Na dann, Happy Birthday

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Als Kilian aufwachte, hatte er wieder das bedrückende Gefühl vom Vortag, dass irgendetwas seltsam sein könnte, wenn er die Augen öffnete. Bevor er dies tat, rief er sich also ins Gedächtnis, dass gestern den ganzen Tag und Abend nichts geschehen war.

Er sollte dieses Mal jedoch nicht Recht behalten.

Das Krächzen der Krähe ließ ihn hochschrecken und die Augen aufreißen. Doch was ihn so erschreckte, dass er laut aufschrie, war nicht die Tatsache, dass sie auf dem Ast saß und ihn beobachtete, nicht einmal, dass es drei Krähen waren, die ihn anstarrten.

Nein, was ihn erschreckte, war die Tatsache, dass der Ast nicht mehr draußen war. Beziehungsweise Kilian nicht mehr drin. Er war sich nicht sicher, jedenfalls war das Grün, das ihn umgab, nicht das seiner Wände, sondern das eines Waldes. Kilian saß nicht in seinem Bett, sondern auf einem dichten Moosteppich mitten in einem Laubwald inklusive Sträuchern, Kräutern und eben auch Krähen. Die Sonne blinzelte müde durch das Blätterdach, ein Eichhörnchen huschte einen Baum hoch und in der Ferne plätscherte ein Bach.

Er kniff die Augen fest zu, doch als er sie wieder öffnete, saß er immer noch auf dem Moosteppich. Dann hörte er ein hölzernes Klopfen und als er sich in dessen Richtung drehte, sah er seine Zimmertür dort stehen. Türrahmen. Geschlossene Tür. Sonst nichts.
"Kilian? Bist du wach?", rief seine Schwester durch die Tür.
"Nein. Nein, ich- ich glaube nicht", stammelte er, unfähig aufzustehen oder die Situation zu erklären.
"Was ist denn das für eine Antwort? Ich hoffe du bist angezogen, denn ich komme jetzt rein." Die Tür öffnete sich und zeigte den Flur des Hauses. Im Rahmen stand seine Schwester mit einem Stück Schokokuchen auf einem Teller in ihrer Hand. Der Teller fiel ihr samt Kuchen mit brennender Kerze aus der Hand, als sie sich diese entsetzt vor den Mund schlug. Dier Kerze verlosch beim Aufprall in Kuchenmatsch.
"Was zum-", hauchte sie, bevor sie den Kopf zur Seite drehte, um ins Haus zu rufen: "Mama! Oma! Kommt schnell her!"

Fußgetrappel auf der Treppe und schneller, als er es für möglich gehalten hatte, standen seine Mutter und Großmutter im Türrahmen und rissen entsetzt die Augen auf.
"Aber wie-", setzte seine Mutter an, während seine Großmutter gleichzeitig "Das kann nicht sein!" rief.
"Eure Reaktionen vermitteln mir nicht wirklich Zuversicht, wisst ihr? Zumindest scheint das hier kein Witz von euch zu sein", brachte er hervor, als er sich halbwegs gefangen hatte.

Kilian erhob sich langsam und betrachtete den Heidelbeerstrauch zu seiner rechten. Er trug Früchte. Ende Oktober? Er pflückte eine und betrachtete sie. Dann roch er daran und drückte sie leicht, bis lila Saft aus ihr hervorquoll. Vorsichtig leckte er mit der Zunge daran: Eindeutig Heidelbeere. Die drei Frauen betraten indes verwundert den Wald und sahen sich um. Es war auch nicht kühl und, wie ihm bereits aufgefallen war, waren die Blätter an den Bäumen grün. Es war Sommer.

"Kilian", hauchte seine Schwester und sah ihn verwundert an, bevor sie kopfschüttelnd fragte: "Hast du das gemacht?"
Kilian zuckte mit den Schultern: "Ich weiß nicht. Aber es scheint so. Oder?"
"Das ist unmöglich. Das kann nicht sein", sagte seine Mutter knapp und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Hat dich gestern jemand besucht?", fragte ihn seine Großmutter schließlich. Er schüttelte den Kopf.
„Nur Lu." Die war vermutlich schon nach Hause gedüst, um ihre Eltern vor der nächsten Geschäftsreise noch verabschieden zu können.

"Das ist unerhört. Entweder hat sich jemand einen ganz üblen Scherz mit dir erlaubt"- seine Großmutter warf einen strengen Blick in Richtung ihrer Tochter und Enkeltochter
"-oder jemand hat seine Arbeit nicht ordentlich gemacht", sagte sie mit lauernder Stimme.
"Na hör mal. Es ist doch sowas von klar, dass es ein Scherz sein muss. Er ist ein Junge!", rief seine Mutter entgeistert. Ihre Stimme hallte durch den Wald und eine der Krähen krächzte missbilligend. Als seine Mutter die drei Vögel bemerkte, wich jegliche Farbe aus ihrem Gesicht und sie wandte schnell den Blick ab. Kilian sah, dass ihre Hände zitterten.

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