„Gustel ist ein Prophet", erklärte Askan. „Er hat jahrhundertelang Ereignisse in Baldrien vorausgesagt und ist auch der Meister der Tore".
„Meister der Tore?", fragte Luis.
Caio lehnte noch immer mit vor der Brust verschränkten Armen an dem Tisch.
„Er kann Portale erschaffen. So seid ihr von eurer Welt in unsere gelangt", erklärte Askan.
„Was hat er zu euch gesagt?", fragte Caio, der Luis und Ben nun nicht mehr mit diesem hasserfüllten Blick anstarrte, sondern mit einer Mischung aus Interesse und leichtem Misstrauen.
„Ich weiß nicht mehr genau", gestand Ben, der nachdenklich den Kopf zur Seite geneigt hatte.
„Dann denk nach!", antwortete Caio, in einem barschen Befehlston. Er schien durch und durch ein Soldat zu sein.
„Ich weiß es nicht mehr!", antwortete Ben und blickte sich hilfesuchend zu Luis um. „Ich glaube, dass er Herrn Kowalski ein fettes Schweinski genannt hat".
Caio runzelte die Stirn. „Das hört sich tatsächlich an, wie etwas, dass Gustel sagen würde".
Luis überlegte angestrengt. Ben war so aufgelöst gewesen in dem Waisenhaus, aber Luis hatte Gustel genau zugehört. „Ich weiß es wieder!", rief er aus.
„Dann sag es uns", sagte Askan drängend.
„Er hat gesagt: „Möchtest du nun deine Prophezeiung hören? Dann lasse ich mich von euch nie wieder stören. Oder eine schöne Reise nach Baldrien? Ich denke, das bekomme ich auch noch hin", wiederholte Luis die Worte, die er in dem Waisenhaus gehört hatte.
Caio und Askan schwiegen. Sie wechselten erneut einen kurzen Blick.
„Was hat das zu bedeuten?", fragte Ben, dem der Blick zwischen den beiden Männern ebenfalls nicht entgangen zu sein schien.
„Mit wem von euch beiden hat Gustel gesprochen?", fragte Askan, ohne auf Bens Frage zu antworten.
„Er hat mit Luis gesprochen", sagte Ben nach einer kurzen Pause. Er warf Luis einen Blick von der Seite zu.
„Mit mir?", fragte Luis entsetzt. „Er kann genauso gut mit dir gesprochen haben!".
Ben schüttelte energisch den Kopf. „Nein, ich war abgelenkt. Gustel hat nur dich angesehen, als er es gesagt hat". Askan und Caio hatten nachdenklich die Augen zusammengekniffen.
„Das ist interessant", bemerkte Caio. „Aber was will er von dem Jungen?", fragte er an Askan gewandt.
„Und warum gerade jetzt?", fragte Askan zurück.
„Eines ist sicher", antwortete Caio. „Wir müssen Gustel finden und die Prophezeiung hören, bevor Amon sie hört!".
Askan nickte.
„Warum ist euch diese Prophezeiung so wichtig?", fragte Luis.
„Weil Gustel seit fünfunddreißig Jahren nicht mehr gesehen worden ist", antwortete Askan.
„Vor fünfunddreißig Jahren ist doch...", setzte Ben an.
„...Thewes verschwunden. Richtig", schloss Askan seinen Satz. „Seitdem gab es keine einzige Prophezeiung mehr".
„Und wenn er wirklich vorhatte, Luis eine Prophezeiung zu machen", sagte Caio, während er Luis mit seinen schwarzen Augen musterte. „Dann wird Luis eine große Rolle in der Geschichte von Baldrien spielen".
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Chroniken der Hexer I
FantasyLuis Freymann ist eigentlich ein ganz normaler Junge, der mit seiner Mutter Diane und seinem Großvater Theo in dem ruhigen Ort Falkenstein lebt. An seinem dreizehnten Geburtstag begibt er sich gemeinsam mit seinem besten Freund Ben in das alte und v...