37. Schockierende Entwicklungen

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„Wir werden auf keinen Fall zurück gehen, um deine kleine Freundin zu retten!", schimpfte Caio und verschränkte dabei seine muskelbepackten Arme vor der Brust. Er blickte auf Ben hinab und seine Augen, in denen das Weiß wieder vollkommen verschwunden waren, glänzten schwarz und boshaft. Doch Ben kannte es schon.

Er verdrehte genervt die Augen.

Caio machte gerne auf dicke Hose, so wie die älteren Kinder in Falkenstein es gemacht hatten, wenn sie Luis bedroht hatten. Er hatte sich niemals von ihnen einschüchtern lassen und von Caio ebenso wenig. Er blickte ihm trotzig entgegen.

„Dann gehe ich auch nicht!", antwortete er.

Caio machte Anstalten ihn zu packen, doch Ben wich geschickt aus.

„Wir stehen mitten in den Verliesen der Klauenschlucht!", rief Caio wütend aus. „Es ist nur eine Frage der Zeit bis jemand hierherkommt und uns entdeckt. Verstehst du das nicht?!".

„Doch", antwortete Ben. „Ich gehe trotzdem nicht ohne sie".

Caio wollte etwas erwidern, doch Eskil kam ihm zuvor.

„Wir holen sie", ergriff er die Partei für Ben.

Bens Gesicht hellte sich sofort auf, im Gegensatz zu Caios, welches nun noch übellauniger und gefährlicher aussah.

„Großartig!", rief er wütend aus und warf dabei verzweifelt die Arme in die Luft. „Dann können wir uns auch genauso gut sofort selbst wieder anketten!".

Eskil lachte leise und schüttelte den Kopf. „Sei nicht so dramatisch, Caio", sagte er. „Wir beeilen uns".

Ben blickte zu Caio herauf, der zu zögern schien.

Eskil taxierte ihn mit seinen unnatürlich hellen Augen.

„Komm schon", sagte er und Ben konnte sehen, wie Caios unnachgiebige Fassade langsam zu bröckeln begann.

Er gab auf.

„Na meinetwegen", sagte er in genervtem Tonfall.

Eskil nickte zufrieden und drehte sich nun zu Ben um.

„Wir müssen uns wirklich beeilen, Ben! Caio und ich können in unserer natürlichen Geschwindigkeit rennen, aber du kannst es nicht. Also nehme ich dich auf meinem Rücken mit. Ist das in Ordnung für dich?".

Ben nickte.

Er hatte schon immer einmal schnell wie der Wind sein wollen.

Eskils weiße Haut schimmerte beinahe in der Dunkelheit.

„Dir könnte übel und schwindelig werden", erklärte er weiter.

Ben zuckte mit den Schultern. „Ist nicht schlimm für mich". Er spürte das Adrenalin in seinen Adern.

Eskil nickte und bückte sich, damit Ben auf seinen Rücken klettern konnte. Er kletterte hoch und schloss seine Arme fest um Eskils Hals.

Eskil und Caio nickten sich kurz zu und plötzlich flogen sie.

Ben spürte den kühlen Wind in seinem Gesicht, der ihm Tränen in die Augen trieb. Er hörte den Wind in seinen Ohren, der zu kreischen schien und so laut war, dass er nichts anderes mehr wahrnahm. Schatten glitten an ihnen vorbei und Schemen, die er nicht einordnen konnte und dann war es wieder vorbei.

Eskil wurde langsamer und Ben konnte die Höhlenwände der Klauenschlucht und die Fackeln, die an ihnen befestigt waren, allmählich wieder erkennen.

Er blinzelte ein paar Mal mit den Augen, die weiter tränten. Eskil blieb stehen. Er ließ Ben von seinem Rücken hinabgleiten, dessen Beine zitterten. Er wusste nicht, ob es an der Schnelligkeit lag, in der Eskil gerannt war, oder an der Anstrengung, mit der er versucht hatte, nicht von seinem Rücken hinabzurutschen.

