„Darf ich hereinkommen?", hörte Luis die zaghafte Stimme von Kaia. Er schlug die Augen auf und blickte nach links. Ben lag nicht mehr auf seinen Kissen. Er war wohl schon aufgestanden. Luis rieb sich müde die Augen. Dann fiel ihm wieder ein, dass Kaia vor der Hütte stand und auf seine Antwort wartete.
„Ja, klar", sagte Luis zögernd und setzte sich auf.
Als Kaia eintrat sah Luis sofort, dass sie sich gewaschen hatte. Ihre Haare waren zwar noch immer ein wenig verfilzt, doch sie sahen gesünder und frischer aus. Sie trug ein schönes weißes Kleid und auf ihrem Gesicht lag ein vorsichtiges Lächeln. Luis dachte in diesem Moment, dass Kaia, abgesehen von seiner Mutter, die schönste Frau war, die er jemals gesehen hatte.
Vielleicht lag es daran, dass er jetzt wusste, dass sie seine Großmutter war, aber das war ihm egal.
„Darf ich mich setzen?", fragte Kaia und deutete auf die Kissen auf denen Ben geschlafen hatte.
Luis nickte.
Nachdem Kaia sich gesetzt hatte musterte sie Luis aufmerksam.
„Wie geht es meinem Sohn?", fragte sie vorsichtig. Luis hatte geahnt, dass sie nach seinem Vater Stellan fragen würde. Immerhin war er ihr Sohn gewesen und für ihn hatte sie die halbe Welt auf den Kopf gestellt.
„Ähm... Er ist tot", antwortete Luis leise und wandte seinen Blick von Kaia ab, der sofort Tränen in die Augen traten.
Er gab ihr ein wenig Zeit, damit sie sich beruhigen konnte.
Sie weinte sehr lange.
Die Minuten verstrichen.
„Wie...?", brachte sie irgendwann heraus.
„Es war ein Autounfall", erklärte Luis, dem es selbst schwerfiel über den Tod seines Vaters zu reden und das mit einer Frau, die ihm so fremd war.
„Autounfall?", fragte Kaia.
Luis hatte ganz vergessen, dass es in Baldrien keine Autos gab, also erklärte er ihr, was ein Auto war.
Sie nickte verständnisvoll, doch Luis wusste, dass sie noch immer nicht ganz verstanden hatte, was ein Auto war.
„War er denn glücklich?", fragte sie schniefend. „Hatte er ein schönes Leben?". Luis griff nach ihrer Hand und drückte sie leicht, während er ihr tief in die großen braunen Augen blickte.
„Er war der glücklichste Mann auf der ganzen Welt!".
Kaia lächelte. Diesmal lächelte sie nicht zaghaft, sondern offen und fröhlich. In diesem Moment erkannte Luis seinen Vater Stellan in ihr. Er hatte genauso gelacht.
Luis und Kaia unterhielten sich noch sehr lange. Er erzählte ihr von seiner Mutter Diane und von Hilda und von dem großen Haus, in dem sie lebten. Kaia hörte ihm interessiert zu und stellte viele Fragen. Er erzählte von seinem Vater und von all den verrückten Dingen, die er getan hatte.
Es war ein guter Morgen und Luis war glücklich darüber, dass er einen Teil seiner Familie gefunden hatte, von dem er nicht gewusst hatte, wie sehr er ihn vermisst hatte.
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Chroniken der Hexer I
FantasiLuis Freymann ist eigentlich ein ganz normaler Junge, der mit seiner Mutter Diane und seinem Großvater Theo in dem ruhigen Ort Falkenstein lebt. An seinem dreizehnten Geburtstag begibt er sich gemeinsam mit seinem besten Freund Ben in das alte und v...