1. Willkommen in Falkenstein

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Luis Freymann schlug seine Augen auf. Er konnte es kaum glauben. Heute würden drei seiner allerliebsten Dinge gleichzeitig geschehen:

1. Heute war Freitag, was bedeutete, dass er sich auf ein wunderbares Wochenende freuen konnte.

2. Morgen war der neunundzwanzigste Oktober, was bedeutete, dass er Geburtstag hatte und endlich dreizehn werden würde.

3. Heute Abend würde seine Mutter endlich von ihrer langen Reise aus Indien zurückkehren.

Luis streckte sich in seinem Bett und gähnte ausgiebig. Er hatte einen Bärenhunger und war schon ganz gespannt darauf, was Hilda zum Frühstück zubereitet hatte. Sie machte die wunderbarsten Pfannkuchen auf der ganzen Welt. 

Luis erhob sich von seinem Bett und schlurfte in das Badezimmer, welches direkt neben seinem Zimmer lag. Er griff nach seiner Zahnbürste, ließ etwas Wasser drüber laufen, drückte ein wenig Zahnpasta drauf und begann sich seine Zähne zu putzen. 

Luis wohnte in einem Ort mit dem überaus mystischen Namen „Falkenstein". So mystisch wie der Name auch klang, war die Geschichte hinter dem Namen eigentlich sehr langweilig. Vor zweihundert Jahren hatte es einen Mann mit dem Namen "Franko Vogelheimer" gegeben, der Falkenstein entdeckt hatte. Die ersten beiden Dinge, die er gesehen hatte, waren ein Falke und ein Stein gewesen, also hatte er den Ort „Falkenstein" getauft. 

So hatte es Luis zumindest in der Schule gelernt. Er mochte die Version seines Großvaters aber viel lieber. Der Geschichte seines Großvaters nach, war dieser Ort früher von vielen Völkern umkämpft gewesen. Diese schrecklichen Kämpfe hatten irgendwann so viele Opfer gefordert, dass sich die Völker dazu entschieden hatten, dem Blutvergießen abzuschwören und stattdessen einen ehrlichen Wettkampf daraus zu machen. 

Genau in der Mitte von Falkenstein hatte es einen riesigen Felsbrocken gegeben, den es von den Wettkämpfern zu erklimmen galt. Derjenige, dem es zuerst gelang, sollte eine Feder auf die Spitze des Brockens legen. Die ersten Versuche scheiterten und die Teilnehmer stürzten nach und nach von dem riesigen Felsbrocken ab. Plötzlich kam ein Falke vom Himmel geschossen, der (wie Luis Großvater hoch und heilig geschworen hatte) einem Mann mit dem Namen "Pancho Popelheimer" gehört hatte. Der Falke hatte in seinen Krallen eine Feder, die er auf die Spitze des Felsbrockens fallen ließ. 

Da die neuen Einwohner der Stadt, sie nach dem mutigen Mann benennen wollten; „Panchopopelheimerstadt" aber ein viel zu merkwürdiger Name gewesen wäre, hatten sie die Stadt „Falkenstein" genannt. Zumindest laut Luis' Großvater. Luis war sich ziemlich sicher, dass diese Geschichte frei erfunden war. Sein Großvater bestand jedoch seit Jahren vehement auf die historische Echtheit seiner Erzählung. 

Luis liebte seinen Großvater Theo wegen zwei sehr kleinen, aber für Luis unheimlich bedeutsamen Dingen:

1. Weil er immer so unglaublich wunderbar nach Pfefferminzbonbons roch.

2. Weil es niemanden sonst auf der ganzen weiten Welt gab, der so gute Geschichten erzählen konnte.

Luis spuckte die Zahnpasta aus, ließ noch einmal Wasser über seine Zahnbürste laufen, steckte sie zurück in den Becher und trocknete sein Gesicht mit dem quietschgelben Handtuch, das Hilda auf dem Flohmarkt, auf dem Luis und sie letzte Woche gemeinsam gewesen waren, so schön gefunden hatte.

Er ging aus dem Badezimmer heraus und zurück in sein Zimmer, um sich anzuziehen.

Sein Zimmer wirkte auf den ersten Blick genauso normal, wie es zu einem Jungen in seinem Alter passte. In der linken Ecke stand sein Bett und an der Wand gegenüber sein Schreibtisch, auf dem allerlei Papiere und Bücher lagen. Direkt rechts neben der Tür stand ein Kleiderschrank, aus dem seine Pullover, Jeans und T-Shirts ungefaltet herausquollen. An den hellblau gestrichenen Wänden hingen Poster seiner Lieblingsfußballmannschaft und seiner Lieblingsbands und genau in der Mitte des Zimmers auf dem Boden lag ein flauschiger, brauner Teppich.

Chroniken der Hexer IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt