutter Diane und seinem Großvater Theo in dem ruhigen Ort Falkenstein lebt. An seinem dreizehnten Geburtstag begibt er sich gemeinsam mit seinem besten Freund Ben in das alte und v...