Sie waren nun in dem Verlies, in dem er tagelang angekettet gewesen war.

Ben erkannte es sofort wieder.

„Ben?", fragte eine zarte Frauenstimme. Er drehte sich zu der Wand um, an der Kaia lehnte und trat vor.

„Ich wollte nicht gehen, ohne dich mitzunehmen", erklärte er.

„Das ist lieb von dir", sagte sie.

Sie saß noch immer verborgen in den Schatten und Ben fragte sich, warum sie keine Anstalten machte, herauszukommen.

Er drehte sich zu Caio und Eskil um.

„Wie können wir sie befreien? Wir haben nicht das Blut des Hexenmeisters, der sie angekettet hat".

„Ich habe es selbst!", sagte Kaia plötzlich und trat aus den Schatten des Verlieses.

Eskil und Caio blickten sie schockiert an.

„Kaia?!", riefen beide entsetzt aus.

„Ihr kennt sie?", fragte Ben erstaunt.

Eskil nickte und Caio blickte ihr düster entgegen. Er schien nicht begeistert davon zu sein, sie wiederzusehen. Sie machte ein paar Schritte auf Ben zu, soweit es ihre Fessel erlaubte.

„Warum hast du dich dann nicht befreit?", fragte Ben.

Caio schnaubte laut auf.

„Warum sollte sie auch? Sie weiß, dass keine Kreatur in ganz Baldrien besonders erfreut wäre, sie zu sehen!".

Ben verstand nun nichts mehr.

Sein Blick glitt von Caio zu Eskil und dann zu Kaia, die sich unter den wütenden Blicken der beiden zu winden schien.

„Was ist denn los?", fragte Ben, der sich nicht vorstellen konnte, dass Kaia irgendetwas falsch gemacht haben konnte. Immerhin war sie so nett zu ihm gewesen und hatte ihn an seine Mutter erinnert, die er schmerzlich vermisste.

„Es ist eine lange Geschichte", antwortete Kaia kleinlaut.

„Lange Geschichte?!", rief Caio wütend aus. „Wie wäre es, wenn ich sie einfach ein wenig abkürze? Du hast Thewes verraten! Du warst die Letzte, die ihn vor seinem Verschwinden gesehen hat. Danach bist du untergetaucht und hast dich ganz offensichtlich, wie ein Feigling in den Verliesen der Klauenschlucht versteckt. Unglaublich, dass ich dir in den ganzen fünfunddreißig Jahren nicht einmal begegnet bin!".

Eskil legte Caio eine Hand auf die Schulter, um ihn zu beschwichtigen. Doch Ben sah, dass auch Eskil, der sonst immer ausgeglichen und ruhig wirkte, angespannt aussah.

„Ich hätte Thewes niemals verraten!", rief Kaia nun, die ihre großen braunen Augen weit aufgerissen hatte und sich, obwohl sie so zierlich wirkte, offensichtlich nicht von Caio einschüchtern ließ. „Ich habe ihn geliebt! Er war mein Ehemann!".

Ben riss schockiert die Augen auf.

Kaia war Thewes' Frau?

Er merkte, dass ihm schwindelig wurde und er Schwierigkeiten hatte auf den Beinen zu stehen.

Er wankte leicht.

„Mir geht's nicht so gut", nuschelte er. Große schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen. Er fiel zur Seite, doch merkte, dass er von zwei starken Armen gepackt wurde.

Caio hatte ihn aufgefangen und blickte ihn an.

Sah er etwa besorgt aus? Er legte seine riesige Hand auf Bens Stirn.

„Er ist eiskalt", sagte er.

„Es ist sein Arm!", hörte Ben Kaias besorgte Stimme. „Die Verbrennung, die du ihm zugefügt hast. Ich kann ihn heilen!".

„Du bist eine Mahara, Kaia?", flüsterte Ben noch und danach wurde alles schwarz.

Chroniken der Hexer IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt