Für den sonst so schönen Ort Falkenstein, war die Gesamtschule wie eine ekelige fette Nacktschnecke in einem blühenden Rosenbeet. Die Schule war ein trister grauer Betonklotz, mit kleinen gefängnisartigen Fenstern. Auf dem Schulhof waren immer ein paar ältere Schüler, die heimlich Zigaretten rauchten und Alkohol tranken. Luis und Ben standen nun in der Umkleidekabine der Sporthalle und unterhielten sich mit Paul Blum, einem Mitschüler aus ihrer Klasse. Paul war ein großer, schlaksiger blonder Junge mit einer großen Brille und strahlend weißen Zähnen. Dass seine Zähne so gut gepflegt und strahlend waren, lag mit Sicherheit daran, dass seine Eltern Zahnärzte waren, die in Falkenstein die einzige Zahnarztpraxis im ganzen Ort hatten.
„Heute ist wieder Basketball an der Reihe", sagte Paul, während er seinen großen schlaksigen Körper streckte. „Ich habe letztes Wochenende mit meinem Vater trainiert... bin schon viel besser geworden".
Ben warf Luis einen vielsagenden Blick zu, was Luis dazu zwang, sich ein Lachen zu verkneifen.
Paul war in etwa so sportlich wie Luis, konnte es sich im Gegensatz zu ihm allerdings nicht eingestehen. Vielleicht lag es daran, dass sein Vater Professor Doktor Blum ein großartiger Sportler gewesen war, der für die Schule damals viele Pokale gewonnen hatte.
Die Jungs traten, nachdem sie sich umgezogen hatten in die Sporthalle, wo ihre Sportlehrerin sofort begann Ben und einen anderen Jungen mit dem Namen Leon aufzuteilen, damit sie sich ihre Teams selbst zusammenstellen konnten.
Ben wählte zuerst Luis aus, was er immer tat, auch wenn Luis im schon oft gesagt hatte, dass er nicht sauer wäre, wenn er ihn zuletzt auswählen würde. Aber Ben hatte nichts davon wissen wollen und wählte Luis, so wie jede Woche zuerst in sein Team.
Nachdem alle Kinder in zwei Teams aufgeteilt waren, spielten sie die ersten zwei Schulstunden Basketball, so wie Paul es angekündigt hatte.
Nach dem Sport versammelten sie sich in der Cafeteria zur Frühstückspause, die eine halbe Stunde dauerte. Um halb zehn stand Mathe auf dem Stundenplan. Gegen zwölf Uhr gab es eine Mittagspause, die Ben und Luis ebenfalls in der Cafeteria verbrachten und um dreizehn Uhr hatten sie endlich ihre letzte Schulstunde. Erdkunde. Als die Glocke um vierzehn Uhr läutete, packte Luis sofort seine Schulbücher in die Tasche und rannte hinaus in sein verdientes Wochenende.
Auch den Weg nach Hause gingen Luis und Ben gemeinsam.
„Ich komme dann heute Abend gegen neunzehn Uhr zu dir", sagte Ben. „Pünktlich zum Abendessen".
„Du kannst ruhig schon früher kommen", antwortete Luis.
Ben schüttelte bedauernd den Kopf. „Geht heute nicht. Doktor Fischer kommt heute vorbei und untersucht meine Mutter".
Luis nickte. Doktor Fischer war der älteste Arzt in ganz Falkenstein. Luis konnte das Alter von Erwachsenen nicht gut schätzen, doch er glaubte, dass der Doktor noch einige Jahre älter war als sein Großvater Theo. Ben würde es niemals zugeben, doch Luis wusste, dass er jeden Monat, wenn der Doktor Frau Petrie besuchte, darauf hoffte, dass er sagte, ihr Zustand würde sich bald verbessern. Doch das war bisher noch nie geschehen. Die beiden Jungen trennten sich vor Bens Haus und Luis setzte seinen Weg allein weiter fort.
Zu Hause angekommen, öffnete sein Großvater ihm die Tür.
„Luis!", sagte er fröhlich und schloss seinen Enkel in die Arme. „Du wirst nicht glauben, was in der Geschichte, die ich gerade lese, passiert ist! Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen!".
Luis kicherte. „Hilda hat heute Morgen etwas in die Richtung erwähnt", antwortete er.
Sein Großvater war ein sehr großer Mann. Er hatte schütteres, graues Haar, wie andere alte Männer auch, trug immer karierte Hemden und Kordhosen mit Hosenträgern. Auf seiner Nase saß eine kleine runde Brille und seine Augen leuchteten stets in einem freundlichen hellen Blau.
Hilda hatte einmal zu Luis gesagt, dass Theo, als sie ihn kennengelernt hatte, ausgesehen hatte wie der junge Gregory Peck und sie deswegen am Anfang unheimlich verliebt gewesen war. Luis hatte nicht gewusst wer Gregory Peck war und auch nicht weiter nachgefragt, da ihn die Vorstellung von Hilda und seinem Großvater abschreckte.
„Ach Hilda", sagte sein Großvater nun und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Sie würde ein gutes Buch nicht mal erkennen, wenn es ihr direkt in die Nase beißen würde".
Luis lachte.
„Das habe ich gehört!", hörte er die wütende Stimme von Hilda direkt aus der Küche. Theo zuckte nur mit den Schultern und zwinkerte Luis verschwörerisch zu. Sie gingen in die Küche und setzten sich zum Mittagessen an den Tisch.
„Ich dachte, du wärst heute noch etwas länger mit Ben draußen unterwegs", sagte Hilda und zog fragend ihre Augenbrauen in die Höhe, während sie die Töpfe mit den Spaghetti und der Soße auf den Tisch stellte.
„Nein", antwortete Luis. „Heute nicht. Doktor Fischer ist heute bei ihnen".
Theo nahm sich etwas von den Nudeln und blickte Luis stirnrunzelnd an. „Der arme Junge", sagte er, wie er es schon so häufig gesagt hatte. „Seine Mutter ist früher so ein nettes, fröhliches Mädchen gewesen. Ich habe sie schon immer gemocht".
Hilda nickte zustimmend. „Ja. Sie war so herzallerliebst, genau wie ihr Sohn".
Luis nahm sich nun ebenfalls etwas von den Nudeln, die er auf seine Gabel nahm.
„Übrigens" sagte Hilda an Luis gewandt. „Deine Tante Gylla hat mich vorhin angerufen. Sie wollte wissen, ob du mit ihnen zusammen in den Weihnachtsferien wieder ins Bibelcamp fährst".
Luis stöhnte laut auf. „Du hast sofort abgesagt, oder?", fragte er alarmiert.
Hilda stemmte entrüstet ihre Hände in die Hüften. „Natürlich nicht!", rief sie aus. „Ich würde niemals etwas absagen, ohne dich vorher gefragt zu haben!".
Tante Gylla war die Schwester seiner Mutter. Sie, ihr Mann Sven und ihre beiden Kinder Edda und Samuel waren eine glückliche, christliche Familie, die Luis nur allzu gern zu ihren merkwürdigen Ausflügen einluden, um sich dann dauerhaft über sein mangelndes biblisches Wissen zu erzürnen.
Außerdem waren auf diesen Ausflügen immer irgendwelche Hippietypen mit Ziegenbärtchen, die Sandalen zu Socken trugen und auf ihren alten Gitarren Kirchenlieder zum Besten gaben.
„Du hättest für mich absagen können", sagte Luis nun. „Ich möchte nie wieder mit ihnen zusammen irgendwohin fahren".
Hilda schüttelte tadelnd mit dem Kopf. „Das kannst du schön selbst machen, Luis. Ich bin nicht deine Brieftaube".
„Ach, Kopf hoch, Luis", sagte sein Großvater und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Du bist morgen dreizehn und schon fast in der Pubertät. Vielleicht hast du bis zum Winter Bartwuchs und kannst dir einen schönen, stattlichen Ziegenbart wachsen lassen. Ben leiht dir bestimmt eine seiner Gitarren aus und dann fällst du zwischen den ganzen Heinis dort nicht auf".
Theo strich mit seinen Fingern über sein Kinn und legte den Kopf nachdenklich zur Seite. „Vielleicht sollte ich mir auch einen stattlichen Ziegenbart wachsen lassen".
Luis brach in lautes Gelächter aus und verschluckte sich an seinen Spaghetti. Sein Großvater klopfte ihm auf den Rücken.
Hilda blickte die beiden tadelnd an. „Ihr seid unmöglich! Theo, du bist fünfundsechzig Jahre alt. Gerade von dir erwarte ich ein besseres Benehmen!".
Hildas Worte lösten einen erneuten Lachanfall aus, in den diesmal auch sein Großvater mit einstimmte.
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Chroniken der Hexer I
FantasíaLuis Freymann ist eigentlich ein ganz normaler Junge, der mit seiner Mutter Diane und seinem Großvater Theo in dem ruhigen Ort Falkenstein lebt. An seinem dreizehnten Geburtstag begibt er sich gemeinsam mit seinem besten Freund Ben in das alte und v...