31. Endlich frei

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Ben schlug die Augen auf. Was für ein verrückter Traum, dachte er. In der Höhle war es, bis auf eine kleine Fackel, die am Eingang hing, dunkel. Sein Arm schmerzte fürchterlich.

Er stöhnte.

„Sind die Schmerzen schlimmer geworden?", fragte Kaia, die anscheinend auch nicht besonders gut schlief.

Sie schien immer wach zu sein.

Ben nickte.

Er versuchte seinen Arm etwas anders hinzulegen, damit die Schmerzen ein wenig nachließen, doch es half nicht.

Eigentlich hatten Kaia und Ben vor drei Tagen einen guten Plan gehabt, wie sie aus dem Verlies fliehen konnten. Kaia hatte an dem Abend, als Ben gefangen genommen worden war sogar beobachtet, wer den Blutfluch an seinen Fesseln gesprochen hatte. Es war ein kleiner, dünner Mahara gewesen, der bei ihnen regelmäßig Wache geschoben hatte.

Kaia und Ben hatten sich überlegt ihn unter einem Vorwand zu sich zu rufen, wenn er allein war und ihn dann zu überwältigen, doch leider war der Mahara seit zwei Tagen verschwunden.

Ben hatte Angst, dass einer der anderen Wachen zugehört hatte, als Kaia und er den Plan geschmiedet hatten und der Mahara deswegen nicht mehr auffindbar war.

Wenn es so war, dann waren sie verloren.

Kaia vielleicht nicht, doch Ben schon.

Ihm lief die Zeit davon. Er brauchte dringende Wundversorgung.

„Wir lassen uns etwas anderes einfallen!", sagte Kaia und betrachtete Ben dabei liebevoll mit ihren großen braunen Augen. „Ich lasse nicht zu, dass dir etwas geschieht!".

Ben nickte. Er wollte ihr gerne glauben, doch er wusste, dass auch sie nicht viel ausrichten konnte, da sie selbst gefesselt war. Er ließ seinen Hinterkopf gegen die harte Höhlenwand sinken und blickte nach links auf den Ausgang. Es wäre so einfach, wenn sie nicht gefesselt wären. Es gab in diesen Verliesen noch nicht einmal Türen. Er seufzte und betrachtete weiterhin sehnsüchtig den Ausgang.

Plötzlich stach ihm etwas anderes ins Auge.

Etwas das er vorher nicht gesehen hatte.

Ein paar Zentimeter neben ihm klebten ein paar Tropfen Blut an der Höhlenwand.

„Kaia!", rief Ben aus. „Sieh nur!".

Kaia kroch ein Stück näher zu ihm heran, soweit es ihre Fußfessel erlaubte und versuchte etwas zu erkennen.

„Was ist?", fragte sie.

„Dort!", sagte Ben aufgeregt und zeigte auf die Wand, an der das Blut klebte.

Sie erkannte das Blut und ihre Miene hellte sich auf.

„Unmöglich!", sagte sie erstaunt. „Dieser Mahara muss sehr unvorsichtig gewesen sein!". In ihrer Stimme schwang noch etwas anderes mit. Misstrauen. Doch Ben war zu glücklich über das, was er gefunden hatte, als sich darüber den Kopf zu zerbrechen.

„Ist doch egal!", sagte Ben. „Wir kommen hier raus".

Kaia hob zweifelnd die Augenbrauen.

Im nächsten Moment hörten sie Schritte und sahen die Silhouette eines Mannes, die einen Schatten auf die Höhlenwand warf.

Kaia kroch zurück zu der Wand, an der sie gefesselt war und Ben rückte ein Stück von dem Blut ab, das an der Höhlenwand klebte. Er wollte verhindern, dass die Person, die sich näherte, es entdeckte.

Der Mann kam um die Ecke und Ben konnte ihn nun richtig erkennen. Er war sehr groß und dünn. Sein Gesicht war rund und blass. Er hatte hellblondes Haar und eine große, spitze Nase. Seine Kleidung sah sehr edel und teuer aus. Ben vermutete, dass dieser Mann einen höheren Rang bekleidete.

Der Mann trat näher und verlangsamte seine Schritte.

„Hallo, mein kleiner Freund!", sagte er. Seine Stimme klang ölig und glatt.

Ben wagte einen kurzen Seitenblick auf Kaia, die ihre Augen weit aufgerissen hatte, den Kopf aufgeregt schüttelte und ihm damit anscheinend irgendetwas mitzuteilen versuchte.

Der Mann trat zu Ben und kniete sich vor ihm hin.

„Hier muss ein riesiges Missverständnis vorliegen!", sagte der Mann in einem bedauernden Tonfall. „Es war nicht deine Schuld, dass du zufällig mit dem Windgeist und dem Feuerdämonen zusammen warst, als euch die Blutwölfe erwischt haben".

Der Mann beäugte Ben und blickte auf seinen Arm.

In gespieltem Entsetzen fasste er sich an die Brust.

„Wer hat dich denn so zugerichtet?", fragte er. „Das muss dieser Feuerdämon gewesen sein!".

Der Mann zog ein kleines Fläschchen aus seinem Umhang. Ben konnte eine dunkle Flüssigkeit darin erkennen.

„Ich nehme dich mit und wir beide unterhalten uns ein bisschen. Ich werde dafür sorgen, dass deine Wunden versorgt werden und dir niemand etwas tut", erklärte der Mann weiter.

Er beugte sich vor und öffnete das Fläschchen. Dann tröpfelte er etwas von der Flüssigkeit auf Bens Fessel, die sich sofort aufzulösen begann.

„Ist das Blut?", fragte Ben, der schon genau wusste, dass es das Blut des Mahara sein musste, der seit ein paar Tagen verschwunden war.

„Das da?", fragte der Mann und zeigte dabei mit dem Finger auf das Fläschchen. „Ach. Das wird sowieso von niemandem mehr benötigt!", erklärte er und lachte dabei laut auf, so als hätte er einen wirklich guten Witz gemacht.

Ben stand langsam auf und schüttelte seine Beine aus. Der Mann legte einen Arm um Ben und schlenderte mit ihm zum Ausgang der Höhle.

„Ich bin übrigens Florinus!", stellte sich der Mann vor.

Chroniken der Hexer IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt