"Was macht ihr hier?", fragte Kilian noch einmal, als er keine Antwort bekam.
"Ähm. Merchandising?", brachte Lu nervös lachend hervor. Kilian verstand die Referenz, war aber gerade wirklich nicht zum Scherzen aufgelegt. Er hatte das Gefühl, dass hier etwas im Gange war, was ihm gar nicht gefallen würde.
"Kilian, du musst dich beruhigen", sagte Selena und hob beschwichtigend die Hände. Doch diese Worte beunruhigten ihn erst so richtig.
"Was ihr hier macht, habe ich gefragt!" Er fühlte die Panik langsam in ihm hochsteigen.
"Wir retten dein Leben", schnappte seine Schwester und stand auf. Ein trotziges Funkeln trat in ihre Augen.
"Erstens: Nein! Und zweitens: Nein!", rief er, wobei er abwechselnd auf die zwei wichtigsten Menschen in seinem Leben zeigte.
"Kilian, ich weiß, was ich tue", sagte Lu ganz ruhig und stand ebenfalls auf. Er sah sie an. Seine beste Freundin. Seit er denken konnte war sie an seiner Seite gewesen. Der braune Kurzhaarschnitt, das trotzige Kinn.
"Du? Du kannst das nicht tun. Du bist keine Hexe", sagte er, obwohl er während er es sagte, bereits merkte, dass es nichts zur Sache tat.
"Nein. Aber das muss ich auch nicht sein. Sally hat mir genau wiedergegeben, was die Göttin gesagt hat." Eindringlich musterte sie ihn.
"Und da du dafür gesorgt hast, dass Mama, Oma und ich gebannt werden-", Selena warf ihm einen giftigen Blick zu, der seinem schlechten Gewissen Zunder gab, bevor sie fortfuhr:"- hast du lebensmüder Spinner Glück, dass du die großartigste Freundin hast, die man sich vorstellen kann." Natürlich hatte seine Schwester recht mit ihren Worten.
"Er hat dich nicht verdient", seufzte Sally an Lu gewandt und Lu nickte.
"Ich weiß. Ich bin zu gut für ihn." Theatralisch verdrehte Lu die Augen. Kilian knirschte mit den Zähnen. Das hier lief alles ganz falsch.
"Ich konnte dir bisher wenig helfen. Aber ich werde nicht tatenlos zusehen, wie du dein Leben wegwirfst, wenn ich es verhindern kann."
"Ich? Du willst dich opfern! Du bist diejenige, die ihr Leben wegwirft!"
"Mir wird nichts geschehen."
"Wie kannst du da sicher sein?""Ich weiß es. Ich fühle es. Ich habe keine magischen Kräfte oder ein drittes Auge oder Kartenhände. Aber ich habe ein Herz. Und das hat mich noch nie getäuscht. Ich muss das für dich tun. Lass mich diesen Weg für dich gehen. Mir wird nichts geschehen."
Kilian blickte Lu stumm an. Er fühlte, wie es in seiner Kehle zu brennen begann. Tränen drohten ihm in die Augen zu steigen.
"Was ist nur falsch mit dir?", keuchte er schließlich. Lu zog einen Mundwinkel hoch.
"Alles. Außer mein Kleidungsstil", lachte sie und Kilian musste unwillkürlich mitlachen. Lu breitete die Arme aus und er trat einen Schritt auf sie zu. Sie umarmten sich fest, flüsterten sich gegenseitig Beleidigungen zu und lachten dabei, wobei Kilian fühlte, dass Lus Wangen nass waren. Ob von seinen oder ihren eigenen Tränen wusste er nicht und wollte es im Moment nicht wissen.
"Und du bist sicher, dass ihr nicht doch verliebt seid?", fragte Sally nach einigen Momenten. Lu und Kilian stießen sich voneinander ab wie zwei gleichgepolte Magnete und riefen:
"Auf keinen Fall!" und "Göttin, Nein!" Und Kilian wusste, dass es stimmte. Er liebte Lu. Mit seinem ganzen Herzen. Aber nicht auf diese Weise. Und im Gegensatz zu noch vor ein paar Wochen, war er sich absolut sicher, dass es Lu genauso ging.
"Aber was machst du eigentlich hier?", fragte Lu ihn schließlich. Kilian erzählte Sally und Lu von dem Ritual, als hinter ihnen die Tür knarrte und Faina eintrat.
DU LIEST GERADE
Witchboy
FantasyIn der Nacht zum sechzehnten Geburtstag zeigt sich, ob ein Mädchen eine Hexe ist oder nicht. Das ist die Nacht, in der sich ihre Kräfte offenbaren. Gut, dass Kilian kein Mädchen ist. Als einziger Junge in einem Hexenhaushalt will er so wenig wie mög...